Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Leuten, daß sie ihn so feigherzig im Stiche
gelassen. Wiewohl er sich nun endlich be-
ruhigte, so nahm doch am nächsten Morgen
an seinem Beispiel auch Madame den Muth,
mit dem Soldaten, der ihr zur Aufwar-
tung gegeben war, unsäuberlich zu verfah-
ren. Bald hatt' er das Bette nicht gut ge-
macht, bald die Teller nicht gehörig gescheuert,
bald etwas noch Schlimmeres versehen, und
endlich lief auch ihr die Galle dermaassen
über, daß sie dem armen ungeschickten Kerl
mit eigner hoher Hand eine gewichtige Maul-
schelle zutheilte. Allein diese Keckheit bekam
ihr übler, als sie wohl gedacht hatte. Der
ganze Trupp fühlte sich durch diese Miß-
handlung eines Kameraden von unberufenen
Fäusten an seiner militairischen Ehre gekränkt;
Alles spie Feuer und Flamme, drang auf
den Lieutenant ein, und bestand auf der bün-
digsten Genugthuung. Um den furchtbaren
Lärm zu stillen und noch derbere Ausbrüche
einer rohen Gewalt zu verhüten, blieb dem
edlen Ritter zuletzt nichts übrig, als die Schöne
unter seine eigene Fuchtel zu nehmen; und
das that er denn, seiner Zärtlichkeit unbe-
schadet, auch so herzhaft und nachdrücklich,
daß endlich die lautesten Schreier selbst sich
für befriedigt erklärten. Nur Madame W.
schien von dieser fühlbaren Liebesprobe schlecht
erbaut zu seyn und legte so wenig ihrer

1. Bändchen. (11)

Leuten, daß ſie ihn ſo feigherzig im Stiche
gelaſſen. Wiewohl er ſich nun endlich be-
ruhigte, ſo nahm doch am naͤchſten Morgen
an ſeinem Beiſpiel auch Madame den Muth,
mit dem Soldaten, der ihr zur Aufwar-
tung gegeben war, unſaͤuberlich zu verfah-
ren. Bald hatt’ er das Bette nicht gut ge-
macht, bald die Teller nicht gehoͤrig geſcheuert,
bald etwas noch Schlimmeres verſehen, und
endlich lief auch ihr die Galle dermaaſſen
uͤber, daß ſie dem armen ungeſchickten Kerl
mit eigner hoher Hand eine gewichtige Maul-
ſchelle zutheilte. Allein dieſe Keckheit bekam
ihr uͤbler, als ſie wohl gedacht hatte. Der
ganze Trupp fuͤhlte ſich durch dieſe Miß-
handlung eines Kameraden von unberufenen
Faͤuſten an ſeiner militairiſchen Ehre gekraͤnkt;
Alles ſpie Feuer und Flamme, drang auf
den Lieutenant ein, und beſtand auf der buͤn-
digſten Genugthuung. Um den furchtbaren
Laͤrm zu ſtillen und noch derbere Ausbruͤche
einer rohen Gewalt zu verhuͤten, blieb dem
edlen Ritter zuletzt nichts uͤbrig, als die Schoͤne
unter ſeine eigene Fuchtel zu nehmen; und
das that er denn, ſeiner Zaͤrtlichkeit unbe-
ſchadet, auch ſo herzhaft und nachdruͤcklich,
daß endlich die lauteſten Schreier ſelbſt ſich
fuͤr befriedigt erklaͤrten. Nur Madame W.
ſchien von dieſer fuͤhlbaren Liebesprobe ſchlecht
erbaut zu ſeyn und legte ſo wenig ihrer

