ich vermochte, um sie vor drückendem Man- gel zu schützen. Das Mädchen ließ ich et- was besser kleiden und den früher versäum- ten Unterricht nach Möglichkeit wieder ein- bringen; wobei es denn auch nicht an guten Ermahnungen zu einem ehrbaren christlichen Wandel mangelte, die nicht ohne Eindruck blieben. So gieng das fort, bis endlich Briefe an mich einliefen, worinn meine al- ten Gönner und Freunde mir herzlich dank- ten, daß ich ihnen behülflich gewesen, einen lang gehegten Wunsch zu befriedigen und ihnen ihren vorlängst todt geglaubten Bru- der wieder zuzuweisen. Sie hatten die Veranstaltung getroffen, demselben durch ein nahmhaftes Königsberger Handelshaus eine jährliche Leibrente auszahlen zu lassen, wovon sie glaubten, daß er seine übrigen Lebenstage damit bequem und gemächlich würde ausreichen können.
Hiernächst aber eröffneten sie mir zu- gleich ein Verlangen, worinn sie wünschten und mich aufforderten, ihnen noch näher die Hände zu bieten. Mir sey bewußt, daß sie unbeerbt lebten; und doch möchten sie gerne die Freude geniessen, einen Blutsver- wandten um sich zu sehen und einst ihr Vermögen in dessen Hände zu übergeben. Jch möchte also dahin sehen, ob es thun- lich seyn wolle, die Tochter ihres Bruders,
11. Bändchen. (7)
ich vermochte, um ſie vor druͤckendem Man- gel zu ſchuͤtzen. Das Maͤdchen ließ ich et- was beſſer kleiden und den fruͤher verſaͤum- ten Unterricht nach Moͤglichkeit wieder ein- bringen; wobei es denn auch nicht an guten Ermahnungen zu einem ehrbaren chriſtlichen Wandel mangelte, die nicht ohne Eindruck blieben. So gieng das fort, bis endlich Briefe an mich einliefen, worinn meine al- ten Goͤnner und Freunde mir herzlich dank- ten, daß ich ihnen behuͤlflich geweſen, einen lang gehegten Wunſch zu befriedigen und ihnen ihren vorlaͤngſt todt geglaubten Bru- der wieder zuzuweiſen. Sie hatten die Veranſtaltung getroffen, demſelben durch ein nahmhaftes Koͤnigsberger Handelshaus eine jaͤhrliche Leibrente auszahlen zu laſſen, wovon ſie glaubten, daß er ſeine uͤbrigen Lebenstage damit bequem und gemaͤchlich wuͤrde ausreichen koͤnnen.
Hiernaͤchſt aber eroͤffneten ſie mir zu- gleich ein Verlangen, worinn ſie wuͤnſchten und mich aufforderten, ihnen noch naͤher die Haͤnde zu bieten. Mir ſey bewußt, daß ſie unbeerbt lebten; und doch moͤchten ſie gerne die Freude genieſſen, einen Blutsver- wandten um ſich zu ſehen und einſt ihr Vermoͤgen in deſſen Haͤnde zu uͤbergeben. Jch moͤchte alſo dahin ſehen, ob es thun- lich ſeyn wolle, die Tochter ihres Bruders,
11. Bändchen. (7)
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ich vermochte, um ſie vor druͤckendem Man-
gel zu ſchuͤtzen. Das Maͤdchen ließ ich et-
was beſſer kleiden und den fruͤher verſaͤum-
ten Unterricht nach Moͤglichkeit wieder ein-
bringen; wobei es denn auch nicht an guten
Ermahnungen zu einem ehrbaren chriſtlichen
Wandel mangelte, die nicht ohne Eindruck
blieben. So gieng das fort, bis endlich
Briefe an mich einliefen, worinn meine al-
ten Goͤnner und Freunde mir herzlich dank-
ten, daß ich ihnen behuͤlflich geweſen, einen
lang gehegten Wunſch zu befriedigen und
ihnen ihren vorlaͤngſt todt geglaubten Bru-
der wieder zuzuweiſen. Sie hatten die
Veranſtaltung getroffen, demſelben durch
ein nahmhaftes Koͤnigsberger Handelshaus
eine jaͤhrliche Leibrente auszahlen zu laſſen,
wovon ſie glaubten, daß er ſeine uͤbrigen
Lebenstage damit bequem und gemaͤchlich
wuͤrde ausreichen koͤnnen.
Hiernaͤchſt aber eroͤffneten ſie mir zu-
gleich ein Verlangen, worinn ſie wuͤnſchten
und mich aufforderten, ihnen noch naͤher die
Haͤnde zu bieten. Mir ſey bewußt, daß
ſie unbeerbt lebten; und doch moͤchten ſie
gerne die Freude genieſſen, einen Blutsver-
wandten um ſich zu ſehen und einſt ihr
Vermoͤgen in deſſen Haͤnde zu uͤbergeben.
Jch moͤchte alſo dahin ſehen, ob es thun-
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11. Bändchen. (7)
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/101>, abgerufen am 20.07.2024.
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