Der wird ein Krieges-Held, und hebt bey seinen Thaten Die Augen Himmel-hoch zun Göttern zu gerathen, Ein andrer forschet nach, wie nahe ihm verwandt, Der Himmel und Gestirn, weil da sein Vaterland.
Was den andern Punct anbetrifft, nemlich die zu Erbauung im Chri- stenthum so nöthig- als nützlichen Natur-Betrachtung, so haben wir im vorgehenden gesehen, wie der Mensch darzu von GOtt auch nach dem Ver- lust des Göttlichen Ebenbildes, dennoch, nicht nur allein das Vermögen empfangen, sondern auch einen innerlichen Trieb, (welcher noch seinen Ur- sprung aus der vormaligen Vollkommenheit darinnen hat,) von selbsten habe. Natura humana novitatis avida, oder ein ieder Mensch mag von Natur gerne was Neues wissen; ist schon ein altes und bekandtes, aber auch wahres Sprichwort. Denn von Kindes-Beinen an, und so bald wir nur uns etwas bewegen können, wird unsere kindliche Unruhe befriedigt, wann uns die Mütter einige Ringlein oder Glöcklein zum Spielen geben; dieser Zeit-Vertreib stillet uns so lange, bis wir derselben müde geworden sind, da wollen wir denn schon was bessers haben und so accommodiret man uns denn mit einer Puppe. Werden wir denn allgemach grösser, so ist diß auch noch nicht genug, sondern da müssen allerhand Nürnberger-Raritäten und Spiel-Zeug herbey, die ergötzen uns denn auch so lange, und sonderlich zur Weihnacht-Abends-Zeit, nach welchen lieben Abend wir manchmal wol oft ein halbes Jahr vorher mit sehnlichem Verlangen warten, bis wir denn endlich die Kinder-Schuhe abgelegt, und zu verständigen Jahren kommen; da will uns solcher Kram auch nicht mehr gefallen, sondern alsdann fangen wir erst an, uns einen rechten Begriff von nützlichern Sachen zu machen, wir lesen entweder selber, oder wir hören alsdenn von weit bessern Raritäten reden; sind es künstliche, ey so gedencken wir, ich möchte doch gerne sehen, wie künstl. und subtil des Meisters Hand darbey gewesen: Sind es aber natürl. so steiget auch sofort bey uns eine Begierde auf, und gedencken, ich möchte wol einmal sehen, wie diß oder jenes, das Thier, der Vogel oder Fisch, das Gewächs, solche in Stein und dergleichen für ein Ansehen hat oder beschaffen ist. Also wächset die innerliche Zuneigung zu allerley raren und uns unbekandten oder nur selten vorkommenden Dingen auch zugleich mit uns von der zarten Kindheit auf. Und von dieser innerlichen Empfindlichkeit ist fast kein Mensch, er sey wer er wolle, ausgeschlossen, doch eben nicht bey allen in gleicher Masse, zu- malen manches freches, flüchtiges, oder auch allzu träges und zur Liederlich- keit geneigtes Gemüth, offtmals sehr kaltsinnig um rare Dinge bekümmert ist. Doch findet man auch wiederum im Gegentheil andere solide und tu-
gend-
IV. Theil Anmerckungen
Der wird ein Krieges-Held, und hebt bey ſeinen Thaten Die Augen Himmel-hoch zun Goͤttern zu gerathen, Ein andrer forſchet nach, wie nahe ihm verwandt, Der Himmel und Geſtirn, weil da ſein Vaterland.
Was den andern Punct anbetrifft, nemlich die zu Erbauung im Chri- ſtenthum ſo noͤthig- als nuͤtzlichen Natur-Betrachtung, ſo haben wir im vorgehenden geſehen, wie der Menſch darzu von GOtt auch nach dem Ver- luſt des Goͤttlichen Ebenbildes, dennoch, nicht nur allein das Vermoͤgen empfangen, ſondern auch einen innerlichen Trieb, (welcher noch ſeinen Ur- ſprung aus der vormaligen Vollkommenheit darinnen hat,) von ſelbſten habe. Natura humana novitatis avida, oder ein ieder Menſch mag von Natur gerne was Neues wiſſen; iſt ſchon ein altes und bekandtes, aber auch wahres Sprichwort. Denn von Kindes-Beinen an, und ſo bald wir nur uns etwas bewegen koͤnnen, wird unſere kindliche Unruhe befriedigt, wann uns die Muͤtter einige Ringlein oder Gloͤcklein zum Spielen geben; dieſer Zeit-Vertreib ſtillet uns ſo lange, bis wir derſelben muͤde geworden ſind, da wollen wir denn ſchon was beſſers haben und ſo accommodiret man uns denn mit einer Puppe. Werden wir denn allgemach groͤſſer, ſo iſt diß auch noch nicht genug, ſondern da muͤſſen allerhand Nuͤrnberger-Raritaͤten und Spiel-Zeug herbey, die ergoͤtzen uns denn auch ſo lange, und ſonderlich zur Weihnacht-Abends-Zeit, nach welchen lieben Abend wir manchmal wol oft ein halbes Jahr voꝛher mit ſehnlichem Veꝛlangen warten, bis wir deñ endlich