Zeit darauf erschien ein zweites großes Korn- schiff; und nun ward es endlich möglich, die fremde Armuth zu befriedigen.
Jm nächstfolgenden Jahre erhielt Colberg, aus des großen Friedrichs versorgender Güte, ein Geschenk, das damals hier zu Lande noch völlig unbekannt war. Ein großer Frachtwagen nemlich voll Kartoffeln, langte auf dem Markte an; und durch Trommel- schlag in der Stadt und auf den Vorstädten ergieng die Bekanntmachung, daß jeder Gar- tenbesitzer sich zu einer bestimmten Stunde vor dem Rathhause einzufinden habe, indem des Königs Majestät ihnen eine besondre Wohlthat zugedacht habe. Man ermißt leicht, wie Alles und Jedes in eine stürmische Be- wegung gerieth; und das nur um so mehr, je weniger man wußte, was es mit diesem Geschenke zu bedeuten habe.
Die Herren vom Rathe zeigten nunmehr der versammleten Menge die neue Frucht vor, die hier noch nie ein menschliches Auge erblickt hatte. Daneben ward eine umständ- liche Anweisung verlesen, wie diese Kar- toffeln gepflanzt und bewirthschaftet, desglei- chen wie sie gekocht und zubereitet werden sollten. Besser freilich wäre es gewesen, wenn man eine solche geschriebene oder ge-
Zeit darauf erſchien ein zweites großes Korn- ſchiff; und nun ward es endlich moͤglich, die fremde Armuth zu befriedigen.
Jm naͤchſtfolgenden Jahre erhielt Colberg, aus des großen Friedrichs verſorgender Guͤte, ein Geſchenk, das damals hier zu Lande noch voͤllig unbekannt war. Ein großer Frachtwagen nemlich voll Kartoffeln, langte auf dem Markte an; und durch Trommel- ſchlag in der Stadt und auf den Vorſtaͤdten ergieng die Bekanntmachung, daß jeder Gar- tenbeſitzer ſich zu einer beſtimmten Stunde vor dem Rathhauſe einzufinden habe, indem des Koͤnigs Majeſtaͤt ihnen eine beſondre Wohlthat zugedacht habe. Man ermißt leicht, wie Alles und Jedes in eine ſtuͤrmiſche Be- wegung gerieth; und das nur um ſo mehr, je weniger man wußte, was es mit dieſem Geſchenke zu bedeuten habe.
Die Herren vom Rathe zeigten nunmehr der verſammleten Menge die neue Frucht vor, die hier noch nie ein menſchliches Auge erblickt hatte. Daneben ward eine umſtaͤnd- liche Anweiſung verleſen, wie dieſe Kar- toffeln gepflanzt und bewirthſchaftet, desglei- chen wie ſie gekocht und zubereitet werden ſollten. Beſſer freilich waͤre es geweſen, wenn man eine ſolche geſchriebene oder ge-
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Zeit darauf erſchien ein zweites großes Korn-
ſchiff; und nun ward es endlich moͤglich, die
fremde Armuth zu befriedigen.
Jm naͤchſtfolgenden Jahre erhielt Colberg,
aus des großen Friedrichs verſorgender
Guͤte, ein Geſchenk, das damals hier zu
Lande noch voͤllig unbekannt war. Ein großer
Frachtwagen nemlich voll Kartoffeln, langte
auf dem Markte an; und durch Trommel-
ſchlag in der Stadt und auf den Vorſtaͤdten
ergieng die Bekanntmachung, daß jeder Gar-
tenbeſitzer ſich zu einer beſtimmten Stunde
vor dem Rathhauſe einzufinden habe, indem
des Koͤnigs Majeſtaͤt ihnen eine beſondre
Wohlthat zugedacht habe. Man ermißt leicht,
wie Alles und Jedes in eine ſtuͤrmiſche Be-
wegung gerieth; und das nur um ſo mehr,
je weniger man wußte, was es mit dieſem
Geſchenke zu bedeuten habe.
Die Herren vom Rathe zeigten nunmehr
der verſammleten Menge die neue Frucht
vor, die hier noch nie ein menſchliches Auge
erblickt hatte. Daneben ward eine umſtaͤnd-
liche Anweiſung verleſen, wie dieſe Kar-
toffeln gepflanzt und bewirthſchaftet, desglei-
chen wie ſie gekocht und zubereitet werden
ſollten. Beſſer freilich waͤre es geweſen,
wenn man eine ſolche geſchriebene oder ge-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/22>, abgerufen am 16.07.2024.
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