denn warlich die Haare zu Berge! Alles befand sich in der greulichsten Unordnung, als ob es mit rechtem Vorbedacht verwirrt worden sey, um jede klare Einsicht unmög- lich zu machen. Jch wußte nimmermehr, wie ich meinen Assecuradeurs diese Rechnun- gen vorlegen sollte, ohne daß sie dieselbe von Anfang bis zu Ende für nichtig erklärten. Selbst meinen Schuft, wie er's verdient hatte, beim Kopfe nehmen zu lassen, war nicht rathsam, wenn ich jene Versicherer nicht selbst in Allarm setzen wollte, über gespielten Betrug bei der Haverey zu schreien und mich für meine eigne Person in das böse Spiel zu verwickeln.
Allein desto sorgfältiger mußte ich auch zu verhindern suchen, daß der Bube, der all seine bösen Schliche sich immer mehr ent- decken sah, nicht heimlich das Weite suchte. Jch hatte ihn also bei Tag und Nacht, als meinen Augapfel zu hüten, und durfte ihn gleichwohl mein Mißtrauen nicht merken lassen. Nichts desto weniger mußte sich's fügen, daß, als ich, zwei Tage später, mit ihm die Börse besuchte, wo es, wie bekannt- lich, immer ein dichtes Gewimmel giebt, er mir unter den Händen entschlüpfte. Die Börsenzeit gieng zu Ende: aber kein Stein- kraus war zu sehen! Meine schwache Hoff- nung, daß er sich an Bord begeben haben
denn warlich die Haare zu Berge! Alles befand ſich in der greulichſten Unordnung, als ob es mit rechtem Vorbedacht verwirrt worden ſey, um jede klare Einſicht unmoͤg- lich zu machen. Jch wußte nimmermehr, wie ich meinen Aſſecuradeurs dieſe Rechnun- gen vorlegen ſollte, ohne daß ſie dieſelbe von Anfang bis zu Ende fuͤr nichtig erklaͤrten. Selbſt meinen Schuft, wie er’s verdient hatte, beim Kopfe nehmen zu laſſen, war nicht rathſam, wenn ich jene Verſicherer nicht ſelbſt in Allarm ſetzen wollte, uͤber geſpielten Betrug bei der Haverey zu ſchreien und mich fuͤr meine eigne Perſon in das boͤſe Spiel zu verwickeln.
Allein deſto ſorgfaͤltiger mußte ich auch zu verhindern ſuchen, daß der Bube, der all ſeine boͤſen Schliche ſich immer mehr ent- decken ſah, nicht heimlich das Weite ſuchte. Jch hatte ihn alſo bei Tag und Nacht, als meinen Augapfel zu huͤten, und durfte ihn gleichwohl mein Mißtrauen nicht merken laſſen. Nichts deſto weniger mußte ſich’s fuͤgen, daß, als ich, zwei Tage ſpaͤter, mit ihm die Boͤrſe beſuchte, wo es, wie bekannt- lich, immer ein dichtes Gewimmel giebt, er mir unter den Haͤnden entſchluͤpfte. Die Boͤrſenzeit gieng zu Ende: aber kein Stein- kraus war zu ſehen! Meine ſchwache Hoff- nung, daß er ſich an Bord begeben haben
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[202/0218]
denn warlich die Haare zu Berge! Alles
befand ſich in der greulichſten Unordnung,
als ob es mit rechtem Vorbedacht verwirrt
worden ſey, um jede klare Einſicht unmoͤg-
lich zu machen. Jch wußte nimmermehr,
wie ich meinen Aſſecuradeurs dieſe Rechnun-
gen vorlegen ſollte, ohne daß ſie dieſelbe
von Anfang bis zu Ende fuͤr nichtig erklaͤrten.
Selbſt meinen Schuft, wie er’s verdient
hatte, beim Kopfe nehmen zu laſſen, war
nicht rathſam, wenn ich jene Verſicherer nicht
ſelbſt in Allarm ſetzen wollte, uͤber geſpielten
Betrug bei der Haverey zu ſchreien und
mich fuͤr meine eigne Perſon in das boͤſe
Spiel zu verwickeln.
Allein deſto ſorgfaͤltiger mußte ich auch
zu verhindern ſuchen, daß der Bube, der all
ſeine boͤſen Schliche ſich immer mehr ent-
decken ſah, nicht heimlich das Weite ſuchte.
Jch hatte ihn alſo bei Tag und Nacht, als
meinen Augapfel zu huͤten, und durfte ihn
gleichwohl mein Mißtrauen nicht merken
laſſen. Nichts deſto weniger mußte ſich’s
fuͤgen, daß, als ich, zwei Tage ſpaͤter, mit
ihm die Boͤrſe beſuchte, wo es, wie bekannt-
lich, immer ein dichtes Gewimmel giebt, er
mir unter den Haͤnden entſchluͤpfte. Die
Boͤrſenzeit gieng zu Ende: aber kein Stein-
kraus war zu ſehen! Meine ſchwache Hoff-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/218>, abgerufen am 16.07.2024.
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