möchte. -- Da lag ich nun die ganze Nacht schlaflos, und überdachte, was ich sagen und verschweigen wollte.
Am andern Morgen, mit Tages-Anbruch, fand sich der Lootse ein; der Anker ward aufgewunden und man machte sich segelfer- tig; wobei ich treuherzig und nach Kräften mit Hand anlegte. Unter diesen Beschäfti- gungen kam endlich auch der Kapitain heran. Jch ward ihm vorgestellt; und auch seine erste und natürlichste Frage war: Was ich auf seinem Schiffe wollte? -- Jch fühlte mich nun schon ein wenig gefaßter, und gab ihm über mein Wie und Woher so ziemlich ehrlichen Bescheid; nur setzte ich hinzu (Und diese Lüge hat mir nachmals oft bitter leid gethan: denn mein Oheim war gegen mich die Gütigkeit selbst, als ob ich sein eigen Kind wäre Dieser habe mich auf der Reise oftmals unschuldig geschlagen; wie das denn auch nur noch gestern geschehen sey. Jch könne dies nicht länger ertragen; und so sey ich heimlich weggegangen, und bäte flehentlich, der Kapitain möchte die Güte haben, mich anzunehmen. Jch wollte gerne gut thun.
Nun ich einmal so weit gegangen war, durft' ich auch die richtige Antwort auf die weitere Frage nach meines Oheims Namen
moͤchte. — Da lag ich nun die ganze Nacht ſchlaflos, und uͤberdachte, was ich ſagen und verſchweigen wollte.
Am andern Morgen, mit Tages-Anbruch, fand ſich der Lootſe ein; der Anker ward aufgewunden und man machte ſich ſegelfer- tig; wobei ich treuherzig und nach Kraͤften mit Hand anlegte. Unter dieſen Beſchaͤfti- gungen kam endlich auch der Kapitain heran. Jch ward ihm vorgeſtellt; und auch ſeine erſte und natuͤrlichſte Frage war: Was ich auf ſeinem Schiffe wollte? — Jch fuͤhlte mich nun ſchon ein wenig gefaßter, und gab ihm uͤber mein Wie und Woher ſo ziemlich ehrlichen Beſcheid; nur ſetzte ich hinzu (Und dieſe Luͤge hat mir nachmals oft bitter leid gethan: denn mein Oheim war gegen mich die Guͤtigkeit ſelbſt, als ob ich ſein eigen Kind waͤre Dieſer habe mich auf der Reiſe oftmals unſchuldig geſchlagen; wie das denn auch nur noch geſtern geſchehen ſey. Jch koͤnne dies nicht laͤnger ertragen; und ſo ſey ich heimlich weggegangen, und baͤte flehentlich, der Kapitain moͤchte die Guͤte haben, mich anzunehmen. Jch wollte gerne gut thun.
Nun ich einmal ſo weit gegangen war, durft’ ich auch die richtige Antwort auf die weitere Frage nach meines Oheims Namen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0038"n="22"/>
moͤchte. — Da lag ich nun die ganze Nacht<lb/>ſchlaflos, und uͤberdachte, was ich ſagen und<lb/>
verſchweigen wollte.</p><lb/><p>Am andern Morgen, mit Tages-Anbruch,<lb/>
fand ſich der Lootſe ein; der Anker ward<lb/>
aufgewunden und man machte ſich ſegelfer-<lb/>
tig; wobei ich treuherzig und nach Kraͤften<lb/>
mit Hand anlegte. Unter dieſen Beſchaͤfti-<lb/>
gungen kam endlich auch der Kapitain heran.<lb/>
Jch ward ihm vorgeſtellt; und auch ſeine<lb/>
erſte und natuͤrlichſte Frage war: Was ich<lb/>
auf ſeinem Schiffe wollte? — Jch fuͤhlte<lb/>
mich nun ſchon ein wenig gefaßter, und gab<lb/>
ihm uͤber mein Wie und Woher ſo ziemlich<lb/>
ehrlichen Beſcheid; nur ſetzte ich hinzu (Und<lb/>
dieſe Luͤge hat mir nachmals oft bitter leid<lb/>
gethan: denn mein Oheim war gegen mich<lb/>
die Guͤtigkeit ſelbſt, als ob ich ſein eigen<lb/>
Kind waͤre Dieſer habe mich auf der Reiſe<lb/>
oftmals unſchuldig geſchlagen; wie das denn<lb/>
auch nur noch geſtern geſchehen ſey. Jch<lb/>
koͤnne dies nicht laͤnger ertragen; und ſo<lb/>ſey ich heimlich weggegangen, und baͤte<lb/>
flehentlich, der Kapitain moͤchte die Guͤte<lb/>
haben, mich anzunehmen. Jch wollte gerne<lb/>
gut thun.</p><lb/><p>Nun ich einmal ſo weit gegangen war,<lb/>
durft’ ich auch die richtige Antwort auf die<lb/>
weitere Frage nach meines Oheims Namen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[22/0038]
moͤchte. — Da lag ich nun die ganze Nacht
ſchlaflos, und uͤberdachte, was ich ſagen und
verſchweigen wollte.
Am andern Morgen, mit Tages-Anbruch,
fand ſich der Lootſe ein; der Anker ward
aufgewunden und man machte ſich ſegelfer-
tig; wobei ich treuherzig und nach Kraͤften
mit Hand anlegte. Unter dieſen Beſchaͤfti-
gungen kam endlich auch der Kapitain heran.
Jch ward ihm vorgeſtellt; und auch ſeine
erſte und natuͤrlichſte Frage war: Was ich
auf ſeinem Schiffe wollte? — Jch fuͤhlte
mich nun ſchon ein wenig gefaßter, und gab
ihm uͤber mein Wie und Woher ſo ziemlich
ehrlichen Beſcheid; nur ſetzte ich hinzu (Und
dieſe Luͤge hat mir nachmals oft bitter leid
gethan: denn mein Oheim war gegen mich
die Guͤtigkeit ſelbſt, als ob ich ſein eigen
Kind waͤre Dieſer habe mich auf der Reiſe
oftmals unſchuldig geſchlagen; wie das denn
auch nur noch geſtern geſchehen ſey. Jch
koͤnne dies nicht laͤnger ertragen; und ſo
ſey ich heimlich weggegangen, und baͤte
flehentlich, der Kapitain moͤchte die Guͤte
haben, mich anzunehmen. Jch wollte gerne
gut thun.
Nun ich einmal ſo weit gegangen war,
durft’ ich auch die richtige Antwort auf die
weitere Frage nach meines Oheims Namen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/38>, abgerufen am 21.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.