Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Thränen traten mir in die Augen.
Mir war's, als muthete man mir zu, meinen
großen Friedrich zu verläugnen. Gerne hätt'
ich mir Alles wieder vom Leibe gerissen und
hätte den Handel wieder aufgesagt, wenn es
möglich gewesen wäre. Doch ich war Ein-
mal unter den Wölfen, und mußte mit ihnen
heulen! Jndeß gelobte ich mir's, diesen Makel
dadurch wieder gut zu machen, daß ich den
verheissenen Dukaten dem ersten preussischen
Soldaten zuwürfe, der mir begegnen würde.
Ein alter Husar wurde dies Glückskind; und
der mag sich wohl nicht schlecht verwundert
haben, daß ein achtzehnjähriges Bürschchen,
wie ich, mit Golde um sich warf!

Jm Monat August traf ich in Colberg
ein, fand meines Oheims Schiff bereits in
der Ausrüstung und gieng mit demselben auf
die Rügenwalder Rheede, wo wir unsre La-
dung Holz einnahmen. Mit mir fuhr mein
jüngerer Bruder, 16 Jahr alt, als Kajüten-
wärter. Auch hatte mein Oheim seinen eig-
nen 14 jährigen Sohn mitgenommen; und
es befanden sich Unsrer in Allem 13 Men-
schen am Borde. Aber gleich der Anfang
dieser Fahrt versprach wenig Gutes, da wir
durch Sturm und widrige Winde dergestalt
aufgehalten wurden, daß wir erst mit Aus-
gang Octobers im Sunde anlangten.

Die Thraͤnen traten mir in die Augen.
Mir war’s, als muthete man mir zu, meinen
großen Friedrich zu verlaͤugnen. Gerne haͤtt’
ich mir Alles wieder vom Leibe geriſſen und
haͤtte den Handel wieder aufgeſagt, wenn es
moͤglich geweſen waͤre. Doch ich war Ein-
mal unter den Woͤlfen, und mußte mit ihnen
heulen! Jndeß gelobte ich mir’s, dieſen Makel
dadurch wieder gut zu machen, daß ich den
verheiſſenen Dukaten dem erſten preuſſiſchen
Soldaten zuwuͤrfe, der mir begegnen wuͤrde.
Ein alter Huſar wurde dies Gluͤckskind; und
der mag ſich wohl nicht ſchlecht verwundert
haben, daß ein achtzehnjaͤhriges Buͤrſchchen,
wie ich, mit Golde um ſich warf!

Jm Monat Auguſt traf ich in Colberg
ein, fand meines Oheims Schiff bereits in
der Ausruͤſtung und gieng mit demſelben auf
die Ruͤgenwalder Rheede, wo wir unſre La-
dung Holz einnahmen. Mit mir fuhr mein
juͤngerer Bruder, 16 Jahr alt, als Kajuͤten-
waͤrter. Auch hatte mein Oheim ſeinen eig-
nen 14 jaͤhrigen Sohn mitgenommen; und
es befanden ſich Unſrer in Allem 13 Men-
ſchen am Borde. Aber gleich der Anfang
dieſer Fahrt verſprach wenig Gutes, da wir
durch Sturm und widrige Winde dergeſtalt
aufgehalten wurden, daß wir erſt mit Aus-
gang Octobers im Sunde anlangten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0056" n="40"/>
Die Thra&#x0364;nen traten mir in die Augen.<lb/>
Mir war&#x2019;s, als muthete man mir zu, meinen<lb/>
großen Friedrich zu verla&#x0364;ugnen. Gerne ha&#x0364;tt&#x2019;<lb/>
ich mir Alles wieder vom Leibe geri&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
ha&#x0364;tte den Handel wieder aufge&#x017F;agt, wenn es<lb/>
mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en wa&#x0364;re. Doch ich war Ein-<lb/>
mal unter den Wo&#x0364;lfen, und mußte mit ihnen<lb/>
heulen! Jndeß gelobte ich mir&#x2019;s, die&#x017F;en Makel<lb/>
dadurch wieder gut zu machen, daß ich den<lb/>
verhei&#x017F;&#x017F;enen Dukaten dem er&#x017F;ten preu&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Soldaten zuwu&#x0364;rfe, der mir begegnen wu&#x0364;rde.<lb/>
Ein alter Hu&#x017F;ar wurde dies Glu&#x0364;ckskind; und<lb/>
der mag &#x017F;ich wohl nicht &#x017F;chlecht verwundert<lb/>
haben, daß ein achtzehnja&#x0364;hriges Bu&#x0364;r&#x017F;chchen,<lb/>
wie ich, mit Golde um &#x017F;ich warf!</p><lb/>
        <p>Jm Monat Augu&#x017F;t traf ich in Colberg<lb/>
ein, fand meines Oheims Schiff bereits in<lb/>
der Ausru&#x0364;&#x017F;tung und gieng mit dem&#x017F;elben auf<lb/>
die Ru&#x0364;genwalder Rheede, wo wir un&#x017F;re La-<lb/>
dung Holz einnahmen. Mit mir fuhr mein<lb/>
ju&#x0364;ngerer Bruder, 16 Jahr alt, als Kaju&#x0364;ten-<lb/>
wa&#x0364;rter. Auch hatte mein Oheim &#x017F;einen eig-<lb/>
nen 14 ja&#x0364;hrigen Sohn mitgenommen; und<lb/>
es befanden &#x017F;ich Un&#x017F;rer in Allem 13 Men-<lb/>
&#x017F;chen am Borde. Aber gleich der Anfang<lb/>
die&#x017F;er Fahrt ver&#x017F;prach wenig Gutes, da wir<lb/>
durch Sturm und widrige Winde derge&#x017F;talt<lb/>
aufgehalten wurden, daß wir er&#x017F;t mit Aus-<lb/>
gang Octobers im Sunde anlangten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0056] Die Thraͤnen traten mir in die Augen. Mir war’s, als muthete man mir zu, meinen großen Friedrich zu verlaͤugnen. Gerne haͤtt’ ich mir Alles wieder vom Leibe geriſſen und haͤtte den Handel wieder aufgeſagt, wenn es moͤglich geweſen waͤre. Doch ich war Ein- mal unter den Woͤlfen, und mußte mit ihnen heulen! Jndeß gelobte ich mir’s, dieſen Makel dadurch wieder gut zu machen, daß ich den verheiſſenen Dukaten dem erſten preuſſiſchen Soldaten zuwuͤrfe, der mir begegnen wuͤrde. Ein alter Huſar wurde dies Gluͤckskind; und der mag ſich wohl nicht ſchlecht verwundert haben, daß ein achtzehnjaͤhriges Buͤrſchchen, wie ich, mit Golde um ſich warf! Jm Monat Auguſt traf ich in Colberg ein, fand meines Oheims Schiff bereits in der Ausruͤſtung und gieng mit demſelben auf die Ruͤgenwalder Rheede, wo wir unſre La- dung Holz einnahmen. Mit mir fuhr mein juͤngerer Bruder, 16 Jahr alt, als Kajuͤten- waͤrter. Auch hatte mein Oheim ſeinen eig- nen 14 jaͤhrigen Sohn mitgenommen; und es befanden ſich Unſrer in Allem 13 Men- ſchen am Borde. Aber gleich der Anfang dieſer Fahrt verſprach wenig Gutes, da wir durch Sturm und widrige Winde dergeſtalt aufgehalten wurden, daß wir erſt mit Aus- gang Octobers im Sunde anlangten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/56
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/56>, abgerufen am 24.11.2024.