Auf dem Schiffe war alles stille. Nie- mand hatte mich wahrgenommen. Jch öffne- te die vordere Kabelgats-Luke, rutschte hin- unter, machte die Luke hinter mir zu und suchte mir auf den Tauen und Segeln, die hier verwahrt lagen, ein Ruheplätzchen. Bald aber überlegte ich, daß dieser Versteck mit Tages-Anbruch auch sofort von Menschen wimmeln würde, die zu der vorhabenden Ab- fahrt Segel und anderes Zubehör daraus her- vorlangten; wo es denn garstig für mich ablaufen könnte. Jch versuchte es also, mich durch tausend Gegenstände, die sich mir hin- dernd in den Weg stellten, tiefer in den Raum hinab zu miniren. Es glückte mir endlich da- mit: aber zu gleicher Zeit hörte ich hinter dem Ballast etwas rascheln und flüstern, das mir unheimlich vorkam. Gleichwohl kroch ich noch weiter heran, und unterschied bald mensch- liche Stimmen, die mir, je länger ich sie be- horchte, um so bekannter vorkamen. Kurz es gab hier eine ganz unvermuthete Erken- nungs-Scene zwischen mir und eilf andern jungen See-Kameraden, welche gleiche Noth und gleiche Hoffnung hieher zusammenge- bracht hatte.
Für den Augenblick hielten wir uns zwar geborgen: aber unter Furcht und Zagen hatten wir nun zu erwarten, ob das Schiff
Auf dem Schiffe war alles ſtille. Nie- mand hatte mich wahrgenommen. Jch oͤffne- te die vordere Kabelgats-Luke, rutſchte hin- unter, machte die Luke hinter mir zu und ſuchte mir auf den Tauen und Segeln, die hier verwahrt lagen, ein Ruheplaͤtzchen. Bald aber uͤberlegte ich, daß dieſer Verſteck mit Tages-Anbruch auch ſofort von Menſchen wimmeln wuͤrde, die zu der vorhabenden Ab- fahrt Segel und anderes Zubehoͤr daraus her- vorlangten; wo es denn garſtig fuͤr mich ablaufen koͤnnte. Jch verſuchte es alſo, mich durch tauſend Gegenſtaͤnde, die ſich mir hin- dernd in den Weg ſtellten, tiefer in den Raum hinab zu miniren. Es gluͤckte mir endlich da- mit: aber zu gleicher Zeit hoͤrte ich hinter dem Ballaſt etwas raſcheln und fluͤſtern, das mir unheimlich vorkam. Gleichwohl kroch ich noch weiter heran, und unterſchied bald menſch- liche Stimmen, die mir, je laͤnger ich ſie be- horchte, um ſo bekannter vorkamen. Kurz es gab hier eine ganz unvermuthete Erken- nungs-Scene zwiſchen mir und eilf andern jungen See-Kameraden, welche gleiche Noth und gleiche Hoffnung hieher zuſammenge- bracht hatte.
Fuͤr den Augenblick hielten wir uns zwar geborgen: aber unter Furcht und Zagen hatten wir nun zu erwarten, ob das Schiff
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Auf dem Schiffe war alles ſtille. Nie-
mand hatte mich wahrgenommen. Jch oͤffne-
te die vordere Kabelgats-Luke, rutſchte hin-
unter, machte die Luke hinter mir zu und
ſuchte mir auf den Tauen und Segeln, die
hier verwahrt lagen, ein Ruheplaͤtzchen.
Bald aber uͤberlegte ich, daß dieſer Verſteck
mit Tages-Anbruch auch ſofort von Menſchen
wimmeln wuͤrde, die zu der vorhabenden Ab-
fahrt Segel und anderes Zubehoͤr daraus her-
vorlangten; wo es denn garſtig fuͤr mich
ablaufen koͤnnte. Jch verſuchte es alſo, mich
durch tauſend Gegenſtaͤnde, die ſich mir hin-
dernd in den Weg ſtellten, tiefer in den Raum
hinab zu miniren. Es gluͤckte mir endlich da-
mit: aber zu gleicher Zeit hoͤrte ich hinter
dem Ballaſt etwas raſcheln und fluͤſtern, das
mir unheimlich vorkam. Gleichwohl kroch ich
noch weiter heran, und unterſchied bald menſch-
liche Stimmen, die mir, je laͤnger ich ſie be-
horchte, um ſo bekannter vorkamen. Kurz
es gab hier eine ganz unvermuthete Erken-
nungs-Scene zwiſchen mir und eilf andern
jungen See-Kameraden, welche gleiche Noth
und gleiche Hoffnung hieher zuſammenge-
bracht hatte.
Fuͤr den Augenblick hielten wir uns zwar
geborgen: aber unter Furcht und Zagen
hatten wir nun zu erwarten, ob das Schiff
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/108>, abgerufen am 24.11.2024.
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