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Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666.

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Siebenjährige Welt-Beschauung.
brennen/ als wir her aus giengen. Ausserhalb der Capelle sind
zwey reihen Steine geleget/ allwo die Münche/ so vor langer
Zeit allda gewohnet/ zu essen pflegen.

Ein wenig weiter hinauf wie auf einer Stiege
sind wir zu einer oben rund gewölbten Thür kommen/ welche
zwischen den Klippen/ als einem engen Passe vor alten Zeiten
erbauet worden/ worbey vordessen allemahl ein Münch Wa-
che halten müssen und keinen ohne deß Bischoffs eigenen Befehl
auf den Berg Sinai dörffen kommen lassen.

Bey dieser Pforten hat sich vor dessen gar ein sonderba-
res zugetragen/ welches ich allhier zuerzehlen nicht unter las-
sen kan. Es hat sich auf eine Zeit ein Jüde zugleich mit unter etz-
lichen Christen hinauf auf den Berg Sinai partiren wollen
und hat auch niemand anders gewüst/ als wenn er auch ein
Christ were/ denn sonst durchaus kein Jüde wissentlich hinauf
gelassen wird. Was geschicht? Als er nun neben den Christen
vor diese Pforte kömmt/ der Meinung/ vollends mit auf den
Berg Sinai hinauf zu kommen und die Christliche Pilgrim
schon alle hinein sind/ kan er weiter von der Stelle nit/ noch eini-
gen Fuß fort setzen. Und als sie ihn fragen: Warum er nit nach-
käme/ gab er zur Antwort: Er sehe über der Thür Christum/ den
Heyland der Christen/ am Creutze hangen und weil er kein Chri-
ste/ sondern ein Jüde were/ so were ihm unmüglich über die
Schwelle zu schreiten/ hat sich alsbald tauffen lassen und ist
auch ein Christe worden/ alsdenn er hernach auch freudiges
Gemüthes und ungehindert durch diese Pforte und auf den
heiligen Berg Sinai gehen können. Um welches wunders wil-
len sich noch biß auf den heutigen Tag kein Jüde unterstehet
zuversuchen/ daß er durch diese Pforte begehrte auf den Berg
Sinai zu gehen/ die anders Wissenschafft darum haben.

Von dieser Thür etwas weiter hinauf ist wieder eine an-

dere

Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
brennen/ als wir her aus giengen. Auſſerhalb der Capelle ſind
zwey reihen Steine geleget/ allwo die Muͤnche/ ſo vor langer
Zeit allda gewohnet/ zu eſſen pflegen.

Ein wenig weiter hinauf wie auf einer Stiege
ſind wir zu einer oben rund gewoͤlbten Thuͤr kommen/ welche
zwiſchen den Klippen/ als einem engen Paſſe vor alten Zeiten
erbauet worden/ worbey vordeſſen allemahl ein Muͤnch Wa-
che halten muͤſſen und keinen ohne deß Biſchoffs eigenen Befehl
auf den Berg Sinai doͤrffen kommen laſſen.

Bey dieſer Pforten hat ſich vor deſſen gar ein ſonderba-
res zugetragen/ welches ich allhier zuerzehlen nicht unter laſ-
ſen kan. Es hat ſich auf eine Zeit ein Juͤde zugleich mit unter etz-
lichen Chriſten hinauf auf den Berg Sinai partiren wollen
und hat auch niemand anders gewuͤſt/ als wenn er auch ein
Chriſt were/ denn ſonſt durchaus kein Juͤde wiſſentlich hinauf
gelaſſen wird. Was geſchicht? Als er nun neben den Chriſten
vor dieſe Pforte koͤmmt/ der Meinung/ vollends mit auf den
Berg Sinai hinauf zu kommen und die Chriſtliche Pilgrim
ſchon alle hinein ſind/ kan er weiter von der Stelle nit/ noch eini-
gen Fuß fort ſetzen. Und als ſie ihn fragen: Warum er nit nach-
kaͤme/ gab er zur Antwort: Er ſehe uͤbeꝛ der Thuͤr Chriſtum/ den
Heyland der Chriſten/ am Creutze hangẽ und weil er kein Chri-
ſte/ ſondern ein Juͤde were/ ſo were ihm unmuͤglich uͤber die
Schwelle zu ſchreiten/ hat ſich alsbald tauffen laſſen und iſt
auch ein Chriſte worden/ alsdenn er hernach auch freudiges
Gemuͤthes und ungehindert durch dieſe Pforte und auf den
heiligen Berg Sinai gehen koͤnnen. Um welches wunders wil-
len ſich noch biß auf den heutigen Tag kein Juͤde unterſtehet
zuverſuchen/ daß er durch dieſe Pforte begehrte auf den Berg
Sinai zu gehen/ die anders Wiſſenſchafft darum haben.

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[206/0212] Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung. brennen/ als wir her aus giengen. Auſſerhalb der Capelle ſind zwey reihen Steine geleget/ allwo die Muͤnche/ ſo vor langer Zeit allda gewohnet/ zu eſſen pflegen. Ein wenig weiter hinauf wie auf einer Stiege ſind wir zu einer oben rund gewoͤlbten Thuͤr kommen/ welche zwiſchen den Klippen/ als einem engen Paſſe vor alten Zeiten erbauet worden/ worbey vordeſſen allemahl ein Muͤnch Wa- che halten muͤſſen und keinen ohne deß Biſchoffs eigenen Befehl auf den Berg Sinai doͤrffen kommen laſſen. Bey dieſer Pforten hat ſich vor deſſen gar ein ſonderba- res zugetragen/ welches ich allhier zuerzehlen nicht unter laſ- ſen kan. Es hat ſich auf eine Zeit ein Juͤde zugleich mit unter etz- lichen Chriſten hinauf auf den Berg Sinai partiren wollen und hat auch niemand anders gewuͤſt/ als wenn er auch ein Chriſt were/ denn ſonſt durchaus kein Juͤde wiſſentlich hinauf gelaſſen wird. Was geſchicht? Als er nun neben den Chriſten vor dieſe Pforte koͤmmt/ der Meinung/ vollends mit auf den Berg Sinai hinauf zu kommen und die Chriſtliche Pilgrim ſchon alle hinein ſind/ kan er weiter von der Stelle nit/ noch eini- gen Fuß fort ſetzen. Und als ſie ihn fragen: Warum er nit nach- kaͤme/ gab er zur Antwort: Er ſehe uͤbeꝛ der Thuͤr Chriſtum/ den Heyland der Chriſten/ am Creutze hangẽ und weil er kein Chri- ſte/ ſondern ein Juͤde were/ ſo were ihm unmuͤglich uͤber die Schwelle zu ſchreiten/ hat ſich alsbald tauffen laſſen und iſt auch ein Chriſte worden/ alsdenn er hernach auch freudiges Gemuͤthes und ungehindert durch dieſe Pforte und auf den heiligen Berg Sinai gehen koͤnnen. Um welches wunders wil- len ſich noch biß auf den heutigen Tag kein Juͤde unterſtehet zuverſuchen/ daß er durch dieſe Pforte begehrte auf den Berg Sinai zu gehen/ die anders Wiſſenſchafft darum haben. Von dieſer Thuͤr etwas weiter hinauf iſt wieder eine an- dere

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Zitationshilfe: Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666. , S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666/212>, abgerufen am 24.11.2024.