Jch berühre es nur kurz, daß wir, nach- dem auch unser Schiffer wieder auf die Beine gekommen, von hier mit Ballast und unter neutraler Flagge nach der Jnsel Noirmou- tiers, an der westlichen Küste von Frankreich, giengen, wo wir eine Ladung Seesalz einnah- men und uns dann nach Königsberg auf den Heimweg machten. Leider konnten wir's im Kanal, in der Nähe von Dover, nicht vermeiden, nach und nach mit sieben engli- schen Kapern zusammen zu gerathen. Alle diese Schnapphähne -- Kerle, mit wahren Galgen-Physiognomieen, stiegen zu uns an Bord, und wußten in Allem, was ihnen an- stand (und ihnen stand fast Alles an!) so geschickt reinen Tisch zu machen, daß sie es uns schier unmöglich machten, wieder an Land und zu Leuten zu kommen. Kessel und Pfannen, Tauwerk und losgebundene Segel, Seekarten und Kompaß mußten mit ihnen wandern. Was der Eine uns ließ, das nahm der Andre. Ja, endlich zogen sie uns sogar die Kleider vom Leibe.
Wir hatten eben, Dover gegenüber, bei- legen müssen, als mir, bei dem letzten uner- wünschten Zuspruche solcher Art, Einer von diesen Taugenichtsen, zudringlicher, als die übrigen Alle, die langen Schifferhosen von den Beinen streifte. Das hätte ich ver- schmerzen mögen: aber bei der Gelegenheit
Jch beruͤhre es nur kurz, daß wir, nach- dem auch unſer Schiffer wieder auf die Beine gekommen, von hier mit Ballaſt und unter neutraler Flagge nach der Jnſel Noirmou- tiers, an der weſtlichen Kuͤſte von Frankreich, giengen, wo wir eine Ladung Seeſalz einnah- men und uns dann nach Koͤnigsberg auf den Heimweg machten. Leider konnten wir’s im Kanal, in der Naͤhe von Dover, nicht vermeiden, nach und nach mit ſieben engli- ſchen Kapern zuſammen zu gerathen. Alle dieſe Schnapphaͤhne — Kerle, mit wahren Galgen-Phyſiognomieen, ſtiegen zu uns an Bord, und wußten in Allem, was ihnen an- ſtand (und ihnen ſtand faſt Alles an!) ſo geſchickt reinen Tiſch zu machen, daß ſie es uns ſchier unmoͤglich machten, wieder an Land und zu Leuten zu kommen. Keſſel und Pfannen, Tauwerk und losgebundene Segel, Seekarten und Kompaß mußten mit ihnen wandern. Was der Eine uns ließ, das nahm der Andre. Ja, endlich zogen ſie uns ſogar die Kleider vom Leibe.
Wir hatten eben, Dover gegenuͤber, bei- legen muͤſſen, als mir, bei dem letzten uner- wuͤnſchten Zuſpruche ſolcher Art, Einer von dieſen Taugenichtſen, zudringlicher, als die uͤbrigen Alle, die langen Schifferhoſen von den Beinen ſtreifte. Das haͤtte ich ver- ſchmerzen moͤgen: aber bei der Gelegenheit
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Jch beruͤhre es nur kurz, daß wir, nach-
dem auch unſer Schiffer wieder auf die Beine
gekommen, von hier mit Ballaſt und unter
neutraler Flagge nach der Jnſel Noirmou-
tiers, an der weſtlichen Kuͤſte von Frankreich,
giengen, wo wir eine Ladung Seeſalz einnah-
men und uns dann nach Koͤnigsberg auf
den Heimweg machten. Leider konnten wir’s
im Kanal, in der Naͤhe von Dover, nicht
vermeiden, nach und nach mit ſieben engli-
ſchen Kapern zuſammen zu gerathen. Alle
dieſe Schnapphaͤhne — Kerle, mit wahren
Galgen-Phyſiognomieen, ſtiegen zu uns an
Bord, und wußten in Allem, was ihnen an-
ſtand (und ihnen ſtand faſt Alles an!) ſo
geſchickt reinen Tiſch zu machen, daß ſie es
uns ſchier unmoͤglich machten, wieder an
Land und zu Leuten zu kommen. Keſſel
und Pfannen, Tauwerk und losgebundene
Segel, Seekarten und Kompaß mußten mit
ihnen wandern. Was der Eine uns ließ,
das nahm der Andre. Ja, endlich zogen ſie
uns ſogar die Kleider vom Leibe.
Wir hatten eben, Dover gegenuͤber, bei-
legen muͤſſen, als mir, bei dem letzten uner-
wuͤnſchten Zuſpruche ſolcher Art, Einer von
dieſen Taugenichtſen, zudringlicher, als die
uͤbrigen Alle, die langen Schifferhoſen von
den Beinen ſtreifte. Das haͤtte ich ver-
ſchmerzen moͤgen: aber bei der Gelegenheit
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/117>, abgerufen am 22.11.2024.
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