oder 3 Stunden Arbeit lief das Schiff gleich- sam, wie vom Stapel, und war glücklich wie- der flott geworden.
Nie habe ich einen erfreuteren Menschen gesehen, als diesen Officier, sobald mein Stück Arbeit gelungen war. Er herzte und küßte mich; ich mußte ihm meinen Namen sagen, den er sich in seine Schreibtafel zeichnete, und zugleich schrieb er ein russisches Billet an den General Romanzow, der damals in Colberg befehligte, und das er mir zur treuen Abgabe bei meiner Ankunft anempfahl. Als ich mich endlich wieder entfernen wollte, ließ er mir das Boot von seinem Vorrath an Hirse, Mehl und Grütze dergestalt voll laden, daß ich im Ernst zu sinken fürchtete und, da kein Weigern und Verbitten etwas fruchten wollte, zuletzt nur über Hals und Kopf auf meine Abfahrt denken mußte. So erreichte ich denn wieder mein Schiff, welches derweile in einiger Entfernung Anker geworfen hatte.
Ein paar Tage später langte ich in Col- berg an, wo ich nicht säumte, mich dem General Romanzow vorzustellen und mein Billet zu überreichen. Es war kein Urias- Brief gewesen: denn der edle Mann hatte es kaum gelesen, als er mir unter herzlichem Händedruck dankte, daß ich seinem Monarchen Schiff und Ladung erhalten hätte. Er wollte wissen, wie er mir wieder dienen könne, und
oder 3 Stunden Arbeit lief das Schiff gleich- ſam, wie vom Stapel, und war gluͤcklich wie- der flott geworden.
Nie habe ich einen erfreuteren Menſchen geſehen, als dieſen Officier, ſobald mein Stuͤck Arbeit gelungen war. Er herzte und kuͤßte mich; ich mußte ihm meinen Namen ſagen, den er ſich in ſeine Schreibtafel zeichnete, und zugleich ſchrieb er ein ruſſiſches Billet an den General Romanzow, der damals in Colberg befehligte, und das er mir zur treuen Abgabe bei meiner Ankunft anempfahl. Als ich mich endlich wieder entfernen wollte, ließ er mir das Boot von ſeinem Vorrath an Hirſe, Mehl und Gruͤtze dergeſtalt voll laden, daß ich im Ernſt zu ſinken fuͤrchtete und, da kein Weigern und Verbitten etwas fruchten wollte, zuletzt nur uͤber Hals und Kopf auf meine Abfahrt denken mußte. So erreichte ich denn wieder mein Schiff, welches derweile in einiger Entfernung Anker geworfen hatte.
Ein paar Tage ſpaͤter langte ich in Col- berg an, wo ich nicht ſaͤumte, mich dem General Romanzow vorzuſtellen und mein Billet zu uͤberreichen. Es war kein Urias- Brief geweſen: denn der edle Mann hatte es kaum geleſen, als er mir unter herzlichem Haͤndedruck dankte, daß ich ſeinem Monarchen Schiff und Ladung erhalten haͤtte. Er wollte wiſſen, wie er mir wieder dienen koͤnne, und
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oder 3 Stunden Arbeit lief das Schiff gleich-
ſam, wie vom Stapel, und war gluͤcklich wie-
der flott geworden.
Nie habe ich einen erfreuteren Menſchen
geſehen, als dieſen Officier, ſobald mein Stuͤck
Arbeit gelungen war. Er herzte und kuͤßte
mich; ich mußte ihm meinen Namen ſagen,
den er ſich in ſeine Schreibtafel zeichnete,
und zugleich ſchrieb er ein ruſſiſches Billet
an den General Romanzow, der damals in
Colberg befehligte, und das er mir zur treuen
Abgabe bei meiner Ankunft anempfahl. Als
ich mich endlich wieder entfernen wollte, ließ
er mir das Boot von ſeinem Vorrath an
Hirſe, Mehl und Gruͤtze dergeſtalt voll laden,
daß ich im Ernſt zu ſinken fuͤrchtete und, da
kein Weigern und Verbitten etwas fruchten
wollte, zuletzt nur uͤber Hals und Kopf auf
meine Abfahrt denken mußte. So erreichte
ich denn wieder mein Schiff, welches derweile
in einiger Entfernung Anker geworfen hatte.
Ein paar Tage ſpaͤter langte ich in Col-
berg an, wo ich nicht ſaͤumte, mich dem
General Romanzow vorzuſtellen und mein
Billet zu uͤberreichen. Es war kein Urias-
Brief geweſen: denn der edle Mann hatte
es kaum geleſen, als er mir unter herzlichem
Haͤndedruck dankte, daß ich ſeinem Monarchen
Schiff und Ladung erhalten haͤtte. Er wollte
wiſſen, wie er mir wieder dienen koͤnne, und
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/158>, abgerufen am 16.02.2025.
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