Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

Bild:
<< vorherige Seite
III. Theil von Bibliothequen.
Regna vides, Hospes, Sapientum corda Virorum,
Itala quot tellus, quotquot & Hellas habet.
Hic sua templa Quies; sedes Mens, atria Pallas;
Hic libertatem, delitiasque vides
Mortales vivunt semper, tacitique loquuntur
Hic, quorum structos effugit umbra rogos.
Nunquam Rex habuit tam clara palatia Croesus,
Socratis ast hae sunt atque Platonis opes.
Ligmuen.

Ein berühmter Berg bey den Chinesern ohnweit der Stadt Chun-
king,
allwo ein prächtiger Götzen-Tempel, der auswendig von weissem Mar-
mor, inwendig aber mit Gold überzogen soll zu sehen gewesen seyn; in diesem
Tempel sind vor Alters Könige gecrönet worden; dabey war auch von den
Sinesischen Pfaffen eine überaus rare und köstliche Bibliothec angeleget:
Daß die Zahl derselben auch nicht klein gewesen, läst sich daher schliessen,
daß, wie der wüterichte König Tein (welcher aller seiner Vorfahren Ge-
dächtniß auszutilgen, von sich aber einen Anfang aller Geschichte zu stifften
suchte,) nach allen Denckmaalen auch diese Bibliothec verbrennen lassen,
von einem Chinesischen Priester Scynto dennoch über 30000. Sinesische
Autores verborgen und erhalten worden. Von den Chinesern überhaupt
zu reden, so ist ausser dem bekandt genug, daß dieses eine der klügsten Natio-
n
en in der Welt sey, dahero bey ihnen die freyen Künste und Gelehrsamkeit
sonderlich beliebt sind. Diese Leute haben auch unter sich ihre Ehren-Gra-
dus,
und werden bey ihnen diejenigen, so sich um die Künste und Wissen-
schafften wohl verdient machen, zu Baccalaureis, Licentiatis, Doctoribus
und Magistris Artium, nach eines ieden Meriten creiret. Zu dem Ende man
auch in den vornehmsten Städten Gymnasia Confucii findet, welche denen
Studenten allein offen stehen, als denen zu gewissen Tagen seine Bücher er-
kläret werden. Die Mathematica und Astronomie sind sonderlich unter
ihnen hochgeachtete Wissenschafften, wovon die herrlichen Observatoria zu
Nancking, Pecking etc. Zeugniß geben. Jn letzterm, nemlich in dem Kay-
serlichen Observatorio zu Pecking, müssen alle Nacht fünff Mathematici
des Himmels Lauff, den Wind, die Beschaffenheit der Lufft und andre aus-
serordentliche Phaenomena observiren, und des andern Tages dem Praesidi
über die Mathematic und seinen Assessoribus davon Bericht abstatten,
welche solchen alsdenn enregistriren, und dem Kayser, insoferne er ein Lieb-
haber davon, zuschicken. Obgleich die Gelehrten darüber noch streitig, so

gehet
III. Theil von Bibliothequen.
Regna vides, Hoſpes, Sapientum corda Virorum,
Itala quot tellus, quotquot & Hellas habet.
Hic ſua templa Quies; ſedes Mens, atria Pallas;
Hic libertatem, delitiasque vides
Mortales vivunt ſemper, tacitique loquuntur
Hic, quorum ſtructos effugit umbra rogos.
Nunquam Rex habuit tam clara palatia Crœſus,
Socratis aſt hæ ſunt atque Platonis opes.
Ligmuen.