1. Bändchen. (11)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0177" n="161"/>
Leuten, daß &#x017F;ie ihn &#x017F;o feigherzig im Stiche<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en. Wiewohl er &#x017F;ich nun endlich be-<lb/>
ruhigte, &#x017F;o nahm doch am na&#x0364;ch&#x017F;ten Morgen<lb/>
an &#x017F;einem Bei&#x017F;piel auch Madame den Muth,<lb/>
mit dem Soldaten, der ihr zur Aufwar-<lb/>
tung gegeben war, un&#x017F;a&#x0364;uberlich zu verfah-<lb/>
ren. Bald hatt&#x2019; er das Bette nicht gut ge-<lb/>
macht, bald die Teller nicht geho&#x0364;rig ge&#x017F;cheuert,<lb/>
bald etwas noch Schlimmeres ver&#x017F;ehen, und<lb/>
endlich lief auch ihr die Galle dermaa&#x017F;&#x017F;en<lb/>
u&#x0364;ber, daß &#x017F;ie dem armen unge&#x017F;chickten Kerl<lb/>
mit eigner hoher Hand eine gewichtige Maul-<lb/>
&#x017F;chelle zutheilte. Allein die&#x017F;e Keckheit bekam<lb/>
ihr u&#x0364;bler, als &#x017F;ie wohl gedacht hatte. Der<lb/>
ganze Trupp fu&#x0364;hlte &#x017F;ich durch die&#x017F;e Miß-<lb/>
handlung eines Kameraden von unberufenen<lb/>
Fa&#x0364;u&#x017F;ten an &#x017F;einer militairi&#x017F;chen Ehre gekra&#x0364;nkt;<lb/>
Alles &#x017F;pie Feuer und Flamme, drang auf<lb/>
den Lieutenant ein, und be&#x017F;tand auf der bu&#x0364;n-<lb/>
dig&#x017F;ten Genugthuung. Um den furchtbaren<lb/>
La&#x0364;rm zu &#x017F;tillen und noch derbere Ausbru&#x0364;che<lb/>
einer rohen Gewalt zu verhu&#x0364;ten, blieb dem<lb/>
edlen Ritter zuletzt nichts u&#x0364;brig, als die Scho&#x0364;ne<lb/>
unter &#x017F;eine eigene Fuchtel zu nehmen; und<lb/>
das that er denn, &#x017F;einer Za&#x0364;rtlichkeit unbe-<lb/>
&#x017F;chadet, auch &#x017F;o herzhaft und nachdru&#x0364;cklich,<lb/>
daß endlich die laute&#x017F;ten Schreier &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich<lb/>
fu&#x0364;r befriedigt erkla&#x0364;rten. Nur Madame W.<lb/>
&#x017F;chien von die&#x017F;er fu&#x0364;hlbaren Liebesprobe &#x017F;chlecht<lb/>
erbaut zu &#x017F;eyn und legte &#x017F;o wenig ihrer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">1. Bändchen. (11)</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0177] Leuten, daß ſie ihn ſo feigherzig im Stiche gelaſſen. Wiewohl er ſich nun endlich be- ruhigte, ſo nahm doch am naͤchſten Morgen an ſeinem Beiſpiel auch Madame den Muth, mit dem Soldaten, der ihr zur Aufwar- tung gegeben war, unſaͤuberlich zu verfah- ren. Bald hatt’ er das Bette nicht gut ge- macht, bald die Teller nicht gehoͤrig geſcheuert, bald etwas noch Schlimmeres verſehen, und endlich lief auch ihr die Galle dermaaſſen uͤber, daß ſie dem armen ungeſchickten Kerl mit eigner hoher Hand eine gewichtige Maul- ſchelle zutheilte. Allein dieſe Keckheit bekam ihr uͤbler, als ſie wohl gedacht hatte. Der ganze Trupp fuͤhlte ſich durch dieſe Miß- handlung eines Kameraden von unberufenen Faͤuſten an ſeiner militairiſchen Ehre gekraͤnkt; Alles ſpie Feuer und Flamme, drang auf den Lieutenant ein, und beſtand auf der buͤn- digſten Genugthuung. Um den furchtbaren Laͤrm zu ſtillen und noch derbere Ausbruͤche einer rohen Gewalt zu verhuͤten, blieb dem edlen Ritter zuletzt nichts uͤbrig, als die Schoͤne unter ſeine eigene Fuchtel zu nehmen; und das that er denn, ſeiner Zaͤrtlichkeit unbe- ſchadet, auch ſo herzhaft und nachdruͤcklich, daß endlich die lauteſten Schreier ſelbſt ſich fuͤr befriedigt erklaͤrten. Nur Madame W. ſchien von dieſer fuͤhlbaren Liebesprobe ſchlecht erbaut zu ſeyn und legte ſo wenig ihrer 1. Bändchen. (11)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/177
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/177>, abgerufen am 27.11.2024.