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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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III. Theil von Bibliothequen.
ondern in Besuchung einer solchen Apotheca animi, oder Gemüths-Apo-
thek, als worauf in denen allda befindlichen vielen tausend Bücher-Büchsen
manche schöne innerlich ergötzende Medicin vorhanden, ihr gröstes Ver-
gnügen gesuchet, und bestes Belieben gesunden. Der grosse Kayser Auguflus
empfand eine sonderbare Lust in Lesung schöner Bücher, unter welchen er die
Schrifften Sallustii und Livii sehr aestimirte. Alphonsus Sapiens, König von
Arragonien, hatte eine so grosse Bücher-Liebe, daß er auch so gar in Feld-Zü-
gen die Commentarios Caesaris allenthalben bey sich gehabt, und in Quinto Cur-
tio
fand er sonderlich Vergnügen. Marcus Brutus hatte des Polybii Schriff-
ten über die Massen lieb. Kayser Alexander Severus las alle Bücher, wel-
che von den Thaten und Geschichten der alten Römer handelten mit sonder-
barem Vergnügen. Der berühmte Scipio Asricanus las ohn Unterlaß in dem
Xenophon. König Archelaus von Macedonien hatte einen grossen Gefallen an
Herodoto und Hellanico, gleichwie der grosse Pompejus sich in den Aristophanem
verliebet hatte. Der Römische Kayser Tacitus hatte Cornelii Taciti Schriff-
ten so offt durchlesen, daß er dieselbe schier auswendig herzusagen wuste.
Kayser Carolus V. wuste die Schrifften des Philippi Cominaei fast auf dem
Nagel herzusagen. Gedachter König Alphonsus Sapiens bezeugte offt, daß
er lieber alle seine Kleinodien, als seine Bücher missen wolte. Dieser Herr,
wie er einsmals in Tito Livio las, und seine Hof-Musicanten nach ihrer Ge-
wohnheit mit ihrer Music vor seiner Thür ihre Aufwartung machen wolten,
da wiese er sie mit diesem Bescheid wieder ab: Jch höre itzund eine weit
bessere Melodey in meinen Dhrenklingen.
Ob aber gleich itzt ange-
führte hohe Personen nur ihre Belustigung in diesem oder jenem Buch
zu haben scheinen; so verstehet sichs doch, daß sie nicht nur diese ange-
führte absonderlich, (wie denn einer dieses, der andere jenes aestimiret,)
sondern zugleich auch alle Bücher hertzlich geliebet; ja sie hielten
ihre Bücher höher, als mancher König und Fürst seine schönste Juwe-
len. Man erzehlet von einem teutschen wohl bekandten Printzen, welcher
vor eben nicht zu langer Zeit mit diesen Worten die Lesung wackerer Bücher
gepriesen: Ehe ich die Bücher zu lesen begunte, war ich einem un-
vernünfftigen Thier gleich zu achten, aber nachdem ich solche ge-
lesen, und wieder gelesen, bin ich erst ein rechter Mensch worden,
und ich hoffe durch mehrers Lesen derselben ein rechter Printz zu
werden.
Will man aber fragen, was für Leute gute Bücher lesen sollen?
so antwortet der berühmte Dänische Medicus Thom. Bartholinus in seinen
Dissertationibus de libris legendis & c. von Johann Gerhard Meuschen
1711. aufs neue im Haag edirt, und zwar in der Vlten Dissertat. Jung
und Alt, Manns- und Weibs-Personen, alle Arten von Menschen,

als

III. Theil von Bibliothequen.
ondern in Beſuchung einer ſolchen Apotheca animi, oder Gemuͤths-Apo-
thek, als worauf in denen allda befindlichen vielen tauſend Buͤcher-Buͤchſen
manche ſchoͤne innerlich ergoͤtzende Medicin vorhanden, ihr groͤſtes Ver-
gnuͤgen geſuchet, und beſtes Belieben geſunden. Der groſſe Kayſer Auguflus
empfand eine ſonderbare Luſt in Leſung ſchoͤner Buͤcher, unter welchen er die
Schrifften Salluſtii und Livii ſehr æſtimirte. Alphonſus Sapiens, Koͤnig von
Arragonien, hatte eine ſo groſſe Buͤcher-Liebe, daß er auch ſo gar in Feld-Zuͤ-
gen die Commentarios Cæſaris allenthalben bey ſich gehabt, und in Quinto Cur-
tio
fand er ſonderlich Vergnuͤgen. Marcus Brutus hatte des Polybii Schriff-
ten uͤber die Maſſen lieb. Kayſer Alexander Severus las alle Buͤcher, wel-
che von den Thaten und Geſchichten der alten Roͤmer handelten mit ſonder-
barem Vergnuͤgen. Der beruͤhmte Scipio Aſricanus las ohn Unterlaß in dem
Xenophon. Koͤnig Archelaus von Macedonien hatte einen groſſen Gefallen an
Herodoto und Hellanico, gleichwie der groſſe Pompejus ſich in den Ariſtophanem
verliebet hatte. Der Roͤmiſche Kayſer Tacitus hatte Cornelii Taciti Schriff-
ten ſo offt durchleſen, daß er dieſelbe ſchier auswendig herzuſagen wuſte.
