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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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Von Museis I. Theil
zur Gelehrsamkeit vieles beytragen, und also mit dem von GOtt ihm gege-
benen Talent sehr wuchern, wenn ihm nur von einem freygebigen Alexandro
10. Talent
zum Secours gereichet würden. Sed rara avis: Einen weissen
Raben findet man gar selten.

Aus diesem lieget nun zur Genüge am Tage die von uns zu erörtern be-
gehrte Frage vom Ursprung der Kunst- und Naturalien-Kammern, daß
dieselbigen nicht erst vor weniger Zeit, sondern schon von einigen 1000. Jah-
ren ihr Alter herrechnen können.

Das IV. Capitel.
Ob auch unter rauhen, groben und unchrist-
lichen Heiden einige Anzeigung von curiösen
Sachen zu finden?

EHe und bevor ich zur Continuation meiner Relation von Kunst- und
Naturalien-Kammern schreite, werde ich noch eine kurtze Reise nach
der Neuen Welt oder America thun, um zu sehen, ob auch allda un-
ter rauhen, groben und unchristlichen Heiden einige Anzeigung von curiösen
Sachen zu finden sey? Wenn man auf die Lebens-Art dieser Nation sehen
wolte, würde man schwerlich glauben, daß bey ihnen was menschliches, viel-
weniger einige curiöse Sachen anzutreffen seyn solten; sintemal die Rei-
se-Bücher derer, die diesen Theil der Welt besuchet, nicht genugsam die
Grausamkeit und Abgötterey des Teufels dieser Nation und Völcker aus-
sprechen können, als um wessent willen viel 100000. Seelen aufgeopffert
worden, ehe die Spanier ins Land gekommen; nach der Zeit aber hat ihr
Teufels-Dienst mercklich abgenommen. Wer hiervon umständliche Nach-
richt verlanget, der lese Gottfrieds Beschr. Americae, und dergl. Autores,
die von diesen Völckern geschrieben. Wer wolte nun bey solchen groben
Unmenschen einige Curiosität suchen wollen? Allein verwundere dich nicht
zu viel, mein Leser, wenn du wider Vermuthen dasjenige bey ihnen findest,
welches du nicht wärest erwartend gewesen. Was bey den Persianern So-
phi
,
bey den Tartarn Chan, bey den Abyßiniern Neguz, bey den Moscowitern
Czaar, bey den Türcken Sultan, und bey uns Europäischen Christen Kayser
und König; eben das ist bey den Peruanern von uralten Zeiten her Inga ge-
wesen. Vernimm dann also, geneigter Leser, was der berühmte Marck-
graf Cortesius von einem Pallast oder Residenz eines solchen Inga oder Pe-
manischen Kaysers, Namens Mutezuma schreibet: Es ist unmöglich, spricht

er,

Von Muſeis I. Theil
zur Gelehrſamkeit vieles beytragen, und alſo mit dem von GOtt ihm gege-
benen Talent ſehr wuchern, wenn ihm nur von einem freygebigen Alexandro
10. Talent
zum Secours gereichet wuͤrden. Sed rara avis: Einen weiſſen
Raben findet man gar ſelten.

Aus dieſem lieget nun zur Genuͤge am Tage die von uns zu eroͤrtern be-
gehrte Frage vom Urſprung der Kunſt- und Naturalien-Kammern, daß
dieſelbigen nicht erſt vor weniger Zeit, ſondern ſchon von einigen 1000. Jah-
ren ihr Alter herrechnen koͤnnen.

Das IV. Capitel.
Ob auch unter rauhen, groben und unchriſt-
lichen Heiden einige Anzeigung von curiöſen
Sachen zu finden?

