5 bis 10 Minuten wieder an der Ladebrücke. Man denkt sich's leicht, wie ich hier von den armen Menschen bestürmt wurde. Jm- mer wollte Einer vor dem Andern aufge- nommen seyn; und mir blieb endlich nichts übrig, als eilig mit dem Boote und den zuerst Eingesprungenen abzustoßen, wenn nicht Alles auf der Stelle mit und unter mir versinken sollte. Jch brachte indeß meine Ladung nach der Holzwiese in Sicherheit; und so gelang es mir in dreimaligem Hin- und Herfahren, sie Alle glücklich aus der Klemme zu schaffen.
Als ich jedoch mich der Brücke nochmals näherte und den Platz wohlbedächtig mit meinen Blicken musterte, während bereits die Laufbretter hie und da die Flammen durchzüngeln liessen, nahm ich, 15 oder 20 Schritte von mir entfernt, etwas wahr, daß sich brennend auf dem Boden bewegte und Anfangs von mir für ein glimmendes Bette gehalten wurde, das der Sturmwind vor sich her wälzte. Als ich aber die Brücke bestiegen hatte und es in der Nähe unter- suchte, fand ich, daß es eine alte Frau war, die, wie ich späterhin erfuhr, an Einer Seite des Leibes völlig vom Schlage gerührt worden. Jch hob sie auf, um sie nach meinem Fahrzeuge zu tragen: allein der Qualm und Gestank der schweelenden
5 bis 10 Minuten wieder an der Ladebruͤcke. Man denkt ſich’s leicht, wie ich hier von den armen Menſchen beſtuͤrmt wurde. Jm- mer wollte Einer vor dem Andern aufge- nommen ſeyn; und mir blieb endlich nichts uͤbrig, als eilig mit dem Boote und den zuerſt Eingeſprungenen abzuſtoßen, wenn nicht Alles auf der Stelle mit und unter mir verſinken ſollte. Jch brachte indeß meine Ladung nach der Holzwieſe in Sicherheit; und ſo gelang es mir in dreimaligem Hin- und Herfahren, ſie Alle gluͤcklich aus der Klemme zu ſchaffen.
Als ich jedoch mich der Bruͤcke nochmals naͤherte und den Platz wohlbedaͤchtig mit meinen Blicken muſterte, waͤhrend bereits die Laufbretter hie und da die Flammen durchzuͤngeln lieſſen, nahm ich, 15 oder 20 Schritte von mir entfernt, etwas wahr, daß ſich brennend auf dem Boden bewegte und Anfangs von mir fuͤr ein glimmendes Bette gehalten wurde, das der Sturmwind vor ſich her waͤlzte. Als ich aber die Bruͤcke beſtiegen hatte und es in der Naͤhe unter- ſuchte, fand ich, daß es eine alte Frau war, die, wie ich ſpaͤterhin erfuhr, an Einer Seite des Leibes voͤllig vom Schlage geruͤhrt worden. Jch hob ſie auf, um ſie nach meinem Fahrzeuge zu tragen: allein der Qualm und Geſtank der ſchweelenden
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5 bis 10 Minuten wieder an der Ladebruͤcke.
Man denkt ſich’s leicht, wie ich hier von
den armen Menſchen beſtuͤrmt wurde. Jm-
mer wollte Einer vor dem Andern aufge-
nommen ſeyn; und mir blieb endlich nichts
uͤbrig, als eilig mit dem Boote und den
zuerſt Eingeſprungenen abzuſtoßen, wenn
nicht Alles auf der Stelle mit und unter
mir verſinken ſollte. Jch brachte indeß meine
Ladung nach der Holzwieſe in Sicherheit;
und ſo gelang es mir in dreimaligem Hin-
und Herfahren, ſie Alle gluͤcklich aus der
Klemme zu ſchaffen.
Als ich jedoch mich der Bruͤcke nochmals
naͤherte und den Platz wohlbedaͤchtig mit
meinen Blicken muſterte, waͤhrend bereits
die Laufbretter hie und da die Flammen
durchzuͤngeln lieſſen, nahm ich, 15 oder
20 Schritte von mir entfernt, etwas wahr,
daß ſich brennend auf dem Boden bewegte
und Anfangs von mir fuͤr ein glimmendes
Bette gehalten wurde, das der Sturmwind
vor ſich her waͤlzte. Als ich aber die Bruͤcke
beſtiegen hatte und es in der Naͤhe unter-
ſuchte, fand ich, daß es eine alte Frau
war, die, wie ich ſpaͤterhin erfuhr, an
Einer Seite des Leibes voͤllig vom Schlage
geruͤhrt worden. Jch hob ſie auf, um ſie
nach meinem Fahrzeuge zu tragen: allein
der Qualm und Geſtank der ſchweelenden
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/189>, abgerufen am 23.11.2024.
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