Schale eine Bildsäule der Gerechtigkeit thronte und die Andre, die mit Papieren und Acten angefüllt war, hoch in die Höhe wog. Zur andern Seite eine Gruppe Preussischer Ge- nerale und Justiz-Personen; und im Hinter- grunde in großen leuchtenden Buchstaben die Portugiesische Jnschrift: "Gerechtigkeits- Pflege des Königs von Preussen;" -- drun- ter aber der Name "Arnold." -- Man sieht also, daß hier der berühmte Proceß des Müllers Arnold gemeynt war, der damals, als Neuigkeit des Tages, durch ganz Europa das höchste Aufsehen erregte. Wem den- noch das Ganze hätte unverständlich bleiben mögen, dem half ein bestellter Ausrufer zu- recht, der die Geschichte laut und pathetisch herzuerzählen wußte.
Alles horchte und schien tief davon er- griffen; auch mir armen Narren hämmerte das Herz unterm dritten Knopfloch, daß ich mich vor patriotischer freudiger Wehmuth kaum zu lassen wußte. Nein, es mußte her- aus! Jch mußte mich in den innersten Kreis hervordrängen; und sogut oder übel ich die fremde Sprache zu radebrechen verstand, rief ich aus: "Mein König! Jch bin Preusse!" -- War zuvor der dichte Haufe noch nicht in lebendiger Bewegung gewesen, so fielen doch jetzt diese wenige Worte wie ein elek- trisches Feuer in alle Herzen. Die ganze
Schale eine Bildſaͤule der Gerechtigkeit thronte und die Andre, die mit Papieren und Acten angefuͤllt war, hoch in die Hoͤhe wog. Zur andern Seite eine Gruppe Preuſſiſcher Ge- nerale und Juſtiz-Perſonen; und im Hinter- grunde in großen leuchtenden Buchſtaben die Portugieſiſche Jnſchrift: „Gerechtigkeits- Pflege des Koͤnigs von Preuſſen;‟ — drun- ter aber der Name „Arnold.‟ — Man ſieht alſo, daß hier der beruͤhmte Proceß des Muͤllers Arnold gemeynt war, der damals, als Neuigkeit des Tages, durch ganz Europa das hoͤchſte Aufſehen erregte. Wem den- noch das Ganze haͤtte unverſtaͤndlich bleiben moͤgen, dem half ein beſtellter Ausrufer zu- recht, der die Geſchichte laut und pathetiſch herzuerzaͤhlen wußte.
Alles horchte und ſchien tief davon er- griffen; auch mir armen Narren haͤmmerte das Herz unterm dritten Knopfloch, daß ich mich vor patriotiſcher freudiger Wehmuth kaum zu laſſen wußte. Nein, es mußte her- aus! Jch mußte mich in den innerſten Kreis hervordraͤngen; und ſogut oder uͤbel ich die fremde Sprache zu radebrechen verſtand, rief ich aus: „Mein Koͤnig! Jch bin Preuſſe!‟ — War zuvor der dichte Haufe noch nicht in lebendiger Bewegung geweſen, ſo fielen doch jetzt dieſe wenige Worte wie ein elek- triſches Feuer in alle Herzen. Die ganze
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Schale eine Bildſaͤule der Gerechtigkeit thronte
und die Andre, die mit Papieren und Acten
angefuͤllt war, hoch in die Hoͤhe wog. Zur
andern Seite eine Gruppe Preuſſiſcher Ge-
nerale und Juſtiz-Perſonen; und im Hinter-
grunde in großen leuchtenden Buchſtaben die
Portugieſiſche Jnſchrift: „Gerechtigkeits-
Pflege des Koͤnigs von Preuſſen;‟ — drun-
ter aber der Name „Arnold.‟ — Man
ſieht alſo, daß hier der beruͤhmte Proceß des
Muͤllers Arnold gemeynt war, der damals,
als Neuigkeit des Tages, durch ganz Europa
das hoͤchſte Aufſehen erregte. Wem den-
noch das Ganze haͤtte unverſtaͤndlich bleiben
moͤgen, dem half ein beſtellter Ausrufer zu-
recht, der die Geſchichte laut und pathetiſch
herzuerzaͤhlen wußte.
Alles horchte und ſchien tief davon er-
griffen; auch mir armen Narren haͤmmerte
das Herz unterm dritten Knopfloch, daß ich
mich vor patriotiſcher freudiger Wehmuth
kaum zu laſſen wußte. Nein, es mußte her-
aus! Jch mußte mich in den innerſten Kreis
hervordraͤngen; und ſogut oder uͤbel ich die
fremde Sprache zu radebrechen verſtand, rief
ich aus: „Mein Koͤnig! Jch bin Preuſſe!‟
— War zuvor der dichte Haufe noch nicht
in lebendiger Bewegung geweſen, ſo fielen
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/169>, abgerufen am 16.07.2024.
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