Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Am 2. December nahmen wir, nicht ohne
Beunruhigung, wahr, daß ein gewaltiger
Sturm aus Norden uns auf die Flämischen
Bänke geworfen hatte, deren Gefährlichkeit
wir nur gar zu wohl kannten. Nur zu
bald auch bekamen wir mehrere heftige Grund-
stöße, die unser Steuerruder aussetzten und
uns Seiner verlustig machten. Um nicht au-
genblicklich auf den Strand zu gerathen, blieb
nichts übrig, als uns auf der Stelle vor
zwei Anker zu legen. Es war zehn Uhr Vor-
mittags; das Land eine kleine halbe Meile ent-
fernt, und unser Ankerplatz, auf vier Faden
Tiefe, mitten in der schäumenden Brandung;
während unsre Segel, die wir nicht mehr
fest machen konnten, im Winde flatterten.
Welle für Welle stürmte über das Verdeck
hinweg; so daß wir in Einem fort unter
Wasser standen, und, da wir hier keine Lei-
bes-Bergung mehr fanden, uns sämmtlich
oben im Mast erhielten.

Unsre Lage ward noch unerfreulicher, da
mein Oheim gegen uns bemerkte, daß wir
uns hier im Angesicht der Flandrischen Küste
befänden und es kaum würden vermeiden kön-
nen, auf den Strand zu laufen. Hier war
also Oesterreichisches Gebiet; wir Preußische
Unterthanen, und Preussen mit Oesterreich
seit kurzem im Kriege begriffen. Er ver-
bot uns demnach für jenen Fall, es auf ir-

Am 2. December nahmen wir, nicht ohne
Beunruhigung, wahr, daß ein gewaltiger
Sturm aus Norden uns auf die Flaͤmiſchen
Baͤnke geworfen hatte, deren Gefaͤhrlichkeit
wir nur gar zu wohl kannten. Nur zu
bald auch bekamen wir mehrere heftige Grund-
ſtoͤße, die unſer Steuerruder ausſetzten und
uns Seiner verluſtig machten. Um nicht au-
genblicklich auf den Strand zu gerathen, blieb
nichts uͤbrig, als uns auf der Stelle vor
zwei Anker zu legen. Es war zehn Uhr Vor-
mittags; das Land eine kleine halbe Meile ent-
fernt, und unſer Ankerplatz, auf vier Faden
Tiefe, mitten in der ſchaͤumenden Brandung;
waͤhrend unſre Segel, die wir nicht mehr
feſt machen konnten, im Winde flatterten.
Welle fuͤr Welle ſtuͤrmte uͤber das Verdeck
hinweg; ſo daß wir in Einem fort unter
Waſſer ſtanden, und, da wir hier keine Lei-
bes-Bergung mehr fanden, uns ſaͤmmtlich
oben im Maſt erhielten.

