spät in den Herbst hinein, zu ihrem Gebrauch verwandten, wo sie ihn endlich, rein ausge- plündert und der Segel und des Tauwerks beraubt, als ein Wrack liegen liessen. Ver- gebens bat ich schriftlich einige Freunde in Pillau, nach meinem Eigenthum zu sehen: denn Niemand wollte sich damit befassen, um sich nicht vielleicht mit den Russen böse Hän- del zu machen.
Endlich verblutete sich die Geschichte; so daß ich's allmählig wagte, aus meinem Ver- steck hervorzukommen; und im Frühling 1762 durfte ich mich selbst wieder in Pillau blicken lassen. Mein Fahrzeug stand hier am Damm auf dem Grunde, von welchem ich es vor allen Dingen abbrachte. Dann setzte ich es nach Möglichkeit wieder in Stand, und führte es nach Königsberg, um Seiner nur zu jedem Preise loszuwerden, und nun die Arme ein wenig freier zu rühren. Zu diesem Ende erstand ich wieder ein zwar nicht großes, aber tüchtiges Seeschiff, "der Postreiter" ge- nannt, von 45 bis 50 Lasten, und fand auch sogleich eine erwünschte Ladung von Malz, nach Wolgast bestimmt, die für 22 holl. Gul- den die Last bedungen wurde. Nun säumte ich nicht, unter russischen Pässen, meine erste Reise dahin anzutreten.
Als ich in Wolgast vor Anker gekommen, vertraute mir Hr. Cantzler, der Empfänger
ſpaͤt in den Herbſt hinein, zu ihrem Gebrauch verwandten, wo ſie ihn endlich, rein ausge- pluͤndert und der Segel und des Tauwerks beraubt, als ein Wrack liegen lieſſen. Ver- gebens bat ich ſchriftlich einige Freunde in Pillau, nach meinem Eigenthum zu ſehen: denn Niemand wollte ſich damit befaſſen, um ſich nicht vielleicht mit den Ruſſen boͤſe Haͤn- del zu machen.
Endlich verblutete ſich die Geſchichte; ſo daß ich’s allmaͤhlig wagte, aus meinem Ver- ſteck hervorzukommen; und im Fruͤhling 1762 durfte ich mich ſelbſt wieder in Pillau blicken laſſen. Mein Fahrzeug ſtand hier am Damm auf dem Grunde, von welchem ich es vor allen Dingen abbrachte. Dann ſetzte ich es nach Moͤglichkeit wieder in Stand, und fuͤhrte es nach Koͤnigsberg, um Seiner nur zu jedem Preiſe loszuwerden, und nun die Arme ein wenig freier zu ruͤhren. Zu dieſem Ende erſtand ich wieder ein zwar nicht großes, aber tuͤchtiges Seeſchiff, „der Poſtreiter‟ ge- nannt, von 45 bis 50 Laſten, und fand auch ſogleich eine erwuͤnſchte Ladung von Malz, nach Wolgaſt beſtimmt, die fuͤr 22 holl. Gul- den die Laſt bedungen wurde. Nun ſaͤumte ich nicht, unter ruſſiſchen Paͤſſen, meine erſte Reiſe dahin anzutreten.
Als ich in Wolgaſt vor Anker gekommen, vertraute mir Hr. Cantzler, der Empfaͤnger
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ſpaͤt in den Herbſt hinein, zu ihrem Gebrauch
verwandten, wo ſie ihn endlich, rein ausge-
pluͤndert und der Segel und des Tauwerks
beraubt, als ein Wrack liegen lieſſen. Ver-
gebens bat ich ſchriftlich einige Freunde in
Pillau, nach meinem Eigenthum zu ſehen:
denn Niemand wollte ſich damit befaſſen, um
ſich nicht vielleicht mit den Ruſſen boͤſe Haͤn-
del zu machen.
Endlich verblutete ſich die Geſchichte; ſo
daß ich’s allmaͤhlig wagte, aus meinem Ver-
ſteck hervorzukommen; und im Fruͤhling 1762
durfte ich mich ſelbſt wieder in Pillau blicken
laſſen. Mein Fahrzeug ſtand hier am Damm
auf dem Grunde, von welchem ich es vor
allen Dingen abbrachte. Dann ſetzte ich es
nach Moͤglichkeit wieder in Stand, und fuͤhrte
es nach Koͤnigsberg, um Seiner nur zu jedem
Preiſe loszuwerden, und nun die Arme ein
wenig freier zu ruͤhren. Zu dieſem Ende
erſtand ich wieder ein zwar nicht großes,
aber tuͤchtiges Seeſchiff, „der Poſtreiter‟ ge-
nannt, von 45 bis 50 Laſten, und fand auch
ſogleich eine erwuͤnſchte Ladung von Malz,
nach Wolgaſt beſtimmt, die fuͤr 22 holl. Gul-
den die Laſt bedungen wurde. Nun ſaͤumte
ich nicht, unter ruſſiſchen Paͤſſen, meine erſte
Reiſe dahin anzutreten.
Als ich in Wolgaſt vor Anker gekommen,
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/152>, abgerufen am 20.07.2024.
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