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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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Namen den Beutel zu ziehen: allein Dieser,
sammt unserm ganzen kleinen Reichthum,
saß so tief und wohl verwahrt in meinen
Beinkleidern, daß ich ein billiges Bedenken
trug, ihn vor diesen Zeugen zum Vorschein
zu bringen. Darüber saßen wir hier wohl
eine gute halbe Stunde lang, gleichsam wie
im Arrest, und es ward mit uns um die
sechs Stüber capitulirt.

Ganz wie vom Himmel kam uns jedoch
ein Erlöser in der Person eines Postboten,
der zu uns eintrat, weil er hier Briefe ab-
zureichen hatte. Er ließ sich den Handel
von beiden Partheien umständlich vortragen,
und schlug sich, wie billig, auf unsre Seite;
wobei es denn nicht ohne eine nachdrückliche
Gewissensrüge an den unbarmherzigen Zöll-
ner abgieng. Dieser aber blieb steif und un-
beweglich auf seinem Zoll-Reglement und
seinen sechs Stübern bestehen; bis endlich
unser eifriger Sachwalter den eignen Beu-
tel zog, Jenem das Wegegeld hinwarf, und
nun uns triumphirend aufforderte, in Got-
tes Namen unsers Weges zu gehen. Das
thaten wir denn auch, ohne es an unsrer
Bedankung für seine Großmuth mangeln zu
lassen.

Nun aber geriethen wir in andre Nöthe.
Meine beiden Begleiter, der angestrengten

Mär-

Namen den Beutel zu ziehen: allein Dieſer,
ſammt unſerm ganzen kleinen Reichthum,
ſaß ſo tief und wohl verwahrt in meinen
Beinkleidern, daß ich ein billiges Bedenken
trug, ihn vor dieſen Zeugen zum Vorſchein
zu bringen. Daruͤber ſaßen wir hier wohl
eine gute halbe Stunde lang, gleichſam wie
im Arreſt, und es ward mit uns um die
ſechs Stuͤber capitulirt.

Ganz wie vom Himmel kam uns jedoch
ein Erloͤſer in der Perſon eines Poſtboten,
der zu uns eintrat, weil er hier Briefe ab-
zureichen hatte. Er ließ ſich den Handel
von beiden Partheien umſtaͤndlich vortragen,
und ſchlug ſich, wie billig, auf unſre Seite;
wobei es denn nicht ohne eine nachdruͤckliche
Gewiſſensruͤge an den unbarmherzigen Zoͤll-
ner abgieng. Dieſer aber blieb ſteif und un-
beweglich auf ſeinem Zoll-Reglement und
ſeinen ſechs Stuͤbern beſtehen; bis endlich
unſer eifriger Sachwalter den eignen Beu-
tel zog, Jenem das Wegegeld hinwarf, und
nun uns triumphirend aufforderte, in Got-
tes Namen unſers Weges zu gehen. Das
thaten wir denn auch, ohne es an unſrer
Bedankung fuͤr ſeine Großmuth mangeln zu
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Nun aber geriethen wir in andre Noͤthe.
Meine beiden Begleiter, der angeſtrengten

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[80/0096] Namen den Beutel zu ziehen: allein Dieſer, ſammt unſerm ganzen kleinen Reichthum, ſaß ſo tief und wohl verwahrt in meinen Beinkleidern, daß ich ein billiges Bedenken trug, ihn vor dieſen Zeugen zum Vorſchein zu bringen. Daruͤber ſaßen wir hier wohl eine gute halbe Stunde lang, gleichſam wie im Arreſt, und es ward mit uns um die ſechs Stuͤber capitulirt. Ganz wie vom Himmel kam uns jedoch ein Erloͤſer in der Perſon eines Poſtboten, der zu uns eintrat, weil er hier Briefe ab- zureichen hatte. Er ließ ſich den Handel von beiden Partheien umſtaͤndlich vortragen, und ſchlug ſich, wie billig, auf unſre Seite; wobei es denn nicht ohne eine nachdruͤckliche Gewiſſensruͤge an den unbarmherzigen Zoͤll- ner abgieng. Dieſer aber blieb ſteif und un- beweglich auf ſeinem Zoll-Reglement und ſeinen ſechs Stuͤbern beſtehen; bis endlich unſer eifriger Sachwalter den eignen Beu- tel zog, Jenem das Wegegeld hinwarf, und nun uns triumphirend aufforderte, in Got- tes Namen unſers Weges zu gehen. Das thaten wir denn auch, ohne es an unſrer Bedankung fuͤr ſeine Großmuth mangeln zu laſſen. Nun aber geriethen wir in andre Noͤthe. Meine beiden Begleiter, der angeſtrengten Maͤr-

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/96>, abgerufen am 24.11.2024.