Des nächsten Tages kam mein Vater wieder nach Hause: und da gab es denn, wie zu erwarten war, rechtschaffene, aber verdiente Prügel. Damit aber nicht genug, meynte auch Herr Schütz, mein Lehrer, es müsse hier, der übrigen Schulkameradschaft wegen, noch ein anderweitiges Beispiel zu Nutz und Lehre statuirt werden, und bat sich's bei meinem Vater aus, gleichfalls noch Gericht über mich halten zu dürfen. Das ward ihm gern bewilligt. Meine Strafe bestand in einem dreitägigen Quartier in dem dunkeln Carzer auf dem Schulhofe. Hier ward ich Nachmittags, sobald die Schulzeit abgelaufen war, eingesperrt und immer erst Morgens um acht Uhr, wo die Schule wieder anging, herausgelassen. Nur Mittags durft ich nach Hause gehen, um zu essen; aber schon in der nächsten Stunde auf meiner Schulbank mich einfinden und um vier Uhr meine traurige Wanderung in die Finsterniß wieder antreten.
Nächst der Unbequemlichkeit einer einzigen täglichen Mahlzeit bei einem (Gott weiß es) gesegneten Appetite, war's meine größte Quaal und Noth, daß ich die Schaam und Schande nicht bemeistern konnte, von den
1. Bändchen. (2)
wie ein armer Suͤnder, zitternd und be- bend nach.
Des naͤchſten Tages kam mein Vater wieder nach Hauſe: und da gab es denn, wie zu erwarten war, rechtſchaffene, aber verdiente Pruͤgel. Damit aber nicht genug, meynte auch Herr Schuͤtz, mein Lehrer, es muͤſſe hier, der uͤbrigen Schulkameradſchaft wegen, noch ein anderweitiges Beiſpiel zu Nutz und Lehre ſtatuirt werden, und bat ſich’s bei meinem Vater aus, gleichfalls noch Gericht uͤber mich halten zu duͤrfen. Das ward ihm gern bewilligt. Meine Strafe beſtand in einem dreitaͤgigen Quartier in dem dunkeln Carzer auf dem Schulhofe. Hier ward ich Nachmittags, ſobald die Schulzeit abgelaufen war, eingeſperrt und immer erſt Morgens um acht Uhr, wo die Schule wieder anging, herausgelaſſen. Nur Mittags durft ich nach Hauſe gehen, um zu eſſen; aber ſchon in der naͤchſten Stunde auf meiner Schulbank mich einfinden und um vier Uhr meine traurige Wanderung in die Finſterniß wieder antreten.
Naͤchſt der Unbequemlichkeit einer einzigen taͤglichen Mahlzeit bei einem (Gott weiß es) geſegneten Appetite, war’s meine groͤßte Quaal und Noth, daß ich die Schaam und Schande nicht bemeiſtern konnte, von den
1. Bändchen. (2)
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wie ein armer Suͤnder, zitternd und be-
bend nach.
Des naͤchſten Tages kam mein Vater
wieder nach Hauſe: und da gab es denn,
wie zu erwarten war, rechtſchaffene, aber
verdiente Pruͤgel. Damit aber nicht genug,
meynte auch Herr Schuͤtz, mein Lehrer, es
muͤſſe hier, der uͤbrigen Schulkameradſchaft
wegen, noch ein anderweitiges Beiſpiel zu
Nutz und Lehre ſtatuirt werden, und bat
ſich’s bei meinem Vater aus, gleichfalls noch
Gericht uͤber mich halten zu duͤrfen. Das
ward ihm gern bewilligt. Meine Strafe
beſtand in einem dreitaͤgigen Quartier in
dem dunkeln Carzer auf dem Schulhofe.
Hier ward ich Nachmittags, ſobald die
Schulzeit abgelaufen war, eingeſperrt und
immer erſt Morgens um acht Uhr, wo die
Schule wieder anging, herausgelaſſen. Nur
Mittags durft ich nach Hauſe gehen, um
zu eſſen; aber ſchon in der naͤchſten Stunde
auf meiner Schulbank mich einfinden und um
vier Uhr meine traurige Wanderung in die
Finſterniß wieder antreten.
Naͤchſt der Unbequemlichkeit einer einzigen
taͤglichen Mahlzeit bei einem (Gott weiß es)
geſegneten Appetite, war’s meine groͤßte
Quaal und Noth, daß ich die Schaam und
Schande nicht bemeiſtern konnte, von den
1. Bändchen. (2)
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/33>, abgerufen am 16.07.2024.
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