klammert hielten, um nicht von den spülenden Wogen mit fortgerissen zu werden. Die Angst, mit etwas Hoffnung vermischt, machte uns mäuschen stille: Jene aber schrieen und wimmerten, daß die Luft davon erklang, ohne daß wir ihnen helfen, oder sie zu uns em- porklimmen konnten.
Die Nacht war ziemlich dunkel; auf dem Lande lag Schnee, und rings um uns her schäumte die Brandung; folglich war Alles weiß, und es ließ sich nicht unterscheiden, wie nahe oder wie fern wir dem trocknen Ufer seyn möchten. Je länger ich indeß meine Aufmerksamkeit hierauf spannte, desto gewisser auch däuchtete mir's, daß beim Rücklauf der Wellen nur ein kleiner Zwi- schenraum bis zum Lande statt finden könne. Jch nahm einen Zeitpunkt wahr, wo das Verdeck nach vorne frei vom Wasser war, und kroch an dem langen Bugspriet hinan, das nach dem Strande hin gerichtet stand; da sah ich nun deutlich, daß jedesmal, wenn die See zurücktrat, das Ufer kaum eine Schiffslänge von uns entfernt blieb.
Jetzt schien mir unsre Rettung länger nicht unmöglich. Jch nahm behutsam den Rückweg zu meinen Gefährten; theilte ihnen meine glückliche Entdeckung mit und sprach ihnen Muth ein, mir nach auf das Bug-
klammert hielten, um nicht von den ſpuͤlenden Wogen mit fortgeriſſen zu werden. Die Angſt, mit etwas Hoffnung vermiſcht, machte uns maͤuschen ſtille: Jene aber ſchrieen und wimmerten, daß die Luft davon erklang, ohne daß wir ihnen helfen, oder ſie zu uns em- porklimmen konnten.
Die Nacht war ziemlich dunkel; auf dem Lande lag Schnee, und rings um uns her ſchaͤumte die Brandung; folglich war Alles weiß, und es ließ ſich nicht unterſcheiden, wie nahe oder wie fern wir dem trocknen Ufer ſeyn moͤchten. Je laͤnger ich indeß meine Aufmerkſamkeit hierauf ſpannte, deſto gewiſſer auch daͤuchtete mir’s, daß beim Ruͤcklauf der Wellen nur ein kleiner Zwi- ſchenraum bis zum Lande ſtatt finden koͤnne. Jch nahm einen Zeitpunkt wahr, wo das Verdeck nach vorne frei vom Waſſer war, und kroch an dem langen Bugſpriet hinan, das nach dem Strande hin gerichtet ſtand; da ſah ich nun deutlich, daß jedesmal, wenn die See zuruͤcktrat, das Ufer kaum eine Schiffslaͤnge von uns entfernt blieb.
Jetzt ſchien mir unſre Rettung laͤnger nicht unmoͤglich. Jch nahm behutſam den Ruͤckweg zu meinen Gefaͤhrten; theilte ihnen meine gluͤckliche Entdeckung mit und ſprach ihnen Muth ein, mir nach auf das Bug-
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klammert hielten, um nicht von den ſpuͤlenden
Wogen mit fortgeriſſen zu werden. Die
Angſt, mit etwas Hoffnung vermiſcht, machte
uns maͤuschen ſtille: Jene aber ſchrieen und
wimmerten, daß die Luft davon erklang, ohne
daß wir ihnen helfen, oder ſie zu uns em-
porklimmen konnten.
Die Nacht war ziemlich dunkel; auf dem
Lande lag Schnee, und rings um uns her
ſchaͤumte die Brandung; folglich war Alles
weiß, und es ließ ſich nicht unterſcheiden,
wie nahe oder wie fern wir dem trocknen
Ufer ſeyn moͤchten. Je laͤnger ich indeß
meine Aufmerkſamkeit hierauf ſpannte, deſto
gewiſſer auch daͤuchtete mir’s, daß beim
Ruͤcklauf der Wellen nur ein kleiner Zwi-
ſchenraum bis zum Lande ſtatt finden koͤnne.
Jch nahm einen Zeitpunkt wahr, wo das
Verdeck nach vorne frei vom Waſſer war,
und kroch an dem langen Bugſpriet hinan,
das nach dem Strande hin gerichtet ſtand;
da ſah ich nun deutlich, daß jedesmal, wenn
die See zuruͤcktrat, das Ufer kaum eine
Schiffslaͤnge von uns entfernt blieb.
Jetzt ſchien mir unſre Rettung laͤnger
nicht unmoͤglich. Jch nahm behutſam den
Ruͤckweg zu meinen Gefaͤhrten; theilte ihnen
meine gluͤckliche Entdeckung mit und ſprach
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/83>, abgerufen am 16.02.2025.
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