dieses Mannes Rath und Meynung wollt' ich in meiner Unentschlossenheit mitnehmen. Jch trat zu ihm ein, trug ihm mein Anlie- gen und Bedenken vor und überließ ihm die Entscheidung. "Hört, Freund Rettelbeck," entgegnete dieser hinwiederum -- "Jch kenne Euch und kenne Groß inwendig und aus- wendig. Jhr seyd Beide ein paar herzens- gute Leute -- brav, ehrlich und erfahren -- Jhr Beide werdet Euch in einander schicken und passen, oder Keiner in der Welt! Wie schlimm Jener auch verschrien seyn mag, so kömmt es doch nur darauf an, daß Jhr seine erste tolle Hitze vorüber toben laßt. Jn der nächsten Viertelstunde darauf könnt Jhr ihn wieder um den Finger wickeln, wie ein Wachs. Was ist da also noch lange zu bedenken? Jhr bekommt ein schönes neues und großes Schiff von 320 Last unter die Füße, womit ein Mann von Eurer Welt-Erfahrung schon etwas Rechtschaffenes anzufangen wissen wird.
Das klang nun freilich ganz anders, aber keinesweges unverständig. Jch ließ es mir gesagt seyn; setzte meinen Weg mit erleich- tertem Herzen fort; trat zu Hrn. Groß in das Zimmer und mit drei raschen Schritten auf ihn zu; reichte ihm die Hand, und rief mit leuchtenden Augen: "Glück gebe Gott uns Beiden, mein Herr Patron!" -- "Ja? Jst's wahr? Hab' ich Euch?" fuhr er Seinerseits
dieſes Mannes Rath und Meynung wollt’ ich in meiner Unentſchloſſenheit mitnehmen. Jch trat zu ihm ein, trug ihm mein Anlie- gen und Bedenken vor und uͤberließ ihm die Entſcheidung. „Hoͤrt, Freund Rettelbeck,‟ entgegnete dieſer hinwiederum — „Jch kenne Euch und kenne Groß inwendig und aus- wendig. Jhr ſeyd Beide ein paar herzens- gute Leute — brav, ehrlich und erfahren — Jhr Beide werdet Euch in einander ſchicken und paſſen, oder Keiner in der Welt! Wie ſchlimm Jener auch verſchrien ſeyn mag, ſo koͤmmt es doch nur darauf an, daß Jhr ſeine erſte tolle Hitze voruͤber toben laßt. Jn der naͤchſten Viertelſtunde darauf koͤnnt Jhr ihn wieder um den Finger wickeln, wie ein Wachs. Was iſt da alſo noch lange zu bedenken? Jhr bekommt ein ſchoͤnes neues und großes Schiff von 320 Laſt unter die Fuͤße, womit ein Mann von Eurer Welt-Erfahrung ſchon etwas Rechtſchaffenes anzufangen wiſſen wird.
Das klang nun freilich ganz anders, aber keinesweges unverſtaͤndig. Jch ließ es mir geſagt ſeyn; ſetzte meinen Weg mit erleich- tertem Herzen fort; trat zu Hrn. Groß in das Zimmer und mit drei raſchen Schritten auf ihn zu; reichte ihm die Hand, und rief mit leuchtenden Augen: „Gluͤck gebe Gott uns Beiden, mein Herr Patron!‟ — „Ja? Jſt’s wahr? Hab’ ich Euch?‟ fuhr er Seinerſeits
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dieſes Mannes Rath und Meynung wollt’
ich in meiner Unentſchloſſenheit mitnehmen.
Jch trat zu ihm ein, trug ihm mein Anlie-
gen und Bedenken vor und uͤberließ ihm die
Entſcheidung. „Hoͤrt, Freund Rettelbeck,‟
entgegnete dieſer hinwiederum — „Jch kenne
Euch und kenne Groß inwendig und aus-
wendig. Jhr ſeyd Beide ein paar herzens-
gute Leute — brav, ehrlich und erfahren —
Jhr Beide werdet Euch in einander ſchicken
und paſſen, oder Keiner in der Welt! Wie
ſchlimm Jener auch verſchrien ſeyn mag, ſo
koͤmmt es doch nur darauf an, daß Jhr ſeine
erſte tolle Hitze voruͤber toben laßt. Jn der
naͤchſten Viertelſtunde darauf koͤnnt Jhr ihn
wieder um den Finger wickeln, wie ein Wachs.
Was iſt da alſo noch lange zu bedenken?
Jhr bekommt ein ſchoͤnes neues und großes
Schiff von 320 Laſt unter die Fuͤße, womit
ein Mann von Eurer Welt-Erfahrung ſchon
etwas Rechtſchaffenes anzufangen wiſſen wird.
Das klang nun freilich ganz anders, aber
keinesweges unverſtaͤndig. Jch ließ es mir
geſagt ſeyn; ſetzte meinen Weg mit erleich-
tertem Herzen fort; trat zu Hrn. Groß in
das Zimmer und mit drei raſchen Schritten
auf ihn zu; reichte ihm die Hand, und rief
mit leuchtenden Augen: „Gluͤck gebe Gott uns
Beiden, mein Herr Patron!‟ — „Ja? Jſt’s
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/152>, abgerufen am 16.02.2025.
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