Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

kraus seyn sollte!" -- Tag und Zeit und
manche von den angegebenen Merkmalen tra-
fen mit dieser Vermuthung gut genug zu-
sammen. Zwar konnt' ich an seinem bösen
Willen, mir zu entlaufen, nicht zweifeln:
allein wie? wenn ihn nun sein erwachtes
Gewissen zu einer raschen That der Verzweif-
lung getrieben? oder wenn Gottes rächende
Hand ihn schnell ereilt -- wenn er, in der
Hast, sich den Blicken aller Bekannten zu
entziehen, sich unvorsichtiger Weise auf's
Wasser gewagt und sich seinen Untergang
selbst geholt hätte? -- Jmmer schien mir
sein Tod, unter diesen Umständen, ein Glücks-
fall: und wie gerne glaubt man, was man
wünscht? -- Es kostete mir also auch wenig
Mühe, mich zu überzeugen, daß hier von
Niemand anders, als von meinem entwiche-
nen Schiffer, die Rede sey; und dieses Glau-
bens bin ich auch noch bis zur heutigen
Stunde, da ich nie wieder in meinem gan-
zen Leben auch nur die entfernteste Spur
seines Daseyns aufgefunden habe.

Ließ sich nun auf diese Art erweisen,
daß der Mann, mit welchem meine Assecu-
radeurs einzig und allein ihren streitigen Han-
del ausmachen konnten und auch wollten,
nicht mehr unter den Lebendigen war, so
mußten sie auch seine Rechnungen annehmen,
wie sie da lagen und standen, oder den kla-

kraus ſeyn ſollte!‟ — Tag und Zeit und
manche von den angegebenen Merkmalen tra-
fen mit dieſer Vermuthung gut genug zu-
ſammen. Zwar konnt’ ich an ſeinem boͤſen
Willen, mir zu entlaufen, nicht zweifeln:
allein wie? wenn ihn nun ſein erwachtes
Gewiſſen zu einer raſchen That der Verzweif-
lung getrieben? oder wenn Gottes raͤchende
Hand ihn ſchnell ereilt — wenn er, in der
Haſt, ſich den Blicken aller Bekannten zu
entziehen, ſich unvorſichtiger Weiſe auf’s
Waſſer gewagt und ſich ſeinen Untergang
ſelbſt geholt haͤtte? — Jmmer ſchien mir
ſein Tod, unter dieſen Umſtaͤnden, ein Gluͤcks-
fall: und wie gerne glaubt man, was man
wuͤnſcht? — Es koſtete mir alſo auch wenig
Muͤhe, mich zu uͤberzeugen, daß hier von
Niemand anders, als von meinem entwiche-
nen Schiffer, die Rede ſey; und dieſes Glau-
bens bin ich auch noch bis zur heutigen
Stunde, da ich nie wieder in meinem gan-
zen Leben auch nur die entfernteſte Spur
ſeines Daſeyns aufgefunden habe.

Ließ ſich nun auf dieſe Art erweiſen,
daß der Mann, mit welchem meine Aſſecu-
radeurs einzig und allein ihren ſtreitigen Han-
del ausmachen konnten und auch wollten,
nicht mehr unter den Lebendigen war, ſo
mußten ſie auch ſeine Rechnungen annehmen,
wie ſie da lagen und ſtanden, oder den kla-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0221" n="205"/>
kraus &#x017F;eyn &#x017F;ollte!&#x201F; &#x2014; Tag und Zeit und<lb/>
manche von den angegebenen Merkmalen tra-<lb/>
fen mit die&#x017F;er Vermuthung gut genug zu-<lb/>
&#x017F;ammen. Zwar konnt&#x2019; ich an &#x017F;einem bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Willen, mir zu entlaufen, nicht zweifeln:<lb/>
allein wie? wenn ihn nun &#x017F;ein erwachtes<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en zu einer ra&#x017F;chen That der Verzweif-<lb/>
lung getrieben? oder wenn Gottes ra&#x0364;chende<lb/>
Hand ihn &#x017F;chnell ereilt &#x2014; wenn er, in der<lb/>
Ha&#x017F;t, &#x017F;ich den Blicken aller Bekannten zu<lb/>
entziehen, &#x017F;ich unvor&#x017F;ichtiger Wei&#x017F;e auf&#x2019;s<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er gewagt und &#x017F;ich &#x017F;einen Untergang<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t geholt ha&#x0364;tte? &#x2014; Jmmer &#x017F;chien mir<lb/>
&#x017F;ein Tod, unter die&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden, ein Glu&#x0364;cks-<lb/>
fall: und wie gerne glaubt man, was man<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;cht? &#x2014; Es ko&#x017F;tete mir al&#x017F;o auch wenig<lb/>
Mu&#x0364;he, mich zu u&#x0364;berzeugen, daß hier von<lb/>
Niemand anders, als von meinem entwiche-<lb/>
nen Schiffer, die Rede &#x017F;ey; und die&#x017F;es Glau-<lb/>
bens bin ich auch noch bis zur heutigen<lb/>
Stunde, da ich nie wieder in meinem gan-<lb/>
zen Leben auch nur die entfernte&#x017F;te Spur<lb/>
&#x017F;eines Da&#x017F;eyns aufgefunden habe.</p><lb/>
        <p>Ließ &#x017F;ich nun auf die&#x017F;e Art erwei&#x017F;en,<lb/>
daß der Mann, mit welchem meine A&#x017F;&#x017F;ecu-<lb/>
radeurs einzig und allein ihren &#x017F;treitigen Han-<lb/>
del ausmachen konnten und auch wollten,<lb/>
nicht mehr unter den Lebendigen war, &#x017F;o<lb/>
mußten &#x017F;ie auch &#x017F;eine Rechnungen annehmen,<lb/>
wie &#x017F;ie da lagen und &#x017F;tanden, oder den kla-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0221] kraus ſeyn ſollte!‟ — Tag und Zeit und manche von den angegebenen Merkmalen tra- fen mit dieſer Vermuthung gut genug zu- ſammen. Zwar konnt’ ich an ſeinem boͤſen Willen, mir zu entlaufen, nicht zweifeln: allein wie? wenn ihn nun ſein erwachtes Gewiſſen zu einer raſchen That der Verzweif- lung getrieben? oder wenn Gottes raͤchende Hand ihn ſchnell ereilt — wenn er, in der Haſt, ſich den Blicken aller Bekannten zu entziehen, ſich unvorſichtiger Weiſe auf’s Waſſer gewagt und ſich ſeinen Untergang ſelbſt geholt haͤtte? — Jmmer ſchien mir ſein Tod, unter dieſen Umſtaͤnden, ein Gluͤcks- fall: und wie gerne glaubt man, was man wuͤnſcht? — Es koſtete mir alſo auch wenig Muͤhe, mich zu uͤberzeugen, daß hier von Niemand anders, als von meinem entwiche- nen Schiffer, die Rede ſey; und dieſes Glau- bens bin ich auch noch bis zur heutigen Stunde, da ich nie wieder in meinem gan- zen Leben auch nur die entfernteſte Spur ſeines Daſeyns aufgefunden habe. Ließ ſich nun auf dieſe Art erweiſen, daß der Mann, mit welchem meine Aſſecu- radeurs einzig und allein ihren ſtreitigen Han- del ausmachen konnten und auch wollten, nicht mehr unter den Lebendigen war, ſo mußten ſie auch ſeine Rechnungen annehmen, wie ſie da lagen und ſtanden, oder den kla-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/221
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/221>, abgerufen am 27.11.2024.