EHe und bevor ich zur Continuation meiner Relation von Kunſt- und
Naturalien-Kammern ſchreite, werde ich noch eine kurtze Reiſe nach
der Neuen Welt oder America thun, um zu ſehen, ob auch allda un-
ter rauhen, groben und unchriſtlichen Heiden einige Anzeigung von curiöſen
Sachen zu finden ſey? Wenn man auf die Lebens-Art dieſer Nation ſehen
wolte, wuͤrde man ſchwerlich glauben, daß bey ihnen was menſchliches, viel-
weniger einige curiöſe Sachen anzutreffen ſeyn ſolten; ſintemal die Rei-
ſe-Buͤcher derer, die dieſen Theil der Welt beſuchet, nicht genugſam die
Grauſamkeit und Abgoͤtterey des Teufels dieſer Nation und Voͤlcker aus-
ſprechen koͤnnen, als um weſſent willen viel 100000. Seelen aufgeopffert
worden, ehe die Spanier ins Land gekommen; nach der Zeit aber hat ihr
Teufels-Dienſt mercklich abgenommen. Wer hiervon umſtaͤndliche Nach-
richt verlanget, der leſe Gottfrieds Beſchr. Americæ, und dergl. Autores,
die von dieſen Voͤlckern geſchrieben. Wer wolte nun bey ſolchen groben
Unmenſchen einige Curioſität ſuchen wollen? Allein verwundere dich nicht
zu viel, mein Leſer, wenn du wider Vermuthen dasjenige bey ihnen findeſt,
welches du nicht waͤreſt erwartend geweſen. Was bey den Perſianern So-
phi
,
bey den Tartarn Chan, bey den Abyßiniern Neguz, bey den Moſcowitern
Czaar, bey den Tuͤrcken Sultan, und bey uns Europaͤiſchen Chriſten Kayſer
und Koͤnig; eben das iſt bey den Peruanern von uralten Zeiten her Inga ge-
weſen. Vernimm dann alſo, geneigter Leſer, was der beruͤhmte Marck-
graf Corteſius von einem Pallaſt oder Reſidenz eines ſolchen Inga oder Pe-
maniſchen Kayſers, Namens Mutezuma ſchreibet: Es iſt unmoͤglich, ſpricht

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[12/0040] Von Muſeis I. Theil zur Gelehrſamkeit vieles beytragen, und alſo mit dem von GOtt ihm gege- benen Talent ſehr wuchern, wenn ihm nur von einem freygebigen Alexandro 10. Talent zum Secours gereichet wuͤrden. Sed rara avis: Einen weiſſen Raben findet man gar ſelten. Aus dieſem lieget nun zur Genuͤge am Tage die von uns zu eroͤrtern be- gehrte Frage vom Urſprung der Kunſt- und Naturalien-Kammern, daß dieſelbigen nicht erſt vor weniger Zeit, ſondern ſchon von einigen 1000. Jah- ren ihr Alter herrechnen koͤnnen. Das IV. Capitel. Ob auch unter rauhen, groben und unchriſt- lichen Heiden einige Anzeigung von curiöſen Sachen zu finden? EHe und bevor ich zur Continuation meiner Relation von Kunſt- und Naturalien-Kammern ſchreite, werde ich noch eine kurtze Reiſe nach der Neuen Welt oder America thun, um zu ſehen, ob auch allda un- ter rauhen, groben und unchriſtlichen Heiden einige Anzeigung von curiöſen Sachen zu finden ſey? Wenn man auf die Lebens-Art dieſer Nation ſehen wolte, wuͤrde man ſchwerlich glauben, daß bey ihnen was menſchliches, viel- weniger einige curiöſe Sachen anzutreffen ſeyn ſolten; ſintemal die Rei- ſe-Buͤcher derer, die dieſen Theil der Welt beſuchet, nicht genugſam die Grauſamkeit und Abgoͤtterey des Teufels dieſer Nation und Voͤlcker aus- ſprechen koͤnnen, als um weſſent willen viel 100000. Seelen aufgeopffert worden, ehe die Spanier ins Land gekommen; nach der Zeit aber hat ihr Teufels-Dienſt mercklich abgenommen. Wer hiervon umſtaͤndliche Nach- richt verlanget, der leſe Gottfrieds Beſchr. Americæ, und dergl. Autores, die von dieſen Voͤlckern geſchrieben. Wer wolte nun bey ſolchen groben Unmenſchen einige Curioſität ſuchen wollen? Allein verwundere dich nicht zu viel, mein Leſer, wenn du wider Vermuthen dasjenige bey ihnen findeſt, welches du nicht waͤreſt erwartend geweſen. Was bey den Perſianern So- phi, bey den Tartarn Chan, bey den Abyßiniern Neguz, bey den Moſcowitern Czaar, bey den Tuͤrcken Sultan, und bey uns Europaͤiſchen Chriſten Kayſer und Koͤnig; eben das iſt bey den Peruanern von uralten Zeiten her Inga ge- weſen. Vernimm dann alſo, geneigter Leſer, was der beruͤhmte Marck- graf Corteſius von einem Pallaſt oder Reſidenz eines ſolchen Inga oder Pe- maniſchen Kayſers, Namens Mutezuma ſchreibet: Es iſt unmoͤglich, ſpricht er,

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/40>, abgerufen am 22.11.2024.