Unſre Lage ward noch unerfreulicher, da
mein Oheim gegen uns bemerkte, daß wir
uns hier im Angeſicht der Flandriſchen Kuͤſte
befaͤnden und es kaum wuͤrden vermeiden koͤn-
nen, auf den Strand zu laufen. Hier war
alſo Oeſterreichiſches Gebiet; wir Preußiſche
Unterthanen, und Preuſſen mit Oeſterreich
ſeit kurzem im Kriege begriffen. Er ver-
bot uns demnach fuͤr jenen Fall, es auf ir-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0059" n="43"/>
        <p>Am 2. December nahmen wir, nicht ohne<lb/>
Beunruhigung, wahr, daß ein gewaltiger<lb/>
Sturm aus Norden uns auf die Fla&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Ba&#x0364;nke geworfen hatte, deren Gefa&#x0364;hrlichkeit<lb/>
wir nur gar zu wohl kannten. Nur zu<lb/>
bald auch bekamen wir mehrere heftige Grund-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;ße, die un&#x017F;er Steuerruder aus&#x017F;etzten und<lb/>
uns Seiner verlu&#x017F;tig machten. Um nicht au-<lb/>
genblicklich auf den Strand zu gerathen, blieb<lb/>
nichts u&#x0364;brig, als uns auf der Stelle vor<lb/>
zwei Anker zu legen. Es war zehn Uhr Vor-<lb/>
mittags; das Land eine kleine halbe Meile ent-<lb/>
fernt, und un&#x017F;er Ankerplatz, auf vier Faden<lb/>
Tiefe, mitten in der &#x017F;cha&#x0364;umenden Brandung;<lb/>
wa&#x0364;hrend un&#x017F;re Segel, die wir nicht mehr<lb/>
fe&#x017F;t machen konnten, im Winde flatterten.<lb/>
Welle fu&#x0364;r Welle &#x017F;tu&#x0364;rmte u&#x0364;ber das Verdeck<lb/>
hinweg; &#x017F;o daß wir in Einem fort unter<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tanden, und, da wir hier keine Lei-<lb/>
bes-Bergung mehr fanden, uns &#x017F;a&#x0364;mmtlich<lb/>
oben im Ma&#x017F;t erhielten.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;re Lage ward noch unerfreulicher, da<lb/>
mein Oheim gegen uns bemerkte, daß wir<lb/>
uns hier im Ange&#x017F;icht der Flandri&#x017F;chen Ku&#x0364;&#x017F;te<lb/>
befa&#x0364;nden und es kaum wu&#x0364;rden vermeiden ko&#x0364;n-<lb/>
nen, auf den Strand zu laufen. <hi rendition="#g">Hier</hi> war<lb/>
al&#x017F;o Oe&#x017F;terreichi&#x017F;ches Gebiet; <hi rendition="#g">wir</hi> Preußi&#x017F;che<lb/>
Unterthanen, und Preu&#x017F;&#x017F;en mit Oe&#x017F;terreich<lb/>
&#x017F;eit kurzem im <hi rendition="#g">Kriege</hi> begriffen. Er ver-<lb/>
bot uns demnach fu&#x0364;r jenen Fall, es auf ir-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0059] Am 2. December nahmen wir, nicht ohne Beunruhigung, wahr, daß ein gewaltiger Sturm aus Norden uns auf die Flaͤmiſchen Baͤnke geworfen hatte, deren Gefaͤhrlichkeit wir nur gar zu wohl kannten. Nur zu bald auch bekamen wir mehrere heftige Grund- ſtoͤße, die unſer Steuerruder ausſetzten und uns Seiner verluſtig machten. Um nicht au- genblicklich auf den Strand zu gerathen, blieb nichts uͤbrig, als uns auf der Stelle vor zwei Anker zu legen. Es war zehn Uhr Vor- mittags; das Land eine kleine halbe Meile ent- fernt, und unſer Ankerplatz, auf vier Faden Tiefe, mitten in der ſchaͤumenden Brandung; waͤhrend unſre Segel, die wir nicht mehr feſt machen konnten, im Winde flatterten. Welle fuͤr Welle ſtuͤrmte uͤber das Verdeck hinweg; ſo daß wir in Einem fort unter Waſſer ſtanden, und, da wir hier keine Lei- bes-Bergung mehr fanden, uns ſaͤmmtlich oben im Maſt erhielten. Unſre Lage ward noch unerfreulicher, da mein Oheim gegen uns bemerkte, daß wir uns hier im Angeſicht der Flandriſchen Kuͤſte befaͤnden und es kaum wuͤrden vermeiden koͤn- nen, auf den Strand zu laufen. Hier war alſo Oeſterreichiſches Gebiet; wir Preußiſche Unterthanen, und Preuſſen mit Oeſterreich ſeit kurzem im Kriege begriffen. Er ver- bot uns demnach fuͤr jenen Fall, es auf ir-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/59
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/59>, abgerufen am 25.11.2024.