wir hier zubrachten, überzeugte uns daher bald von der Nothwendigkeit, einen vortheil- haftern Platz aufzusuchen; und unsre Wahl fiel auf die benachbarte holländische Kolonie Berbice. Bei unserm Abgange befand sich Herr van Roose und seine Gemahlin gerade abwesend auf Einer von ihren Plantagen; so daß wir uns, zu meinem innigen Bedauern, kein Lebewohl sagen konnten. Am ersten Januar 1773 stachen wir demnach wieder in See.
Doch schon am nächsten Tage verspürten wir plötzlich einen Leck von solcher Bedeu- tung, daß wir im vollen Ernst das Sinken fürchteten und uns mit der angestrengtesten Arbeit an den Pumpen kaum über Wasser erhalten konnten. Wir befanden uns hier ei- nem unangebauten Strich der Küste und der Mündung des Flusses Kormantio gegenüber, die 15 Meilen nördlich von Suriname liegt und bis dahin noch von keiner europäischen Macht in Besitz genommen war. Wollten wir nun nicht unser augenblickliches Grab in den Wellen finden, oder auf den Strand laufen und auch hier es darauf wagen, Alles zu verlieren: so blieb uns nur der Versuch übrig, in den gedachten Fluß einzulaufen und unsern Schaden, wo möglich, auszubessern.
Jch gieng mit der Schaluppe voraus und untersuchte die Einfahrt. Die Mündung des
wir hier zubrachten, uͤberzeugte uns daher bald von der Nothwendigkeit, einen vortheil- haftern Platz aufzuſuchen; und unſre Wahl fiel auf die benachbarte hollaͤndiſche Kolonie Berbice. Bei unſerm Abgange befand ſich Herr van Rooſe und ſeine Gemahlin gerade abweſend auf Einer von ihren Plantagen; ſo daß wir uns, zu meinem innigen Bedauern, kein Lebewohl ſagen konnten. Am erſten Januar 1773 ſtachen wir demnach wieder in See.
Doch ſchon am naͤchſten Tage verſpuͤrten wir ploͤtzlich einen Leck von ſolcher Bedeu- tung, daß wir im vollen Ernſt das Sinken fuͤrchteten und uns mit der angeſtrengteſten Arbeit an den Pumpen kaum uͤber Waſſer erhalten konnten. Wir befanden uns hier ei- nem unangebauten Strich der Kuͤſte und der Muͤndung des Fluſſes Kormantio gegenuͤber, die 15 Meilen noͤrdlich von Suriname liegt und bis dahin noch von keiner europaͤiſchen Macht in Beſitz genommen war. Wollten wir nun nicht unſer augenblickliches Grab in den Wellen finden, oder auf den Strand laufen und auch hier es darauf wagen, Alles zu verlieren: ſo blieb uns nur der Verſuch uͤbrig, in den gedachten Fluß einzulaufen und unſern Schaden, wo moͤglich, auszubeſſern.
Jch gieng mit der Schaluppe voraus und unterſuchte die Einfahrt. Die Muͤndung des
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0111"n="107"/>
wir hier zubrachten, uͤberzeugte uns daher<lb/>
bald von der Nothwendigkeit, einen vortheil-<lb/>
haftern Platz aufzuſuchen; und unſre Wahl<lb/>
fiel auf die benachbarte hollaͤndiſche Kolonie<lb/>
Berbice. Bei unſerm Abgange befand ſich<lb/>
Herr van Rooſe und ſeine Gemahlin gerade<lb/>
abweſend auf Einer von ihren Plantagen;<lb/>ſo daß wir uns, zu meinem innigen Bedauern,<lb/>
kein Lebewohl ſagen konnten. Am erſten<lb/>
Januar 1773 ſtachen wir demnach wieder<lb/>
in See.</p><lb/><p>Doch ſchon am naͤchſten Tage verſpuͤrten<lb/>
wir ploͤtzlich einen Leck von ſolcher Bedeu-<lb/>
tung, daß wir im vollen Ernſt das Sinken<lb/>
fuͤrchteten und uns mit der angeſtrengteſten<lb/>
Arbeit an den Pumpen kaum uͤber Waſſer<lb/>
erhalten konnten. Wir befanden uns hier ei-<lb/>
nem unangebauten Strich der Kuͤſte und der<lb/>
Muͤndung des Fluſſes Kormantio gegenuͤber,<lb/>
die 15 Meilen noͤrdlich von Suriname liegt<lb/>
und bis dahin noch von keiner europaͤiſchen<lb/>
Macht in Beſitz genommen war. Wollten<lb/>
wir nun nicht unſer augenblickliches Grab in<lb/>
den Wellen finden, oder auf den Strand<lb/>
laufen und auch hier es darauf wagen, Alles<lb/>
zu verlieren: ſo blieb uns nur der Verſuch<lb/>
uͤbrig, in den gedachten Fluß einzulaufen und<lb/>
unſern Schaden, wo moͤglich, auszubeſſern.</p><lb/><p>Jch gieng mit der Schaluppe voraus und<lb/>
unterſuchte die Einfahrt. Die Muͤndung des<lb/></p></div></body></text></TEI>
[107/0111]
wir hier zubrachten, uͤberzeugte uns daher
bald von der Nothwendigkeit, einen vortheil-
haftern Platz aufzuſuchen; und unſre Wahl
fiel auf die benachbarte hollaͤndiſche Kolonie
Berbice. Bei unſerm Abgange befand ſich
Herr van Rooſe und ſeine Gemahlin gerade
abweſend auf Einer von ihren Plantagen;
ſo daß wir uns, zu meinem innigen Bedauern,
kein Lebewohl ſagen konnten. Am erſten
Januar 1773 ſtachen wir demnach wieder
in See.
Doch ſchon am naͤchſten Tage verſpuͤrten
wir ploͤtzlich einen Leck von ſolcher Bedeu-
tung, daß wir im vollen Ernſt das Sinken
fuͤrchteten und uns mit der angeſtrengteſten
Arbeit an den Pumpen kaum uͤber Waſſer
erhalten konnten. Wir befanden uns hier ei-
nem unangebauten Strich der Kuͤſte und der
Muͤndung des Fluſſes Kormantio gegenuͤber,
die 15 Meilen noͤrdlich von Suriname liegt
und bis dahin noch von keiner europaͤiſchen
Macht in Beſitz genommen war. Wollten
wir nun nicht unſer augenblickliches Grab in
den Wellen finden, oder auf den Strand
laufen und auch hier es darauf wagen, Alles
zu verlieren: ſo blieb uns nur der Verſuch
uͤbrig, in den gedachten Fluß einzulaufen und
unſern Schaden, wo moͤglich, auszubeſſern.
Jch gieng mit der Schaluppe voraus und
unterſuchte die Einfahrt. Die Muͤndung des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/111>, abgerufen am 20.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.