Ein beruͤhmter Berg bey den Chineſern ohnweit der Stadt Chun-
king,
allwo ein praͤchtiger Goͤtzen-Tempel, der auswendig von weiſſem Mar-
mor, inwendig aber mit Gold uͤberzogen ſoll zu ſehen geweſen ſeyn; in dieſem
Tempel ſind vor Alters Koͤnige gecroͤnet worden; dabey war auch von den
Sineſiſchen Pfaffen eine uͤberaus rare und koͤſtliche Bibliothec angeleget:
Daß die Zahl derſelben auch nicht klein geweſen, laͤſt ſich daher ſchlieſſen,
daß, wie der wuͤterichte Koͤnig Tein (welcher aller ſeiner Vorfahren Ge-
daͤchtniß auszutilgen, von ſich aber einen Anfang aller Geſchichte zu ſtifften
ſuchte,) nach allen Denckmaalen auch dieſe Bibliothec verbrennen laſſen,
von einem Chineſiſchen Prieſter Scynto dennoch uͤber 30000. Sineſiſche
Autores verborgen und erhalten worden. Von den Chineſern uͤberhaupt
zu reden, ſo iſt auſſer dem bekandt genug, daß dieſes eine der kluͤgſten Natio-
n
en in der Welt ſey, dahero bey ihnen die freyen Kuͤnſte und Gelehrſamkeit
ſonderlich beliebt ſind. Dieſe Leute haben auch unter ſich ihre Ehren-Gra-
dus,
und werden bey ihnen diejenigen, ſo ſich um die Kuͤnſte und Wiſſen-
ſchafften wohl verdient machen, zu Baccalaureis, Licentiatis, Doctoribus
und Magiſtris Artium, nach eines ieden Meriten creiret. Zu dem Ende man
auch in den vornehmſten Staͤdten Gymnaſia Confucii findet, welche denen
Studenten allein offen ſtehen, als denen zu gewiſſen Tagen ſeine Buͤcher er-
klaͤret werden. Die Mathematica und Aſtronomie ſind ſonderlich unter
ihnen hochgeachtete Wiſſenſchafften, wovon die herrlichen Obſervatoria zu
Nancking, Pecking ꝛc. Zeugniß geben. Jn letzterm, nemlich in dem Kay-
ſerlichen Obſervatorio zu Pecking, muͤſſen alle Nacht fuͤnff Mathematici
des Himmels Lauff, den Wind, die Beſchaffenheit der Lufft und andre auſ-
ſerordentliche Phænomena obſerviren, und des andern Tages dem Præſidi
uͤber die Mathematic und ſeinen Aſſeſſoribus davon Bericht abſtatten,
welche ſolchen alsdenn enregiſtriren, und dem Kayſer, inſoferne er ein Lieb-
haber davon, zuſchicken. Obgleich die Gelehrten daruͤber noch ſtreitig, ſo

gehet
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0323" n="295"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Theil von</hi> <hi rendition="#aq">Bibliothequ</hi> <hi rendition="#b">en.</hi> </fw><lb/>
            <cit>
              <quote> <hi rendition="#aq">Regna vides, Ho&#x017F;pes, Sapientum corda Virorum,<lb/>
Itala quot tellus, quotquot &amp; Hellas habet.<lb/>
Hic &#x017F;ua templa Quies; &#x017F;edes Mens, atria Pallas;<lb/>
Hic libertatem, delitiasque vides<lb/>
Mortales vivunt &#x017F;emper, tacitique loquuntur<lb/>
Hic, quorum &#x017F;tructos effugit umbra rogos.<lb/>
Nunquam Rex habuit tam clara palatia Cr&#x0153;&#x017F;us,<lb/>
Socratis a&#x017F;t hæ &#x017F;unt atque Platonis opes.</hi> </quote>
            </cit>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">Ligmuen.</hi> </head><lb/>
            <p>Ein beru&#x0364;hmter Berg bey den <hi rendition="#fr">Chine&#x017F;ern</hi> ohnweit der Stadt <hi rendition="#fr">Chun-<lb/>
king,</hi> allwo ein pra&#x0364;chtiger Go&#x0364;tzen-Tempel, der auswendig von wei&#x017F;&#x017F;em Mar-<lb/>
