Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

am Morgen unser nächtliches Abentheuer
mittheilten, nahm sich den Affront, welcher
seinen Schützlingen widerfahren war, mehr
zu Herzen, als wir erwarteten. Trotz un-
sern Vorstellungen, las er der Wirthinn ei-
nen derben Text, sagte ihr und ihrem Hause,
wo er so viele Jahre verkehrt hatte, alle
Gemeinschaft auf, und wollte jede Christen-
seele warnen, keinen Fuß über diese unwirth-
liche Schwelle zu setzen. Wir hatten genug
zu thun, den lieben alten Mann zu be-
schwichtigen, der sich's nicht nehmen ließ,
uns noch zu guter Letzt durch ein vollständi-
ges Frühstück satt zu machen; ja auch all'
unsre Taschen mit Brodt, Käse, gekochtem
Fleisch, und was er sonst wußte und hatte,
vollzustopfen.

Das gethan, ergriff er seinen Stab und
wanderte mit uns zum Thore hinaus, wie
sehr wir ihn auch bitten mochten, umzukeh-
ren und seine Kräfte zu schonen. Vielmehr
hörte er nicht auf, uns eifrig wegen unsers
bessern Fortkommens zu berathen; und wäh-
rend dieser Besprechungen verlief Ein Stünd-
chen nach dem Andern, es ward Mittag,
und wir befanden uns in Franecker. Hier
zog er mit uns in ein Wirthshaus; ließ
auftragen, als ob wir uns für drei Tage
satt essen sollten, und konnte sich endlich

am Morgen unſer naͤchtliches Abentheuer
mittheilten, nahm ſich den Affront, welcher
ſeinen Schuͤtzlingen widerfahren war, mehr
zu Herzen, als wir erwarteten. Trotz un-
ſern Vorſtellungen, las er der Wirthinn ei-
nen derben Text, ſagte ihr und ihrem Hauſe,
wo er ſo viele Jahre verkehrt hatte, alle
Gemeinſchaft auf, und wollte jede Chriſten-
ſeele warnen, keinen Fuß uͤber dieſe unwirth-
liche Schwelle zu ſetzen. Wir hatten genug
zu thun, den lieben alten Mann zu be-
ſchwichtigen, der ſich’s nicht nehmen ließ,
uns noch zu guter Letzt durch ein vollſtaͤndi-
ges Fruͤhſtuͤck ſatt zu machen; ja auch all’
unſre Taſchen mit Brodt, Kaͤſe, gekochtem
Fleiſch, und was er ſonſt wußte und hatte,
vollzuſtopfen.

Das gethan, ergriff er ſeinen Stab und
wanderte mit uns zum Thore hinaus, wie
ſehr wir ihn auch bitten mochten, umzukeh-
ren und ſeine Kraͤfte zu ſchonen. Vielmehr
hoͤrte er nicht auf, uns eifrig wegen unſers
beſſern Fortkommens zu berathen; und waͤh-
rend dieſer Beſprechungen verlief Ein Stuͤnd-
chen nach dem Andern, es ward Mittag,
und wir befanden uns in Franecker. Hier
zog er mit uns in ein Wirthshaus; ließ
auftragen, als ob wir uns fuͤr drei Tage
ſatt eſſen ſollten, und konnte ſich endlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="76"/>
am Morgen un&#x017F;er na&#x0364;chtliches Abentheuer<lb/>
mittheilten, nahm &#x017F;ich den Affront, welcher<lb/>
&#x017F;einen Schu&#x0364;tzlingen widerfahren war, mehr<lb/>
zu Herzen, als wir erwarteten. Trotz un-<lb/>
&#x017F;ern Vor&#x017F;tellungen, las er der Wirthinn ei-<lb/>
nen derben Text, &#x017F;agte ihr und ihrem Hau&#x017F;e,<lb/>
wo er &#x017F;o viele Jahre verkehrt hatte, alle<lb/>
Gemein&#x017F;chaft auf, und wollte jede Chri&#x017F;ten-<lb/>
&#x017F;eele warnen, keinen Fuß u&#x0364;ber die&#x017F;e unwirth-<lb/>
liche Schwelle zu &#x017F;etzen. Wir hatten genug<lb/>
zu thun, den lieben alten Mann zu be-<lb/>
&#x017F;chwichtigen, der &#x017F;ich&#x2019;s nicht nehmen ließ,<lb/>
uns noch zu guter Letzt durch ein voll&#x017F;ta&#x0364;ndi-<lb/>
ges Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck &#x017F;att zu machen; ja auch all&#x2019;<lb/>
un&#x017F;re Ta&#x017F;chen mit Brodt, Ka&#x0364;&#x017F;e, gekochtem<lb/>
Flei&#x017F;ch, und was er &#x017F;on&#x017F;t wußte und hatte,<lb/>
vollzu&#x017F;topfen.</p><lb/>
        <p>Das gethan, ergriff er &#x017F;einen Stab und<lb/>
wanderte mit uns zum Thore hinaus, wie<lb/>
&#x017F;ehr wir ihn auch bitten mochten, umzukeh-<lb/>
ren und &#x017F;eine Kra&#x0364;fte zu &#x017F;chonen. Vielmehr<lb/>
ho&#x0364;rte er nicht auf, uns eifrig wegen un&#x017F;ers<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ern Fortkommens zu berathen; und wa&#x0364;h-<lb/>
rend die&#x017F;er Be&#x017F;prechungen verlief Ein Stu&#x0364;nd-<lb/>
chen nach dem Andern, es ward Mittag,<lb/>
und wir befanden uns in Franecker. Hier<lb/>
zog er mit uns in ein Wirthshaus; ließ<lb/>
auftragen, als ob wir uns fu&#x0364;r drei Tage<lb/>
&#x017F;att e&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollten, und konnte &#x017F;ich endlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0092] am Morgen unſer naͤchtliches Abentheuer mittheilten, nahm ſich den Affront, welcher ſeinen Schuͤtzlingen widerfahren war, mehr zu Herzen, als wir erwarteten. Trotz un- ſern Vorſtellungen, las er der Wirthinn ei- nen derben Text, ſagte ihr und ihrem Hauſe, wo er ſo viele Jahre verkehrt hatte, alle Gemeinſchaft auf, und wollte jede Chriſten- ſeele warnen, keinen Fuß uͤber dieſe unwirth- liche Schwelle zu ſetzen. Wir hatten genug zu thun, den lieben alten Mann zu be- ſchwichtigen, der ſich’s nicht nehmen ließ, uns noch zu guter Letzt durch ein vollſtaͤndi- ges Fruͤhſtuͤck ſatt zu machen; ja auch all’ unſre Taſchen mit Brodt, Kaͤſe, gekochtem Fleiſch, und was er ſonſt wußte und hatte, vollzuſtopfen. Das gethan, ergriff er ſeinen Stab und wanderte mit uns zum Thore hinaus, wie ſehr wir ihn auch bitten mochten, umzukeh- ren und ſeine Kraͤfte zu ſchonen. Vielmehr hoͤrte er nicht auf, uns eifrig wegen unſers beſſern Fortkommens zu berathen; und waͤh- rend dieſer Beſprechungen verlief Ein Stuͤnd- chen nach dem Andern, es ward Mittag, und wir befanden uns in Franecker. Hier zog er mit uns in ein Wirthshaus; ließ auftragen, als ob wir uns fuͤr drei Tage ſatt eſſen ſollten, und konnte ſich endlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/92
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/92>, abgerufen am 22.11.2024.