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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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ganzen Leben begangen hatte, drei Menschen-
leben in die augenscheinliche Gefahr des
Verderbens zu setzen: aber sollt' ich mir die
Schande anthun, noch einmal umzukehren? --
Lieber wär' ich dem Tode in den offnen
Rachen gesegelt!

Bis ich um die kleine Jnsel Piquonnier
herumkam, gieng auch Alles gut. Hier aber
rollte mir die spannische See, von der Seite
her, in langen und hohen Wogen mächtig
entgegen! der steife Wind stand von dort
her gerade auf's Land, und es sahe ganz dar-
nach aus, daß wir hier mit Gemächlichkeit
ersaufen könnten. Gleichwohl hätte man Alles
von mir fordern können; nur nicht, daß ich
hier noch umsatteln sollte. "Du willst der
Gefahr Stand halten!" sagt' ich zu mir
selbst, und faßte mein Steuer nur noch fester
in die Faust.

Nach 4 oder 5 Stunden begann indeß
der Einbruch der Nacht; und mit der Dun-
kelheit schien auch der Wind mehr Stärke zu
gewinnen. Keiner von uns sprach ein Wort:
aber meine Matrosen drängten sich immer
näher an mich, der ich am Ruder saß und
die Schote des Segels zugleich in der Hand
gefaßt hielt. Allmahlig fingen die beiden
rohen Kerle, ergriffen vom Gefühl ihrer Lage
bitterlich an zu weinen. Jhre Todesangst
ließ mich nicht ohne Mitgefühl: denn wie

ganzen Leben begangen hatte, drei Menſchen-
leben in die augenſcheinliche Gefahr des
Verderbens zu ſetzen: aber ſollt’ ich mir die
Schande anthun, noch einmal umzukehren? —
Lieber waͤr’ ich dem Tode in den offnen
Rachen geſegelt!

Bis ich um die kleine Jnſel Piquonnier
herumkam, gieng auch Alles gut. Hier aber
rollte mir die ſpanniſche See, von der Seite
her, in langen und hohen Wogen maͤchtig
entgegen! der ſteife Wind ſtand von dort
her gerade auf’s Land, und es ſahe ganz dar-
nach aus, daß wir hier mit Gemaͤchlichkeit
erſaufen koͤnnten. Gleichwohl haͤtte man Alles
von mir fordern koͤnnen; nur nicht, daß ich
hier noch umſatteln ſollte. „Du willſt der
Gefahr Stand halten!‟ ſagt’ ich zu mir
ſelbſt, und faßte mein Steuer nur noch feſter
in die Fauſt.

Nach 4 oder 5 Stunden begann indeß
der Einbruch der Nacht; und mit der Dun-
kelheit ſchien auch der Wind mehr Staͤrke zu
gewinnen. Keiner von uns ſprach ein Wort:
aber meine Matroſen draͤngten ſich immer
naͤher an mich, der ich am Ruder ſaß und
die Schote des Segels zugleich in der Hand
gefaßt hielt. Allmahlig fingen die beiden
rohen Kerle, ergriffen vom Gefuͤhl ihrer Lage
bitterlich an zu weinen. Jhre Todesangſt
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[219/0235] ganzen Leben begangen hatte, drei Menſchen- leben in die augenſcheinliche Gefahr des Verderbens zu ſetzen: aber ſollt’ ich mir die Schande anthun, noch einmal umzukehren? — Lieber waͤr’ ich dem Tode in den offnen Rachen geſegelt! Bis ich um die kleine Jnſel Piquonnier herumkam, gieng auch Alles gut. Hier aber rollte mir die ſpanniſche See, von der Seite her, in langen und hohen Wogen maͤchtig entgegen! der ſteife Wind ſtand von dort her gerade auf’s Land, und es ſahe ganz dar- nach aus, daß wir hier mit Gemaͤchlichkeit erſaufen koͤnnten. Gleichwohl haͤtte man Alles von mir fordern koͤnnen; nur nicht, daß ich hier noch umſatteln ſollte. „Du willſt der Gefahr Stand halten!‟ ſagt’ ich zu mir ſelbſt, und faßte mein Steuer nur noch feſter in die Fauſt. Nach 4 oder 5 Stunden begann indeß der Einbruch der Nacht; und mit der Dun- kelheit ſchien auch der Wind mehr Staͤrke zu gewinnen. Keiner von uns ſprach ein Wort: aber meine Matroſen draͤngten ſich immer naͤher an mich, der ich am Ruder ſaß und die Schote des Segels zugleich in der Hand gefaßt hielt. Allmahlig fingen die beiden rohen Kerle, ergriffen vom Gefuͤhl ihrer Lage bitterlich an zu weinen. Jhre Todesangſt ließ mich nicht ohne Mitgefuͤhl: denn wie

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/235>, abgerufen am 27.11.2024.