mor, inwendig aber mit Gold u&#x0364;berzogen &#x017F;oll zu &#x017F;ehen gewe&#x017F;en &#x017F;eyn; in die&#x017F;em<lb/>
Tempel &#x017F;ind vor Alters Ko&#x0364;nige gecro&#x0364;net worden; dabey war auch von den<lb/>
Sine&#x017F;i&#x017F;chen Pfaffen eine u&#x0364;beraus rare und ko&#x0364;&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Bibliothec</hi> angeleget:<lb/>
Daß die Zahl der&#x017F;elben auch nicht klein gewe&#x017F;en, la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich daher &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß, wie der wu&#x0364;terichte Ko&#x0364;nig <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Tein</hi></hi> (welcher aller &#x017F;einer Vorfahren Ge-<lb/>
da&#x0364;chtniß auszutilgen, von &#x017F;ich aber einen Anfang aller Ge&#x017F;chichte zu &#x017F;tifften<lb/>
&#x017F;uchte,) nach allen Denckmaalen auch die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Bibliothec</hi> verbrennen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
von einem Chine&#x017F;i&#x017F;chen Prie&#x017F;ter <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Scynto</hi></hi> dennoch u&#x0364;ber 30000. Sine&#x017F;i&#x017F;che<lb/><hi rendition="#aq">Autores</hi> verborgen und erhalten worden. Von den Chine&#x017F;ern u&#x0364;berhaupt<lb/>
zu reden, &#x017F;o i&#x017F;t au&#x017F;&#x017F;er dem bekandt genug, daß die&#x017F;es eine der klu&#x0364;g&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Natio-<lb/>
n</hi>en in der Welt &#x017F;ey, dahero bey ihnen die freyen Ku&#x0364;n&#x017F;te und Gelehr&#x017F;amkeit<lb/>
&#x017F;onderlich beliebt &#x017F;ind. Die&#x017F;e Leute haben auch unter &#x017F;ich ihre Ehren-<hi rendition="#aq">Gra-<lb/>
dus,</hi> und werden bey ihnen diejenigen, &#x017F;o &#x017F;ich um die Ku&#x0364;n&#x017F;te und Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafften wohl verdient machen, zu <hi rendition="#aq">Baccalaureis, Licentiatis, Doctoribus</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">Magi&#x017F;tris Artium,</hi> nach eines ieden <hi rendition="#aq">Merit</hi>en <hi rendition="#aq">crei</hi>ret. Zu dem Ende man<lb/>
auch in den vornehm&#x017F;ten Sta&#x0364;dten <hi rendition="#aq">Gymna&#x017F;ia Confucii</hi> findet, welche denen<lb/>
Studenten allein offen &#x017F;tehen, als denen zu gewi&#x017F;&#x017F;en Tagen &#x017F;eine Bu&#x0364;cher er-<lb/>
kla&#x0364;ret werden. Die <hi rendition="#aq">Mathematica</hi> und <hi rendition="#aq">A&#x017F;tronomie</hi> &#x017F;ind &#x017F;onderlich unter<lb/>
ihnen hochgeachtete Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften, wovon die herrlichen <hi rendition="#aq">Ob&#x017F;ervatoria</hi> zu<lb/><hi rendition="#fr">Nancking, Pecking</hi> &#xA75B;c. Zeugniß geben. Jn letzterm, nemlich in dem Kay-<lb/>
&#x017F;erlichen <hi rendition="#aq">Ob&#x017F;ervatorio</hi> zu <hi rendition="#fr">Pecking,</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en alle Nacht fu&#x0364;nff <hi rendition="#aq">Mathematici</hi><lb/>
des Himmels Lauff, den Wind, die Be&#x017F;chaffenheit der Lufft und andre au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erordentliche <hi rendition="#aq">Phænomena ob&#x017F;ervi</hi>ren, und des andern Tages dem <hi rendition="#aq">Præ&#x017F;idi</hi><lb/>