die Kinder-Schuhe abgelegt, und zu verſtaͤndigen Jahren kommen; da will uns ſolcher Kram auch nicht mehr gefallen, ſondern alsdann fangen wir erſt an, uns einen rechten Begriff von nuͤtzlichern Sachen zu machen, wir leſen entweder ſelber, oder wir hoͤren alsdenn von weit beſſern Raritaͤten reden; ſind es kuͤnſtliche, ey ſo gedencken wir, ich moͤchte doch gerne ſehen, wie kuͤnſtl. und ſubtil des Meiſters Hand darbey geweſen: Sind es aber natuͤrl. ſo ſteiget auch ſofort bey uns eine Begierde auf, und gedencken, ich moͤchte wol einmal ſehen, wie diß oder jenes, das Thier, der Vogel oder Fiſch, das Gewaͤchs, ſolche in Stein und dergleichen fuͤr ein Anſehen hat oder beſchaffen iſt. Alſo waͤchſet die innerliche Zuneigung zu allerley raren und uns unbekandten oder nur ſelten vorkom̃enden Dingen auch zugleich mit uns von der zarten Kindheit auf. Und von dieſer innerlichen Empfindlichkeit iſt faſt kein Menſch, er ſey wer er wolle, ausgeſchloſſen, doch eben nicht bey allen in gleicher Maſſe, zu- malen manches freches, fluͤchtiges, oder auch allzu traͤges und zur Liederlich- keit geneigtes Gemuͤth, offtmals ſehr kaltſinnig um rare Dinge bekuͤmmert iſt. Doch findet man auch wiederum im Gegentheil andere ſolide und tu-
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IV. Theil Anmerckungen
Der wird ein Krieges-Held, und hebt bey ſeinen Thaten
Die Augen Himmel-hoch zun Goͤttern zu gerathen,
Ein andrer forſchet nach, wie nahe ihm verwandt,
Der Himmel und Geſtirn, weil da ſein Vaterland.
Was den andern Punct anbetrifft, nemlich die zu Erbauung im Chri-
ſtenthum ſo noͤthig- als nuͤtzlichen Natur-Betrachtung, ſo haben wir im
vorgehenden geſehen, wie der Menſch darzu von GOtt auch nach dem Ver-
luſt des Goͤttlichen Ebenbildes, dennoch, nicht nur allein das Vermoͤgen
empfangen, ſondern auch einen innerlichen Trieb, (welcher noch ſeinen Ur-
ſprung aus der vormaligen Vollkommenheit darinnen hat,) von ſelbſten
habe. Natura humana novitatis avida, oder ein ieder Menſch mag von
Natur gerne was Neues wiſſen; iſt ſchon ein altes und bekandtes, aber auch
wahres Sprichwort. Denn von Kindes-Beinen an, und ſo bald wir nur
uns etwas bewegen koͤnnen, wird unſere kindliche Unruhe befriedigt, wann
uns die Muͤtter einige Ringlein oder Gloͤcklein zum Spielen geben; dieſer
Zeit-Vertreib ſtillet uns ſo lange, bis wir derſelben muͤde geworden ſind, da
wollen wir denn ſchon was beſſers haben und ſo accommodiret man uns
denn mit einer Puppe. Werden wir denn allgemach groͤſſer, ſo iſt diß auch
noch nicht genug, ſondern da muͤſſen allerhand Nuͤrnberger-Raritaͤten und
Spiel-Zeug herbey, die ergoͤtzen uns denn auch ſo lange, und ſonderlich zur
Weihnacht-Abends-Zeit, nach welchen lieben Abend wir manchmal wol oft
ein halbes Jahr voꝛher mit ſehnlichem Veꝛlangen warten, bis wir deñ endlich
die Kinder-Schuhe abgelegt, und zu verſtaͤndigen Jahren kommen; da will
uns ſolcher Kram auch nicht mehr gefallen, ſondern alsdann fangen wir erſt
an, uns einen rechten Begriff von nuͤtzlichern Sachen zu machen, wir leſen
entweder ſelber, oder wir hoͤren alsdenn von weit beſſern Raritaͤten reden;
ſind es kuͤnſtliche, ey ſo gedencken wir, ich moͤchte doch gerne ſehen, wie kuͤnſtl.
und ſubtil des Meiſters Hand darbey geweſen: Sind es aber natuͤrl. ſo ſteiget
auch ſofort bey uns eine Begierde auf, und gedencken, ich moͤchte wol einmal
ſehen, wie diß oder jenes, das Thier, der Vogel oder Fiſch, das Gewaͤchs,
ſolche in Stein und dergleichen fuͤr ein Anſehen hat oder beſchaffen iſt. Alſo
waͤchſet die innerliche Zuneigung zu allerley raren und uns unbekandten oder
nur ſelten vorkom̃enden Dingen auch zugleich mit uns von der zarten Kindheit
auf. Und von dieſer innerlichen Empfindlichkeit iſt faſt kein Menſch, er ſey
wer er wolle, ausgeſchloſſen, doch eben nicht bey allen in gleicher Maſſe, zu-
malen manches freches, fluͤchtiges, oder auch allzu traͤges und zur Liederlich-
keit geneigtes Gemuͤth, offtmals ſehr kaltſinnig um rare Dinge bekuͤmmert
iſt. Doch findet man auch wiederum im Gegentheil andere ſolide und tu-
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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/472>, abgerufen am 25.11.2024.
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