man voraussetzen, daß das Schicksal allen Neger-Sklaven in den Colonieen einen so menschlich-denkenden Gebieter zutheilte, so würde das so laut erhobene Geschrei über die himmelschreiende Ungerechtigkeit des mit ihnen betriebenen Handels viel von seinem Nachdruck verlieren.
Sobald wir unter Segel gegangen waren, ersuchte uns Herr Polack, dem Schiffsvolk bekannt zu machen, daß er demjenigen, der ihm zuerst ansagen könne: Er sehe europäi- sche Erde -- ein Geschenk von 50 Dukaten zugedacht habe. Diese Nachricht verbreitete unter Allen eine gespannte Aufmerksamkeit; und der Wetteifer, eine so leicht zu verdie- nende Belohnung vor den Uebrigen davon- zutragen, wuchs mit jedem Tage, der uns unserm heimatlichen Erdtheile näher brachte. Selbst als wir, in der achten Woche unsrer Fahrt, unsrer Schiffsrechnung nach, dieses Ziel erreicht zu haben glauben durften, blieb dennoch eine Ungewißheit von einem Dutzend Meilen übrig, da, wie bekannt, in jenen Zei- ten die genaue Bestimmung der zurückgeleg- teu Längen-Grade mehr auf einer muthmaaß- lichen Schätzung, als auf astronomischen Be- rechnungen oder der Sicherheit der See-Uh- ren, beruhte.
Jetzt wimmelte es schon seit einigen Ta- gen auf unsern Masten und Stengen von Men-
man vorausſetzen, daß das Schickſal allen Neger-Sklaven in den Colonieen einen ſo menſchlich-denkenden Gebieter zutheilte, ſo wuͤrde das ſo laut erhobene Geſchrei uͤber die himmelſchreiende Ungerechtigkeit des mit ihnen betriebenen Handels viel von ſeinem Nachdruck verlieren.
Sobald wir unter Segel gegangen waren, erſuchte uns Herr Polack, dem Schiffsvolk bekannt zu machen, daß er demjenigen, der ihm zuerſt anſagen koͤnne: Er ſehe europaͤi- ſche Erde — ein Geſchenk von 50 Dukaten zugedacht habe. Dieſe Nachricht verbreitete unter Allen eine geſpannte Aufmerkſamkeit; und der Wetteifer, eine ſo leicht zu verdie- nende Belohnung vor den Uebrigen davon- zutragen, wuchs mit jedem Tage, der uns unſerm heimatlichen Erdtheile naͤher brachte. Selbſt als wir, in der achten Woche unſrer Fahrt, unſrer Schiffsrechnung nach, dieſes Ziel erreicht zu haben glauben durften, blieb dennoch eine Ungewißheit von einem Dutzend Meilen uͤbrig, da, wie bekannt, in jenen Zei- ten die genaue Beſtimmung der zuruͤckgeleg- teu Laͤngen-Grade mehr auf einer muthmaaß- lichen Schaͤtzung, als auf aſtronomiſchen Be- rechnungen oder der Sicherheit der See-Uh- ren, beruhte.
Jetzt wimmelte es ſchon ſeit einigen Ta- gen auf unſern Maſten und Stengen von Men-
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man vorausſetzen, daß das Schickſal allen
Neger-Sklaven in den Colonieen einen ſo
menſchlich-denkenden Gebieter zutheilte, ſo
wuͤrde das ſo laut erhobene Geſchrei uͤber
die himmelſchreiende Ungerechtigkeit des mit
ihnen betriebenen Handels viel von ſeinem
Nachdruck verlieren.
Sobald wir unter Segel gegangen waren,
erſuchte uns Herr Polack, dem Schiffsvolk
bekannt zu machen, daß er demjenigen, der
ihm zuerſt anſagen koͤnne: Er ſehe europaͤi-
ſche Erde — ein Geſchenk von 50 Dukaten
zugedacht habe. Dieſe Nachricht verbreitete
unter Allen eine geſpannte Aufmerkſamkeit;
und der Wetteifer, eine ſo leicht zu verdie-
nende Belohnung vor den Uebrigen davon-
zutragen, wuchs mit jedem Tage, der uns
unſerm heimatlichen Erdtheile naͤher brachte.
Selbſt als wir, in der achten Woche unſrer
Fahrt, unſrer Schiffsrechnung nach, dieſes
Ziel erreicht zu haben glauben durften, blieb
dennoch eine Ungewißheit von einem Dutzend
Meilen uͤbrig, da, wie bekannt, in jenen Zei-
ten die genaue Beſtimmung der zuruͤckgeleg-
teu Laͤngen-Grade mehr auf einer muthmaaß-
lichen Schaͤtzung, als auf aſtronomiſchen Be-
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Jetzt wimmelte es ſchon ſeit einigen Ta-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/125>, abgerufen am 16.02.2025.
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