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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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von Museis insgemein.
nem andern in der Welt mehr verlangen. Der weise König Salomon
aber stellet die Früchte vor, welche auf dieses elende Vergnügen folgen.
Wo ist Weh? Wo ist Leid? Wo ist Zanck? Wo sind Klagen?
Wo sind Wunden ohn Ursach? Wo sind rothe Augen? Nemlich
wo man beym Weine sitzt, und kommt auszusauffen, was einge-
schenckt ist etc.
Proverb. Salom. cap. 23. An einem andern Ort aber stellet
dieser König die Herrlichkeit derjenigen vor, welche sich zur wahren Weis-
heit und nützlichen Wissenschafften halten. Zuvor aber müssen wir wissen,
was durch rechte Weisheit verstanden werde. Die Welt nennet und hält
das für Weisheit, wenn einer in der Politique wohl studiret hat, den Mantel
nach dem Winde zu drehen, zu schmeicheln, und a la mode zu leben weiß-
Ob Salomon hier aber eine solche Weisheit will verstanden haben, daran
zweifle ich fast, ich halte vielmehr dafür, daß er durch die in seinen Sprü-
chen und Prediger so offt und viel recommendirte Erlernung der Weisheit
allein diejenige verstehet, welche den Menschen von der Thorheit und Unwis-
senheit zur rechten Erkänntniß und Begriff des Göttlichen Wesens bringet.
Denn die Weisheit Salomonis wird gepriesen, daß er in der Natur eine
grosse Wissenschafft gehabt, wie ausdrücklich im 1. B. K. Cap. 4. v. 30. etc.
zu lesen. Darinn bestehet also unwidersprechlich die wahre Weisheit, weil
wir durch die Natur-Erkänntniß zu GOtt, als das einige Ziel und Endzweck
unsers gantzen Lebens, geführet werden. Diese Weisheit lobet nun der Kö-
nig im 3. Cap. seiner Sprüche mit diesen Worten: Wohl dem Men-
schen, der Weisheit findet, und dem Menschen, der Verstand be-
kommt. Denn es ist besser um sie handthieren, weder um Silber,
und ihr Einkommen ist besser denn Gold; sie ist edler denn Perlen,
und alles, was du wünschen magst, ihr ist nicht zu gleichen etc.

Welcher vernünfftiger und Weisheit-liebender Mensch wolte nun nicht ein
hertzliches Belieben an solchen Orten und Kammern haben, da man unge-
hindert aus guten und nützlichen Schrifften weiser Männer die Thaten und
allmächtige Hand des wunderbaren GOttes, als welche man vornemlich in
der Physica oder Natur-Betrachtung lernen kan, erkennet: Noch mehr
aber kan ihm dieser Begriff deutlicher und kräfftiger eingedrucket werden,
wenn er dabey hat eine Versammlung allerley natürlicher Wunder in Ori-
ginal,
aus weit entlegenen Orten der Welt, oder einheimische, aber doch sel-
ten vorkommende, ingleichen unterschiedliche künstlich-ausgearbeitete Na-
turalien, die zwar gleicher Gestalt ihren Ursprung aus der Natur an und vor
sich haben, durch die von GOtt in den Menschen gelegte Kunst aber unsern
Augen desto angenehmer vorkommen. Ein solcher Ort wird insgemein ein

Mu-
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von Muſeis insgemein.
nem andern in der Welt mehr verlangen. Der weiſe Koͤnig Salomon
aber ſtellet die Fruͤchte vor, welche auf dieſes elende Vergnuͤgen folgen.
Wo iſt Weh? Wo iſt Leid? Wo iſt Zanck? Wo ſind Klagen?
Wo ſind Wunden ohn Urſach? Wo ſind rothe Augen? Nemlich
wo man beym Weine ſitzt, und kommt auszuſauffen, was einge-
ſchenckt iſt ꝛc.
Proverb. Salom. cap. 23. An einem andern Ort aber ſtellet
dieſer Koͤnig die Herrlichkeit derjenigen vor, welche ſich zur wahren Weis-
heit und nuͤtzlichen Wiſſenſchafften halten. Zuvor aber muͤſſen wir wiſſen,
was durch rechte Weisheit verſtanden werde. Die Welt nennet und haͤlt
das fuͤr Weisheit, wenn einer in der Politique wohl ſtudiret hat, den Mantel
nach dem Winde zu drehen, zu ſchmeicheln, und a la mode zu leben weiß-
Ob Salomon hier aber eine ſolche Weisheit will verſtanden haben, daran
zweifle ich faſt, ich halte vielmehr dafuͤr, daß er durch die in ſeinen Spruͤ-
chen und Prediger ſo offt und viel recommendirte Erlernung der Weisheit
allein diejenige verſtehet, welche den Menſchen von der Thorheit und Unwiſ-
ſenheit zur rechten Erkaͤnntniß und Begriff des Goͤttlichen Weſens bringet.
Denn die Weisheit Salomonis wird geprieſen, daß er in der Natur eine
groſſe Wiſſenſchafft gehabt, wie ausdruͤcklich im 1. B. K. Cap. 4. v. 30. ꝛc.
zu leſen. Darinn beſtehet alſo unwiderſprechlich die wahre Weisheit, weil
wir durch die Natur-Erkaͤnntniß zu GOtt, als das einige Ziel und Endzweck
unſers gantzen Lebens, gefuͤhret werden. Dieſe Weisheit lobet nun der Koͤ-
nig im 3. Cap. ſeiner Spruͤche mit dieſen Worten: Wohl dem Men-
ſchen, der Weisheit findet, und dem Menſchen, der Verſtand be-
kommt. Denn es iſt beſſer um ſie handthieren, weder um Silber,
und ihr Einkommen iſt beſſer denn Gold; ſie iſt edler denn Perlen,
und alles, was du wuͤnſchen magſt, ihr iſt nicht zu gleichen ꝛc.

