pflege. Auch möchten wir deren wohl um so mehr bedürftig seyn, da jetzt zwischen dem Schelling und dem festen Lande Alles mit Eis gestopft und so bald an kein Hinüber- kommen zu denken sey.
Dieser Vorschlag kam uns gar gelegen. Ohne uns also zu äussern, daß wir noch mit Geld und mit einer Taschenuhr (Beides hatt' ich sorgfältig in meinen Beinkleidern verwahrt) versehen wären, machten wir uns zu dem Landdrosten auf den Weg, ihm un- sre Lage zu schildern. Der brave Mann hörte uns mit dem äussersten Mitleid an; ließ auch sofort einen Schneider kommen, der uns eine tüchtige Jacke und Hosen an- messen mußte, und versah uns mit doppel- ten Hemden, Halstüchern, Strümpfen, einer Filzmütze und andern Nothwendigkeiten mehr. Hiermit auch nicht zufrieden, ließ er einen Mann kommen, dem er uns in die Kost befahl; und so blieben wir in dieser men- schenfreundlichen Pflege bis in die Mitte des Januars, wo endlich das Eis zwischen dem Schelling und Haarlingen aufgieng und wir ein Schiff von dorther nach dem Schel- ling durchbrechen sahen.
Sobald dies Fahrzeug an Land gekom- men war, beeilten wir uns, den Schiffer, welcher schnell löschen und dann den Rück-
pflege. Auch moͤchten wir deren wohl um ſo mehr beduͤrftig ſeyn, da jetzt zwiſchen dem Schelling und dem feſten Lande Alles mit Eis geſtopft und ſo bald an kein Hinuͤber- kommen zu denken ſey.
Dieſer Vorſchlag kam uns gar gelegen. Ohne uns alſo zu aͤuſſern, daß wir noch mit Geld und mit einer Taſchenuhr (Beides hatt’ ich ſorgfaͤltig in meinen Beinkleidern verwahrt) verſehen waͤren, machten wir uns zu dem Landdroſten auf den Weg, ihm un- ſre Lage zu ſchildern. Der brave Mann hoͤrte uns mit dem aͤuſſerſten Mitleid an; ließ auch ſofort einen Schneider kommen, der uns eine tuͤchtige Jacke und Hoſen an- meſſen mußte, und verſah uns mit doppel- ten Hemden, Halstuͤchern, Struͤmpfen, einer Filzmuͤtze und andern Nothwendigkeiten mehr. Hiermit auch nicht zufrieden, ließ er einen Mann kommen, dem er uns in die Koſt befahl; und ſo blieben wir in dieſer men- ſchenfreundlichen Pflege bis in die Mitte des Januars, wo endlich das Eis zwiſchen dem Schelling und Haarlingen aufgieng und wir ein Schiff von dorther nach dem Schel- ling durchbrechen ſahen.
Sobald dies Fahrzeug an Land gekom- men war, beeilten wir uns, den Schiffer, welcher ſchnell loͤſchen und dann den Ruͤck-
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pflege. Auch moͤchten wir deren wohl um
ſo mehr beduͤrftig ſeyn, da jetzt zwiſchen dem
Schelling und dem feſten Lande Alles mit
Eis geſtopft und ſo bald an kein Hinuͤber-
kommen zu denken ſey.
Dieſer Vorſchlag kam uns gar gelegen.
Ohne uns alſo zu aͤuſſern, daß wir noch
mit Geld und mit einer Taſchenuhr (Beides
hatt’ ich ſorgfaͤltig in meinen Beinkleidern
verwahrt) verſehen waͤren, machten wir uns
zu dem Landdroſten auf den Weg, ihm un-
ſre Lage zu ſchildern. Der brave Mann
hoͤrte uns mit dem aͤuſſerſten Mitleid an;
ließ auch ſofort einen Schneider kommen,
der uns eine tuͤchtige Jacke und Hoſen an-
meſſen mußte, und verſah uns mit doppel-
ten Hemden, Halstuͤchern, Struͤmpfen, einer
Filzmuͤtze und andern Nothwendigkeiten mehr.
Hiermit auch nicht zufrieden, ließ er einen
Mann kommen, dem er uns in die Koſt
befahl; und ſo blieben wir in dieſer men-
ſchenfreundlichen Pflege bis in die Mitte
des Januars, wo endlich das Eis zwiſchen
dem Schelling und Haarlingen aufgieng und
wir ein Schiff von dorther nach dem Schel-
ling durchbrechen ſahen.
Sobald dies Fahrzeug an Land gekom-
men war, beeilten wir uns, den Schiffer,
welcher ſchnell loͤſchen und dann den Ruͤck-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/87>, abgerufen am 16.02.2025.
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