Flagge zu fahren. Er gieng also zuvor nach Emden; gewann dort um eine Kleinigkeit das Bürgerrecht und genoß von dem Augenblicke an die Rechte und den Schutz eines Preus- sischen Unterthans. So gesichert, stach er in See; hatte aber das Unglück, sein Schiff an der Marockanischen Küste durch einen Sturm zu verlieren. Nur kümmerlich rettete er sich, sammt seinen Gefährten, ans Land, wo er freilich sein Schicksal um nichts ge- bessert fand, da es nur Ketten und Banden waren, was sie Alle in Mogador, wohin sie zunächst geschleppt wurden, zu erwarten hat- ten. Ein schreckliches Loch war ihr Gefäng- niß, wo sie bei Mais-Körnern und Wasser zwischen Tod und Leben, aber in noch schreck- licherer Angst über die weitere Entscheidung ihres Schicksals, hinschmachteten. Denn so- viel hatte man sie verständigt: Man wisse nicht, was man aus ihnen und ihrer an's Land getriebenen Flagge machen solle. Es sey daher die letztere an das, 30 Meilen entfernte Hoflager des Kaisers gesandt wor- den; und von dorther erwarte man Jhret- wegen eine höhere Verfügung.
Nach neun Tagen endlich erschien vor ihrem Kerkerloche ein gewaltiger Trupp be- waffneter Mauren; ihre Banden lösten sich, und sie wurden Jeder auf einen Esel gesetzt, um eine Reise anzutreten, deren Ziel sie
Flagge zu fahren. Er gieng alſo zuvor nach Emden; gewann dort um eine Kleinigkeit das Buͤrgerrecht und genoß von dem Augenblicke an die Rechte und den Schutz eines Preuſ- ſiſchen Unterthans. So geſichert, ſtach er in See; hatte aber das Ungluͤck, ſein Schiff an der Marockaniſchen Kuͤſte durch einen Sturm zu verlieren. Nur kuͤmmerlich rettete er ſich, ſammt ſeinen Gefaͤhrten, ans Land, wo er freilich ſein Schickſal um nichts ge- beſſert fand, da es nur Ketten und Banden waren, was ſie Alle in Mogador, wohin ſie zunaͤchſt geſchleppt wurden, zu erwarten hat- ten. Ein ſchreckliches Loch war ihr Gefaͤng- niß, wo ſie bei Mais-Koͤrnern und Waſſer zwiſchen Tod und Leben, aber in noch ſchreck- licherer Angſt uͤber die weitere Entſcheidung ihres Schickſals, hinſchmachteten. Denn ſo- viel hatte man ſie verſtaͤndigt: Man wiſſe nicht, was man aus ihnen und ihrer an’s Land getriebenen Flagge machen ſolle. Es ſey daher die letztere an das, 30 Meilen entfernte Hoflager des Kaiſers geſandt wor- den; und von dorther erwarte man Jhret- wegen eine hoͤhere Verfuͤgung.
Nach neun Tagen endlich erſchien vor ihrem Kerkerloche ein gewaltiger Trupp be- waffneter Mauren; ihre Banden loͤſten ſich, und ſie wurden Jeder auf einen Eſel geſetzt, um eine Reiſe anzutreten, deren Ziel ſie
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Flagge zu fahren. Er gieng alſo zuvor nach
Emden; gewann dort um eine Kleinigkeit das
Buͤrgerrecht und genoß von dem Augenblicke
an die Rechte und den Schutz eines Preuſ-
ſiſchen Unterthans. So geſichert, ſtach er
in See; hatte aber das Ungluͤck, ſein Schiff
an der Marockaniſchen Kuͤſte durch einen
Sturm zu verlieren. Nur kuͤmmerlich rettete
er ſich, ſammt ſeinen Gefaͤhrten, ans Land,
wo er freilich ſein Schickſal um nichts ge-
beſſert fand, da es nur Ketten und Banden
waren, was ſie Alle in Mogador, wohin ſie
zunaͤchſt geſchleppt wurden, zu erwarten hat-
ten. Ein ſchreckliches Loch war ihr Gefaͤng-
niß, wo ſie bei Mais-Koͤrnern und Waſſer
zwiſchen Tod und Leben, aber in noch ſchreck-
licherer Angſt uͤber die weitere Entſcheidung
ihres Schickſals, hinſchmachteten. Denn ſo-
viel hatte man ſie verſtaͤndigt: Man wiſſe
nicht, was man aus ihnen und ihrer an’s
Land getriebenen Flagge machen ſolle. Es
ſey daher die letztere an das, 30 Meilen
entfernte Hoflager des Kaiſers geſandt wor-
den; und von dorther erwarte man Jhret-
wegen eine hoͤhere Verfuͤgung.
Nach neun Tagen endlich erſchien vor
ihrem Kerkerloche ein gewaltiger Trupp be-
waffneter Mauren; ihre Banden loͤſten ſich,
und ſie wurden Jeder auf einen Eſel geſetzt,
um eine Reiſe anzutreten, deren Ziel ſie
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/177>, abgerufen am 16.02.2025.
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