auch so fleissigen Gebrauch machte, indem ich den Brand tapfer kanonirte, daß ich endlich das Glück hatte, ihn zu überwältigen und völlig zu löschen. Wo es aber noch irgend zu glimmen schien, da kratzte ich mit meinen Händen die Kohlen herunter, soweit ich ir- gend reichen konnte.
Jetzt erst, da es hier nichts mehr für mich zu thun gab, gewann ich Zeit, an mich selbst zu denken. Jch spürte, wie mir mit jeder Minute übel und immer übler zu Muthe ward: denn das zurücksprützende Wasser hatte mich bis auf die Haut durch- näßt, und zugleich war eine Hitze im Thurme, die je länger je unausstehlicher wurde. Zwar eilte ich nun hinunter: aber indem ich gegen die Schallöcher kam, gab es einen so schnei- denden Luftzug, daß mir plötzlich die Sinne vergiengen. Auch weiß ich nicht, ob ich auf meinen eignen Füßen Gottes Erdboden erreicht, oder ob mich die Leute hinabgetra- gen haben.
Als ich mich wieder besann, lag ich auf dem Kirchhofe; und mir zur Seite standen die Chirurgen Wüsthof und Kretschmer, die mir an beiden Armen eine Ader geöffnet hatten. Ausserdem gab es noch einen dich- ten Haufen von Menschen um mich her, welche von Theilnahme oder Neugierde her- beigeführt seyn mochten. Mit meinem wie-
auch ſo fleiſſigen Gebrauch machte, indem ich den Brand tapfer kanonirte, daß ich endlich das Gluͤck hatte, ihn zu uͤberwaͤltigen und voͤllig zu loͤſchen. Wo es aber noch irgend zu glimmen ſchien, da kratzte ich mit meinen Haͤnden die Kohlen herunter, ſoweit ich ir- gend reichen konnte.
Jetzt erſt, da es hier nichts mehr fuͤr mich zu thun gab, gewann ich Zeit, an mich ſelbſt zu denken. Jch ſpuͤrte, wie mir mit jeder Minute uͤbel und immer uͤbler zu Muthe ward: denn das zuruͤckſpruͤtzende Waſſer hatte mich bis auf die Haut durch- naͤßt, und zugleich war eine Hitze im Thurme, die je laͤnger je unausſtehlicher wurde. Zwar eilte ich nun hinunter: aber indem ich gegen die Schalloͤcher kam, gab es einen ſo ſchnei- denden Luftzug, daß mir ploͤtzlich die Sinne vergiengen. Auch weiß ich nicht, ob ich auf meinen eignen Fuͤßen Gottes Erdboden erreicht, oder ob mich die Leute hinabgetra- gen haben.
Als ich mich wieder beſann, lag ich auf dem Kirchhofe; und mir zur Seite ſtanden die Chirurgen Wuͤſthof und Kretſchmer, die mir an beiden Armen eine Ader geoͤffnet hatten. Auſſerdem gab es noch einen dich- ten Haufen von Menſchen um mich her, welche von Theilnahme oder Neugierde her- beigefuͤhrt ſeyn mochten. Mit meinem wie-
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auch ſo fleiſſigen Gebrauch machte, indem ich
den Brand tapfer kanonirte, daß ich endlich
das Gluͤck hatte, ihn zu uͤberwaͤltigen und
voͤllig zu loͤſchen. Wo es aber noch irgend
zu glimmen ſchien, da kratzte ich mit meinen
Haͤnden die Kohlen herunter, ſoweit ich ir-
gend reichen konnte.
Jetzt erſt, da es hier nichts mehr fuͤr
mich zu thun gab, gewann ich Zeit, an
mich ſelbſt zu denken. Jch ſpuͤrte, wie mir
mit jeder Minute uͤbel und immer uͤbler zu
Muthe ward: denn das zuruͤckſpruͤtzende
Waſſer hatte mich bis auf die Haut durch-
naͤßt, und zugleich war eine Hitze im Thurme,
die je laͤnger je unausſtehlicher wurde. Zwar
eilte ich nun hinunter: aber indem ich gegen
die Schalloͤcher kam, gab es einen ſo ſchnei-
denden Luftzug, daß mir ploͤtzlich die Sinne
vergiengen. Auch weiß ich nicht, ob ich
auf meinen eignen Fuͤßen Gottes Erdboden
erreicht, oder ob mich die Leute hinabgetra-
gen haben.
Als ich mich wieder beſann, lag ich auf
dem Kirchhofe; und mir zur Seite ſtanden
die Chirurgen Wuͤſthof und Kretſchmer, die
mir an beiden Armen eine Ader geoͤffnet
hatten. Auſſerdem gab es noch einen dich-
ten Haufen von Menſchen um mich her,
welche von Theilnahme oder Neugierde her-
beigefuͤhrt ſeyn mochten. Mit meinem wie-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/136>, abgerufen am 17.07.2024.
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