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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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von Museis insgemein.
Händewercke, vom grösten bis zum kleinsten, vom höchsten bis zum gering-
sten, als eine Rarität anzusehen? Daher jener Poet recht und wohl ge-
sprochen:

Nichts ist in der Welt so schlecht, von des Höchsten Hand gegeben,
Das nicht seine Absicht hätt zu der Menschen Nutz und Leben,
Drum muß auch ein Gräselein
Seines Schöpffers Lobspruch seyn.

Weil es aber dem weisen GOTT nach seiner unerforschlichen Weis-
heit so beliebet hat, daß er ein iedes Land und Ort nicht aller Gaben vollkom-
men allein theilhafftig gemacht, sondern es so weislich angeordnet, daß im-
mer einer des andern Mangel ersetzet, deßwegen ein andrer Poet sagt:

Hic segetes, illic veniunt felicius uvae:
India mittit ebur, molles sua thura Sabaei,

Das ist:

Hier wächst Getreide gern, dort brüstet sich die Traube,
Da steht das Lämmer-Volck, dort prangt der Wald mit Laube:
Aus Jndien bringt man Gold, Silber, Helffenbein;
Bey Saba sammlet man den besten Weihrauch ein.

Um dessentwillen, sage ich, nennet man dergleichen Göttliche Geschöpf-
fe um so viel mehr eine Rarität, welche wir in unsern Grentzen nur selten oder
gar nicht finden, oder zu sehen bekommen, und deßwegen erst aus ferne von uns
entlegenen Oertern zu uns müssen bringen lassen. Was nun bey uns am
bekandtesten und gemeinsten, ist im Gegentheil bey jenen wiederum eine hoch-
geachtete Rarität. Zum Exempel wir aestimiren einen aus Jndien zu uns
gebrachten also genannten Raben für ein köstliches Thier; warum aber?
Zum Theil wegen seiner schönen Federn, am allermeisten aber weil sein Va-
terland ein weit von uns entlegenes Jndien ist, und folglich wir nur gar sel-
ten einen dergleichen Vogel zu sehen bekommen. Wer weiß aber, ob nicht
ein bey uns so verachteter schwartzer Rabe eben eine solche Rarität in
Jndien seyn möchte? Das bin ich aber versichert, daß, wann einer unserer
prächtig-gezierten Pfauen in Jndien käme, die Einwohner daselbst nicht
allein gerne ihre allerschönsten Vögel dafür vertauschen würden, sondern ich
wolte schier wetten, ein und andrer Jndianer möchte noch wol aus demü-
thigem Respect für sein majestätisch Ansehen einen Fußfall vor demselben
thun, wie man dergleichen Exempel bey gewissen Historicis von einem Hun-
de lieset, so aber wol mehr aus Furcht als Respect geschehen. Noch eines
dergleichen von Artificialibus zu melden, zum Beweis, daß es mit denen
Kunst-Sachen eine gleiche Bewandtniß habe: Man bringet nemlich nach

den
G g g

von Muſeis insgemein.
Haͤndewercke, vom groͤſten bis zum kleinſten, vom hoͤchſten bis zum gering-
ſten, als eine Raritaͤt anzuſehen? Daher jener Poet recht und wohl ge-
ſprochen:

Nichts iſt in der Welt ſo ſchlecht, von des Hoͤchſten Hand gegeben,
Das nicht ſeine Abſicht haͤtt zu der Menſchen Nutz und Leben,
Drum muß auch ein Graͤſelein
Seines Schoͤpffers Lobſpruch ſeyn.

Weil es aber dem weiſen GOTT nach ſeiner unerforſchlichen Weis-
heit ſo beliebet hat, daß er ein iedes Land und Ort nicht aller Gaben vollkom-
men allein theilhafftig gemacht, ſondern es ſo weislich angeordnet, daß im-
mer einer des andern Mangel erſetzet, deßwegen ein andrer Poet ſagt:

Hic ſegetes, illic veniunt felicius uvæ:
India mittit ebur, molles ſua thura Sabæi,

Das iſt:

Hier waͤchſt Getreide gern, dort bruͤſtet ſich die Traube,
Da ſteht das Laͤmmer-Volck, dort prangt der Wald mit Laube:
Aus Jndien bringt man Gold, Silber, Helffenbein;
Bey Saba ſammlet man den beſten Weihrauch ein.