Welcher vernuͤnfftiger und Weisheit-liebender Menſch wolte nun nicht ein
hertzliches Belieben an ſolchen Orten und Kammern haben, da man unge-
hindert aus guten und nuͤtzlichen Schrifften weiſer Maͤnner die Thaten und
allmaͤchtige Hand des wunderbaren GOttes, als welche man vornemlich in
der Phyſica oder Natur-Betrachtung lernen kan, erkennet: Noch mehr
aber kan ihm dieſer Begriff deutlicher und kraͤfftiger eingedrucket werden,
wenn er dabey hat eine Verſammlung allerley natuͤrlicher Wunder in Ori-
ginal,
aus weit entlegenen Orten der Welt, oder einheimiſche, aber doch ſel-
ten vorkommende, ingleichen unterſchiedliche kuͤnſtlich-ausgearbeitete Na-
turalien, die zwar gleicher Geſtalt ihren Urſprung aus der Natur an und vor
ſich haben, durch die von GOtt in den Menſchen gelegte Kunſt aber unſern
Augen deſto angenehmer vorkommen. Ein ſolcher Ort wird insgemein ein

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[449/0477] von Muſeis insgemein. nem andern in der Welt mehr verlangen. Der weiſe Koͤnig Salomon aber ſtellet die Fruͤchte vor, welche auf dieſes elende Vergnuͤgen folgen. Wo iſt Weh? Wo iſt Leid? Wo iſt Zanck? Wo ſind Klagen? Wo ſind Wunden ohn Urſach? Wo ſind rothe Augen? Nemlich wo man beym Weine ſitzt, und kommt auszuſauffen, was einge- ſchenckt iſt ꝛc. Proverb. Salom. cap. 23. An einem andern Ort aber ſtellet dieſer Koͤnig die Herrlichkeit derjenigen vor, welche ſich zur wahren Weis- heit und nuͤtzlichen Wiſſenſchafften halten. Zuvor aber muͤſſen wir wiſſen, was durch rechte Weisheit verſtanden werde. Die Welt nennet und haͤlt das fuͤr Weisheit, wenn einer in der Politique wohl ſtudiret hat, den Mantel nach dem Winde zu drehen, zu ſchmeicheln, und a la mode zu leben weiß- Ob Salomon hier aber eine ſolche Weisheit will verſtanden haben, daran zweifle ich faſt, ich halte vielmehr dafuͤr, daß er durch die in ſeinen Spruͤ- chen und Prediger ſo offt und viel recommendirte Erlernung der Weisheit allein diejenige verſtehet, welche den Menſchen von der Thorheit und Unwiſ- ſenheit zur rechten Erkaͤnntniß und Begriff des Goͤttlichen Weſens bringet. Denn die Weisheit Salomonis wird geprieſen, daß er in der Natur eine groſſe Wiſſenſchafft gehabt, wie ausdruͤcklich im 1. B. K. Cap. 4. v. 30. ꝛc. zu leſen. Darinn beſtehet alſo unwiderſprechlich die wahre Weisheit, weil wir durch die Natur-Erkaͤnntniß zu GOtt, als das einige Ziel und Endzweck unſers gantzen Lebens, gefuͤhret werden. Dieſe Weisheit lobet nun der Koͤ- nig im 3. Cap. ſeiner Spruͤche mit dieſen Worten: Wohl dem Men- ſchen, der Weisheit findet, und dem Menſchen, der Verſtand be- kommt. Denn es iſt beſſer um ſie handthieren, weder um Silber, und ihr Einkommen iſt beſſer denn Gold; ſie iſt edler denn Perlen, und alles, was du wuͤnſchen magſt, ihr iſt nicht zu gleichen ꝛc. Welcher vernuͤnfftiger und Weisheit-liebender Menſch wolte nun nicht ein hertzliches Belieben an ſolchen Orten und Kammern haben, da man unge- hindert aus guten und nuͤtzlichen Schrifften weiſer Maͤnner die Thaten und allmaͤchtige Hand des wunderbaren GOttes, als welche man vornemlich in der Phyſica oder Natur-Betrachtung lernen kan, erkennet: Noch mehr aber kan ihm dieſer Begriff deutlicher und kraͤfftiger eingedrucket werden, wenn er dabey hat eine Verſammlung allerley natuͤrlicher Wunder in Ori- ginal, aus weit entlegenen Orten der Welt, oder einheimiſche, aber doch ſel- ten vorkommende, ingleichen unterſchiedliche kuͤnſtlich-ausgearbeitete Na- turalien, die zwar gleicher Geſtalt ihren Urſprung aus der Natur an und vor ſich haben, durch die von GOtt in den Menſchen gelegte Kunſt aber unſern Augen deſto angenehmer vorkommen. Ein ſolcher Ort wird insgemein ein Mu- L l l

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/477>, abgerufen am 22.11.2024.