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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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von Museis insgemein.
Adam muß Zweifels ohne bey dieser Austheilung so vielerley Namen eine
solche vollkommne und offenbare Einsicht in die Natur gehabt haben, wel-
che eben heute zu Tage von so manchem Physico oder Natur-kündiger müh-
sam und unersättlich begrübelt wird. So leicht und angenehm aber diese
ihm von GOtt eingepflantzte Wissenschafft im Stande seiner Gerechtigkeit
gewesen, desto schwerer und mühsamer ist solche gleich nach übertretenem Ge-
bote ihm und seinen Nachkommen geworden. Hie möchte aber mancher
fragen, was die Natur sey? So klein und kurtz diese Frage ist, so man-
nichfaltig und unterschieden sind doch der Gelehrten Meynungen darüber. Die
Philosophi sagen: Die Natur ist der Anfang aller Bewegung und Ruhe
in den natürlichen Dingen; oder: Die Natur ist dasjenige, welches einem
ieglichen Dinge seine unterschiedliche Eigenschafften giebet; oder: Die
Natur ist die eingepflantzte Krafft und Ursache, die alle Dinge gemacht und
erhält. Die Medici sprechen: Die Natur ist die Krafft und Zuneigung
eines ieglichen Gemüths: Die Natur ist die angebohrne und eingepflantzte
Geschicklichkeit aller Dinge: Die Natur ist die Vermischung und Ge-
schicklichkeit der vier Elementen, in allen Dingen. Noch andre haben von
ihr diese Meynung, nemlich: Daß die Natur sey die Ordnung und Ge-
schicklichkeit der Göttlichen Wercke, welche seiner allmächtigen Gewalt un-
terworffen, nach demselben sich richte, und von ihm alle Kräffte entlehne;
oder sie halten das Wesen der Natur als Praesentiam Dei generalem, da-
durch nicht allein alle natürliche Dinge geschaffen, sondern auch noch erhal-
ten, geführet und geleitet werden; ingleichen die natürliche Wercke sind
Göttliche Wercke, als welche durch seine eingesetzte Ordnung, ohne alle un-
sere Kunst und Gewohnheit, stets, oder doch meisten theils, offt gleicher Wei-
se, nach iedes Art oder Natur, geschehen und würcken.

So unterschieden diese Meynungen von der Natur den Worten nach
sind, so gehet doch der meisten Endschluß dahin aus, daß nemlich die Natur
und alle natürliche Wercke zu ihrem rechten Quell und Ursprung einig und
allein GOttes allmächtiges und gegenwärtiges Wesen habe. Wenn dem-
nach die Natur so ein edles Ding ist, was wollen wir uns denn viel verwun-
dern, warum uns die Lust zu deren Betrachtung fast angebohren, und in uns
gepflantzet ist? Deun

Was kan den Menschen mehr in dieser Welt ergötzen,
Als wenn er recht betracht die edle Creatur?
Was kan die Seele mehr in Freud und Wunder setzen,
Als wann sie siehet an das Wesen der Natur?
O!
J i i 2

von Muſeis insgemein.
Adam muß Zweifels ohne bey dieſer Austheilung ſo vielerley Namen eine
ſolche vollkommne und offenbare Einſicht in die Natur gehabt haben, wel-
che eben heute zu Tage von ſo manchem Phyſico oder Natur-kuͤndiger muͤh-
ſam und unerſaͤttlich begruͤbelt wird. So leicht und angenehm aber dieſe
ihm von GOtt eingepflantzte Wiſſenſchafft im Stande ſeiner Gerechtigkeit
geweſen, deſto ſchwerer und muͤhſamer iſt ſolche gleich nach uͤbertretenem Ge-
bote ihm und ſeinen Nachkommen geworden. Hie moͤchte aber mancher
fragen, was die Natur ſey? So klein und kurtz dieſe Frage iſt, ſo man-
nichfaltig und unterſchieden ſind doch der Gelehrten Meynungen daꝛuͤber. Die
Philoſophi ſagen: Die Natur iſt der Anfang aller Bewegung und Ruhe
in den natuͤrlichen Dingen; oder: Die Natur iſt dasjenige, welches einem
ieglichen Dinge ſeine unterſchiedliche Eigenſchafften giebet; oder: Die
Natur iſt die eingepflantzte Krafft und Urſache, die alle Dinge gemacht und
erhaͤlt. Die Medici ſprechen: Die Natur iſt die Krafft und Zuneigung
eines ieglichen Gemuͤths: Die Natur iſt die angebohrne und eingepflantzte
Geſchicklichkeit aller Dinge: Die Natur iſt die Vermiſchung und Ge-
ſchicklichkeit der vier Elementen, in allen Dingen. Noch andre haben von
ihr dieſe Meynung, nemlich: Daß die Natur ſey die Ordnung und Ge-
ſchicklichkeit der Goͤttlichen Wercke, welche ſeiner allmaͤchtigen Gewalt un-
terworffen, nach demſelben ſich richte, und von ihm alle Kraͤffte entlehne;
oder ſie halten das Weſen der Natur als Præſentiam Dei generalem, da-
durch nicht allein alle natuͤrliche Dinge geſchaffen, ſondern auch noch erhal-
ten, gefuͤhret und geleitet werden; ingleichen die natuͤrliche Wercke ſind
Goͤttliche Wercke, als welche durch ſeine eingeſetzte Ordnung, ohne alle un-
ſere Kunſt und Gewohnheit, ſtets, oder doch meiſten theils, offt gleicher Wei-
ſe, nach iedes Art oder Natur, geſchehen und wuͤrcken.