Um deſſentwillen, ſage ich, nennet man dergleichen Goͤttliche Geſchoͤpf-
fe um ſo viel mehr eine Raritaͤt, welche wir in unſern Grentzen nur ſelten oder
gar nicht finden, oder zu ſehen bekommen, und deßwegen erſt aus ferne von uns
entlegenen Oertern zu uns muͤſſen bringen laſſen. Was nun bey uns am
bekandteſten und gemeinſten, iſt im Gegentheil bey jenen wiederum eine hoch-
geachtete Raritaͤt. Zum Exempel wir æſtimiren einen aus Jndien zu uns
gebrachten alſo genannten Raben fuͤr ein koͤſtliches Thier; warum aber?
Zum Theil wegen ſeiner ſchoͤnen Federn, am allermeiſten aber weil ſein Va-
terland ein weit von uns entlegenes Jndien iſt, und folglich wir nur gar ſel-
ten einen dergleichen Vogel zu ſehen bekommen. Wer weiß aber, ob nicht
ein bey uns ſo verachteter ſchwartzer Rabe eben eine ſolche Raritaͤt in
Jndien ſeyn moͤchte? Das bin ich aber verſichert, daß, wann einer unſerer
praͤchtig-gezierten Pfauen in Jndien kaͤme, die Einwohner daſelbſt nicht
allein gerne ihre allerſchoͤnſten Voͤgel dafuͤr vertauſchen wuͤrden, ſondern ich
wolte ſchier wetten, ein und andrer Jndianer moͤchte noch wol aus demuͤ-
thigem Reſpect fuͤr ſein majeſtaͤtiſch Anſehen einen Fußfall vor demſelben
thun, wie man dergleichen Exempel bey gewiſſen Hiſtoricis von einem Hun-
de lieſet, ſo aber wol mehr aus Furcht als Reſpect geſchehen. Noch eines
dergleichen von Artificialibus zu melden, zum Beweis, daß es mit denen
Kunſt-Sachen eine gleiche Bewandtniß habe: Man bringet nemlich nach

den
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[417/0445] von Muſeis insgemein. Haͤndewercke, vom groͤſten bis zum kleinſten, vom hoͤchſten bis zum gering- ſten, als eine Raritaͤt anzuſehen? Daher jener Poet recht und wohl ge- ſprochen: Nichts iſt in der Welt ſo ſchlecht, von des Hoͤchſten Hand gegeben, Das nicht ſeine Abſicht haͤtt zu der Menſchen Nutz und Leben, Drum muß auch ein Graͤſelein Seines Schoͤpffers Lobſpruch ſeyn. Weil es aber dem weiſen GOTT nach ſeiner unerforſchlichen Weis- heit ſo beliebet hat, daß er ein iedes Land und Ort nicht aller Gaben vollkom- men allein theilhafftig gemacht, ſondern es ſo weislich angeordnet, daß im- mer einer des andern Mangel erſetzet, deßwegen ein andrer Poet ſagt: Hic ſegetes, illic veniunt felicius uvæ: India mittit ebur, molles ſua thura Sabæi, Das iſt: Hier waͤchſt Getreide gern, dort bruͤſtet ſich die Traube, Da ſteht das Laͤmmer-Volck, dort prangt der Wald mit Laube: Aus Jndien bringt man Gold, Silber, Helffenbein; Bey Saba ſammlet man den beſten Weihrauch ein. Um deſſentwillen, ſage ich, nennet man dergleichen Goͤttliche Geſchoͤpf- fe um ſo viel mehr eine Raritaͤt, welche wir in unſern Grentzen nur ſelten oder gar nicht finden, oder zu ſehen bekommen, und deßwegen erſt aus ferne von uns entlegenen Oertern zu uns muͤſſen bringen laſſen. Was nun bey uns am bekandteſten und gemeinſten, iſt im Gegentheil bey jenen wiederum eine hoch- geachtete Raritaͤt. Zum Exempel wir æſtimiren einen aus Jndien zu uns gebrachten alſo genannten Raben fuͤr ein koͤſtliches Thier; warum aber? Zum Theil wegen ſeiner ſchoͤnen Federn, am allermeiſten aber weil ſein Va- terland ein weit von uns entlegenes Jndien iſt, und folglich wir nur gar ſel- ten einen dergleichen Vogel zu ſehen bekommen. Wer weiß aber, ob nicht ein bey uns ſo verachteter ſchwartzer Rabe eben eine ſolche Raritaͤt in Jndien ſeyn moͤchte? Das bin ich aber verſichert, daß, wann einer unſerer praͤchtig-gezierten Pfauen in Jndien kaͤme, die Einwohner daſelbſt nicht allein gerne ihre allerſchoͤnſten Voͤgel dafuͤr vertauſchen wuͤrden, ſondern ich wolte ſchier wetten, ein und andrer Jndianer moͤchte noch wol aus demuͤ- thigem Reſpect fuͤr ſein majeſtaͤtiſch Anſehen einen Fußfall vor demſelben thun, wie man dergleichen Exempel bey gewiſſen Hiſtoricis von einem Hun- de lieſet, ſo aber wol mehr aus Furcht als Reſpect geſchehen. Noch eines dergleichen von Artificialibus zu melden, zum Beweis, daß es mit denen Kunſt-Sachen eine gleiche Bewandtniß habe: Man bringet nemlich nach den G g g

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/445>, abgerufen am 22.11.2024.