les wieder gut werden könnte. Jch glaubte darum auch, daß ich die Briefe unbedenklich abgehen lassen dürfte; gab den andern Bei- den einen verstohlenen Wink, und eilte mit ihnen nach dem Post-Comptoir.
Unsre Abwesenheit mochte etwa dreivier- tel Stunden gedauert haben. Doch als wir wieder in das Kloster und das Krankenzim- mer eintraten, fanden wir, zu unsrer höchsten Bestürzung und mit einem Schmerz, der sich mit nichts vergleichen läßt, -- nur unsers guten Oheims Leiche vor. Sie ward auch alsbald aus dem Bette genommen, auf den nemlichen Tisch, wie vorhin, ausgestreckt, abermals völlig entkleidet, und der wieder- holten genauen Besichtigung der Aerzte unter- worfen; wo sich denn die zuvor bemerkten Verletzungen noch deutlicher bestätigten. So- bald uns aber die Doctoren verlassen hatten, traten einige Pfaffen herzu, und fragten mich: Zu welchem Glauben dieser unser Schiffs- Capitain sich bekannt habe? -- Jch armer religiöser Narr *) antwortete unbedenklich: "Ei, zum Lutherschen!"
*) Diese Wendung war zu charakteristisch, als daß der Her. etwas an derselben hätte ändern mögen. Wer möchte auch Anstoß daran nehmen, da sie unstreitig unendlich besser gemeynt, als ausge- drückt ist, und auch schwerlich mißverstanden wer- den wird.
les wieder gut werden koͤnnte. Jch glaubte darum auch, daß ich die Briefe unbedenklich abgehen laſſen duͤrfte; gab den andern Bei- den einen verſtohlenen Wink, und eilte mit ihnen nach dem Poſt-Comptoir.
Unſre Abweſenheit mochte etwa dreivier- tel Stunden gedauert haben. Doch als wir wieder in das Kloſter und das Krankenzim- mer eintraten, fanden wir, zu unſrer hoͤchſten Beſtuͤrzung und mit einem Schmerz, der ſich mit nichts vergleichen laͤßt, — nur unſers guten Oheims Leiche vor. Sie ward auch alsbald aus dem Bette genommen, auf den nemlichen Tiſch, wie vorhin, ausgeſtreckt, abermals voͤllig entkleidet, und der wieder- holten genauen Beſichtigung der Aerzte unter- worfen; wo ſich denn die zuvor bemerkten Verletzungen noch deutlicher beſtaͤtigten. So- bald uns aber die Doctoren verlaſſen hatten, traten einige Pfaffen herzu, und fragten mich: Zu welchem Glauben dieſer unſer Schiffs- Capitain ſich bekannt habe? — Jch armer religioͤſer Narr *) antwortete unbedenklich: „Ei, zum Lutherſchen!‟
*) Dieſe Wendung war zu charakteriſtiſch, als daß der Her. etwas an derſelben haͤtte aͤndern moͤgen. Wer moͤchte auch Anſtoß daran nehmen, da ſie unſtreitig unendlich beſſer gemeynt, als ausge- druͤckt iſt, und auch ſchwerlich mißverſtanden wer- den wird.
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les wieder gut werden koͤnnte. Jch glaubte
darum auch, daß ich die Briefe unbedenklich
abgehen laſſen duͤrfte; gab den andern Bei-
den einen verſtohlenen Wink, und eilte mit
ihnen nach dem Poſt-Comptoir.
Unſre Abweſenheit mochte etwa dreivier-
tel Stunden gedauert haben. Doch als wir
wieder in das Kloſter und das Krankenzim-
mer eintraten, fanden wir, zu unſrer hoͤchſten
Beſtuͤrzung und mit einem Schmerz, der ſich
mit nichts vergleichen laͤßt, — nur unſers
guten Oheims Leiche vor. Sie ward auch
alsbald aus dem Bette genommen, auf den
nemlichen Tiſch, wie vorhin, ausgeſtreckt,
abermals voͤllig entkleidet, und der wieder-
holten genauen Beſichtigung der Aerzte unter-
worfen; wo ſich denn die zuvor bemerkten
Verletzungen noch deutlicher beſtaͤtigten. So-
bald uns aber die Doctoren verlaſſen hatten,
traten einige Pfaffen herzu, und fragten mich:
Zu welchem Glauben dieſer unſer Schiffs-
Capitain ſich bekannt habe? — Jch armer
religioͤſer Narr *) antwortete unbedenklich:
„Ei, zum Lutherſchen!‟
*) Dieſe Wendung war zu charakteriſtiſch, als daß
der Her. etwas an derſelben haͤtte aͤndern moͤgen.
Wer moͤchte auch Anſtoß daran nehmen, da ſie
unſtreitig unendlich beſſer gemeynt, als ausge-
druͤckt iſt, und auch ſchwerlich mißverſtanden wer-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/71>, abgerufen am 15.08.2024.
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