u&#x0364;ber die <hi rendition="#aq">Mathematic</hi> und &#x017F;einen <hi rendition="#aq">A&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;oribus</hi> davon Bericht ab&#x017F;tatten,<lb/>
welche &#x017F;olchen alsdenn <hi rendition="#aq">enregi&#x017F;tri</hi>ren, und dem Kay&#x017F;er, in&#x017F;oferne er ein Lieb-<lb/>
haber davon, zu&#x017F;chicken. Obgleich die Gelehrten daru&#x0364;ber noch &#x017F;treitig, &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gehet</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0323] III. Theil von Bibliothequen. Regna vides, Hoſpes, Sapientum corda Virorum, Itala quot tellus, quotquot & Hellas habet. Hic ſua templa Quies; ſedes Mens, atria Pallas; Hic libertatem, delitiasque vides Mortales vivunt ſemper, tacitique loquuntur Hic, quorum ſtructos effugit umbra rogos. Nunquam Rex habuit tam clara palatia Crœſus, Socratis aſt hæ ſunt atque Platonis opes. Ligmuen. Ein beruͤhmter Berg bey den Chineſern ohnweit der Stadt Chun- king, allwo ein praͤchtiger Goͤtzen-Tempel, der auswendig von weiſſem Mar- mor, inwendig aber mit Gold uͤberzogen ſoll zu ſehen geweſen ſeyn; in dieſem Tempel ſind vor Alters Koͤnige gecroͤnet worden; dabey war auch von den Sineſiſchen Pfaffen eine uͤberaus rare und koͤſtliche Bibliothec angeleget: Daß die Zahl derſelben auch nicht klein geweſen, laͤſt ſich daher ſchlieſſen, daß, wie der wuͤterichte Koͤnig Tein (welcher aller ſeiner Vorfahren Ge- daͤchtniß auszutilgen, von ſich aber einen Anfang aller Geſchichte zu ſtifften ſuchte,) nach allen Denckmaalen auch dieſe Bibliothec verbrennen laſſen, von einem Chineſiſchen Prieſter Scynto dennoch uͤber 30000. Sineſiſche Autores verborgen und erhalten worden. Von den Chineſern uͤberhaupt zu reden, ſo iſt auſſer dem bekandt genug, daß dieſes eine der kluͤgſten Natio- nen in der Welt ſey, dahero bey ihnen die freyen Kuͤnſte und Gelehrſamkeit ſonderlich beliebt ſind. Dieſe Leute haben auch unter ſich ihre Ehren-Gra- dus, und werden bey ihnen diejenigen, ſo ſich um die Kuͤnſte und Wiſſen- ſchafften wohl verdient machen, zu Baccalaureis, Licentiatis, Doctoribus und Magiſtris Artium, nach eines ieden Meriten creiret. Zu dem Ende man auch in den vornehmſten Staͤdten Gymnaſia Confucii findet, welche denen Studenten allein offen ſtehen, als denen zu gewiſſen Tagen ſeine Buͤcher er- klaͤret werden. Die Mathematica und Aſtronomie ſind ſonderlich unter ihnen hochgeachtete Wiſſenſchafften, wovon die herrlichen Obſervatoria zu Nancking, Pecking ꝛc. Zeugniß geben. Jn letzterm, nemlich in dem Kay- ſerlichen Obſervatorio zu Pecking, muͤſſen alle Nacht fuͤnff Mathematici des Himmels Lauff, den Wind, die Beſchaffenheit der Lufft und andre auſ- ſerordentliche Phænomena obſerviren, und des andern Tages dem Præſidi uͤber die Mathematic und ſeinen Aſſeſſoribus davon Bericht abſtatten, welche ſolchen alsdenn enregiſtriren, und dem Kayſer, inſoferne er ein Lieb- haber davon, zuſchicken. Obgleich die Gelehrten daruͤber noch ſtreitig, ſo gehet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/323
Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/323>, abgerufen am 25.11.2024.