So unterſchieden dieſe Meynungen von der Natur den Worten nach
ſind, ſo gehet doch der meiſten Endſchluß dahin aus, daß nemlich die Natur
und alle natuͤrliche Wercke zu ihrem rechten Quell und Urſprung einig und
allein GOttes allmaͤchtiges und gegenwaͤrtiges Weſen habe. Wenn dem-
nach die Natur ſo ein edles Ding iſt, was wollen wir uns denn viel verwun-
dern, warum uns die Luſt zu deren Betrachtung faſt angebohren, und in uns
gepflantzet iſt? Deun

Was kan den Menſchen mehr in dieſer Welt ergoͤtzen,
Als wenn er recht betracht die edle Creatur?
Was kan die Seele mehr in Freud und Wunder ſetzen,
Als wann ſie ſiehet an das Weſen der Natur?
O!
J i i 2
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[435/0463] von Muſeis insgemein. Adam muß Zweifels ohne bey dieſer Austheilung ſo vielerley Namen eine ſolche vollkommne und offenbare Einſicht in die Natur gehabt haben, wel- che eben heute zu Tage von ſo manchem Phyſico oder Natur-kuͤndiger muͤh- ſam und unerſaͤttlich begruͤbelt wird. So leicht und angenehm aber dieſe ihm von GOtt eingepflantzte Wiſſenſchafft im Stande ſeiner Gerechtigkeit geweſen, deſto ſchwerer und muͤhſamer iſt ſolche gleich nach uͤbertretenem Ge- bote ihm und ſeinen Nachkommen geworden. Hie moͤchte aber mancher fragen, was die Natur ſey? So klein und kurtz dieſe Frage iſt, ſo man- nichfaltig und unterſchieden ſind doch der Gelehrten Meynungen daꝛuͤber. Die Philoſophi ſagen: Die Natur iſt der Anfang aller Bewegung und Ruhe in den natuͤrlichen Dingen; oder: Die Natur iſt dasjenige, welches einem ieglichen Dinge ſeine unterſchiedliche Eigenſchafften giebet; oder: Die Natur iſt die eingepflantzte Krafft und Urſache, die alle Dinge gemacht und erhaͤlt. Die Medici ſprechen: Die Natur iſt die Krafft und Zuneigung eines ieglichen Gemuͤths: Die Natur iſt die angebohrne und eingepflantzte Geſchicklichkeit aller Dinge: Die Natur iſt die Vermiſchung und Ge- ſchicklichkeit der vier Elementen, in allen Dingen. Noch andre haben von ihr dieſe Meynung, nemlich: Daß die Natur ſey die Ordnung und Ge- ſchicklichkeit der Goͤttlichen Wercke, welche ſeiner allmaͤchtigen Gewalt un- terworffen, nach demſelben ſich richte, und von ihm alle Kraͤffte entlehne; oder ſie halten das Weſen der Natur als Præſentiam Dei generalem, da- durch nicht allein alle natuͤrliche Dinge geſchaffen, ſondern auch noch erhal- ten, gefuͤhret und geleitet werden; ingleichen die natuͤrliche Wercke ſind Goͤttliche Wercke, als welche durch ſeine eingeſetzte Ordnung, ohne alle un- ſere Kunſt und Gewohnheit, ſtets, oder doch meiſten theils, offt gleicher Wei- ſe, nach iedes Art oder Natur, geſchehen und wuͤrcken. So unterſchieden dieſe Meynungen von der Natur den Worten nach ſind, ſo gehet doch der meiſten Endſchluß dahin aus, daß nemlich die Natur und alle natuͤrliche Wercke zu ihrem rechten Quell und Urſprung einig und allein GOttes allmaͤchtiges und gegenwaͤrtiges Weſen habe. Wenn dem- nach die Natur ſo ein edles Ding iſt, was wollen wir uns denn viel verwun- dern, warum uns die Luſt zu deren Betrachtung faſt angebohren, und in uns gepflantzet iſt? Deun Was kan den Menſchen mehr in dieſer Welt ergoͤtzen, Als wenn er recht betracht die edle Creatur? Was kan die Seele mehr in Freud und Wunder ſetzen, Als wann ſie ſiehet an das Weſen der Natur? O! J i i 2

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/463>, abgerufen am 25.11.2024.