die Wade schlug und dadurch das Bein so heftig gegen eine scharfe Holzecke schleu- derte, daß wir ihn in die Kajüte tragen mußten und er an dem Schaden mehrere Monate lang das Bette zu hüten hatte. Da nun er so wenig, als Einer unsrer Ma- trosen, an welchem sich bald ein venerisches Uebel offenbarte, auf dem Deck ausdauern konnte, unser Schiffsjunge aber (eigentlich ein verdorbener Tischlergesell) bei dem ge- ringsten Sturmwetter mit Seekrankheit zu thun hatte: so beruhte nunmehr die Füh- rung des Schiffes einzig auf mir und ei- nem Motrosen; und ich darf wohl gestehen, daß mir bei der Sache nicht gar zu wohl zu Muthe wurde.
Jn der That gehört auch die Schiffahrt in diesen Gegenden, zwischen Schottland und der Jnsel Lewis und den übrigen zahl- reichen Hebriden hin, zu den gefährlichsten, die es geben kann; -- nicht nur des engen Fahrwassers zwischen den Jnseln und der vielen Klippen wegen, sondern hauptsächlich weil hier so starke Strömungen gehen, daß es oft überall brandend aufschäumt und nicht anders aussieht, als ob Alles rings umher dicht mit blinden Klippen besäet wäre. Noch unglücklicher aber ist es, daß die holländischen Seekarten, deren wir uns
1. Bändchen. (7)
die Wade ſchlug und dadurch das Bein ſo heftig gegen eine ſcharfe Holzecke ſchleu- derte, daß wir ihn in die Kajuͤte tragen mußten und er an dem Schaden mehrere Monate lang das Bette zu huͤten hatte. Da nun er ſo wenig, als Einer unſrer Ma- troſen, an welchem ſich bald ein veneriſches Uebel offenbarte, auf dem Deck ausdauern konnte, unſer Schiffsjunge aber (eigentlich ein verdorbener Tiſchlergeſell) bei dem ge- ringſten Sturmwetter mit Seekrankheit zu thun hatte: ſo beruhte nunmehr die Fuͤh- rung des Schiffes einzig auf mir und ei- nem Motroſen; und ich darf wohl geſtehen, daß mir bei der Sache nicht gar zu wohl zu Muthe wurde.
Jn der That gehoͤrt auch die Schiffahrt in dieſen Gegenden, zwiſchen Schottland und der Jnſel Lewis und den uͤbrigen zahl- reichen Hebriden hin, zu den gefaͤhrlichſten, die es geben kann; — nicht nur des engen Fahrwaſſers zwiſchen den Jnſeln und der vielen Klippen wegen, ſondern hauptſaͤchlich weil hier ſo ſtarke Stroͤmungen gehen, daß es oft uͤberall brandend aufſchaͤumt und nicht anders ausſieht, als ob Alles rings umher dicht mit blinden Klippen beſaͤet waͤre. Noch ungluͤcklicher aber iſt es, daß die hollaͤndiſchen Seekarten, deren wir uns
1. Bändchen. (7)
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die Wade ſchlug und dadurch das Bein ſo
heftig gegen eine ſcharfe Holzecke ſchleu-
derte, daß wir ihn in die Kajuͤte tragen
mußten und er an dem Schaden mehrere
Monate lang das Bette zu huͤten hatte.
Da nun er ſo wenig, als Einer unſrer Ma-
troſen, an welchem ſich bald ein veneriſches
Uebel offenbarte, auf dem Deck ausdauern
konnte, unſer Schiffsjunge aber (eigentlich
ein verdorbener Tiſchlergeſell) bei dem ge-
ringſten Sturmwetter mit Seekrankheit zu
thun hatte: ſo beruhte nunmehr die Fuͤh-
rung des Schiffes einzig auf mir und ei-
nem Motroſen; und ich darf wohl geſtehen,
daß mir bei der Sache nicht gar zu wohl zu
Muthe wurde.
Jn der That gehoͤrt auch die Schiffahrt
in dieſen Gegenden, zwiſchen Schottland
und der Jnſel Lewis und den uͤbrigen zahl-
reichen Hebriden hin, zu den gefaͤhrlichſten,
die es geben kann; — nicht nur des engen
Fahrwaſſers zwiſchen den Jnſeln und der
vielen Klippen wegen, ſondern hauptſaͤchlich
weil hier ſo ſtarke Stroͤmungen gehen, daß
es oft uͤberall brandend aufſchaͤumt und
nicht anders ausſieht, als ob Alles rings
umher dicht mit blinden Klippen beſaͤet
waͤre. Noch ungluͤcklicher aber iſt es, daß
die hollaͤndiſchen Seekarten, deren wir uns
1. Bändchen. (7)
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/113>, abgerufen am 16.02.2025.
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