Nestroy, Johann: Der böse Geist Lumpacivagabundus, oder: Das liederliche Kleeblatt. Wien, 1835. Zwirn. An uns Zwei? Ah da bin ich neugierig. (Nimmt den Brief und öffnet ihn.) Du, Schuster, bist Du auch neugierig? Knieriem. Freilich bin ich neugierig. Zwirn. No da hast, lies! Knieriem. Weißt -- ich les' nicht gern. Zwirn. Ich leset wieder für mein Leben gern, aber ich kann nit lesen. Knieriem. Bei mir ist das der nämliche Fall. Zwirn. Mir fallt was ein, ich probirs! (Geht zu Ho- belmann.) Herr Hobelmann, Sie scheinen ein ver- nünftiger Mann zu seyn -- obwohl der Schein manchmal trügt. Hobelmann. Nein, nein! diesmal trügt er nicht. Zwirn. Sie werden wissen, ein Unterschied der Stän- de muß seyn. -- Sie sind Meister, wir zwei Ge- sellen -- (ihm den offenen Brief reichend) lesen Sie! Zwirn. An uns Zwei? Ah da bin ich neugierig. (Nimmt den Brief und öffnet ihn.) Du, Schuſter, biſt Du auch neugierig? Knieriem. Freilich bin ich neugierig. Zwirn. No da haſt, lies! Knieriem. Weißt — ich leſ’ nicht gern. Zwirn. Ich leſet wieder für mein Leben gern, aber ich kann nit leſen. Knieriem. Bei mir iſt das der nämliche Fall. Zwirn. Mir fallt was ein, ich probirs! (Geht zu Ho- belmann.) Herr Hobelmann, Sie ſcheinen ein ver- nünftiger Mann zu ſeyn — obwohl der Schein manchmal trügt. Hobelmann. Nein, nein! diesmal trügt er nicht. Zwirn. Sie werden wiſſen, ein Unterſchied der Stän- de muß ſeyn. — Sie ſind Meiſter, wir zwei Ge- ſellen — (ihm den offenen Brief reichend) leſen Sie! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0100" n="94"/> <sp who="#ZWI"> <speaker><hi rendition="#g">Zwirn</hi>.</speaker><lb/> <p>An uns Zwei? Ah da bin ich neugierig.</p> <stage>(Nimmt<lb/> den Brief und öffnet ihn.)</stage> <p>Du, Schuſter, biſt Du<lb/> auch neugierig?</p> </sp><lb/> <sp who="#KNI"> <speaker><hi rendition="#g">Knieriem</hi>.</speaker><lb/> <p>Freilich bin ich neugierig.</p> </sp><lb/> <sp who="#ZWI"> <speaker><hi rendition="#g">Zwirn</hi>.</speaker><lb/> <p>No da haſt, lies!</p> </sp><lb/> <sp who="#KNI"> <speaker><hi rendition="#g">Knieriem</hi>.</speaker><lb/> <p>Weißt — ich leſ’ nicht gern.</p> </sp><lb/> <sp who="#ZWI"> <speaker><hi rendition="#g">Zwirn</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich leſet wieder für mein Leben gern, aber ich<lb/> kann nit leſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#KNI"> <speaker><hi rendition="#g">Knieriem</hi>.</speaker><lb/> <p>Bei mir iſt das der nämliche Fall.</p> </sp><lb/> <sp who="#ZWI"> <speaker><hi rendition="#g">Zwirn</hi>.</speaker><lb/> <p>Mir fallt was ein, ich probirs!</p> <stage>(Geht zu Ho-<lb/> belmann.)</stage> <p>Herr Hobelmann, Sie ſcheinen ein ver-<lb/> nünftiger Mann zu ſeyn — obwohl der Schein<lb/> manchmal trügt.</p> </sp><lb/> <sp who="#HOB"> <speaker><hi rendition="#g">Hobelmann</hi>.</speaker><lb/> <p>Nein, nein! diesmal trügt er nicht.</p> </sp><lb/> <sp who="#ZWI"> <speaker><hi rendition="#g">Zwirn</hi>.</speaker><lb/> <p>Sie werden wiſſen, ein Unterſchied der Stän-<lb/> de <hi rendition="#g">muß</hi> ſeyn. — Sie ſind Meiſter, wir zwei Ge-<lb/> ſellen —</p> <stage>(ihm den offenen Brief reichend)</stage> <p>leſen Sie!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0100]
Zwirn.
An uns Zwei? Ah da bin ich neugierig. (Nimmt
den Brief und öffnet ihn.) Du, Schuſter, biſt Du
auch neugierig?
Knieriem.
Freilich bin ich neugierig.
Zwirn.
No da haſt, lies!
Knieriem.
Weißt — ich leſ’ nicht gern.
Zwirn.
Ich leſet wieder für mein Leben gern, aber ich
kann nit leſen.
Knieriem.
Bei mir iſt das der nämliche Fall.
Zwirn.
Mir fallt was ein, ich probirs! (Geht zu Ho-
belmann.) Herr Hobelmann, Sie ſcheinen ein ver-
nünftiger Mann zu ſeyn — obwohl der Schein
manchmal trügt.
Hobelmann.
Nein, nein! diesmal trügt er nicht.
Zwirn.
Sie werden wiſſen, ein Unterſchied der Stän-
de muß ſeyn. — Sie ſind Meiſter, wir zwei Ge-
ſellen — (ihm den offenen Brief reichend) leſen Sie!
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