Kayſer Carolus V. wuſte die Schrifften des Philippi Cominæi faſt auf dem
Nagel herzuſagen. Gedachter Koͤnig Alphonſus Sapiens bezeugte offt, daß
er lieber alle ſeine Kleinodien, als ſeine Buͤcher miſſen wolte. Dieſer Herr,
wie er einsmals in Tito Livio las, und ſeine Hof-Muſicanten nach ihrer Ge-
wohnheit mit ihrer Muſic vor ſeiner Thuͤr ihre Aufwartung machen wolten,
da wieſe er ſie mit dieſem Beſcheid wieder ab: Jch hoͤre itzund eine weit
beſſere Melodey in meinen Dhrenklingen.
Ob aber gleich itzt ange-
fuͤhrte hohe Perſonen nur ihre Beluſtigung in dieſem oder jenem Buch
zu haben ſcheinen; ſo verſtehet ſichs doch, daß ſie nicht nur dieſe ange-
fuͤhrte abſonderlich, (wie denn einer dieſes, der andere jenes æſtimiret,)
ſondern zugleich auch alle Buͤcher hertzlich geliebet; ja ſie hielten
ihre Buͤcher hoͤher, als mancher Koͤnig und Fuͤrſt ſeine ſchoͤnſte Juwe-
len. Man erzehlet von einem teutſchen wohl bekandten Printzen, welcher
vor eben nicht zu langer Zeit mit dieſen Worten die Leſung wackerer Buͤcher
geprieſen: Ehe ich die Buͤcher zu leſen begunte, war ich einem un-
vernuͤnfftigen Thier gleich zu achten, aber nachdem ich ſolche ge-
leſen, und wieder geleſen, bin ich erſt ein rechter Menſch worden,
und ich hoffe durch mehrers Leſen derſelben ein rechter Printz zu
werden.
Will man aber fragen, was fuͤr Leute gute Buͤcher leſen ſollen?
ſo antwortet der beruͤhmte Daͤniſche Medicus Thom. Bartholinus in ſeinen
Diſſertationibus de libris legendis & c. von Johann Gerhard Meuſchen
1711. aufs neue im Haag edirt, und zwar in der Vlten Diſſertat. Jung
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[234/0262] III. Theil von Bibliothequen. ondern in Beſuchung einer ſolchen Apotheca animi, oder Gemuͤths-Apo- thek, als worauf in denen allda befindlichen vielen tauſend Buͤcher-Buͤchſen manche ſchoͤne innerlich ergoͤtzende Medicin vorhanden, ihr groͤſtes Ver- gnuͤgen geſuchet, und beſtes Belieben geſunden. Der groſſe Kayſer Auguflus empfand eine ſonderbare Luſt in Leſung ſchoͤner Buͤcher, unter welchen er die Schrifften Salluſtii und Livii ſehr æſtimirte. Alphonſus Sapiens, Koͤnig von Arragonien, hatte eine ſo groſſe Buͤcher-Liebe, daß er auch ſo gar in Feld-Zuͤ- gen die Commentarios Cæſaris allenthalben bey ſich gehabt, und in Quinto Cur- tio fand er ſonderlich Vergnuͤgen. Marcus Brutus hatte des Polybii Schriff- ten uͤber die Maſſen lieb. Kayſer Alexander Severus las alle Buͤcher, wel- che von den Thaten und Geſchichten der alten Roͤmer handelten mit ſonder- barem Vergnuͤgen. Der beruͤhmte Scipio Aſricanus las ohn Unterlaß in dem Xenophon. Koͤnig Archelaus von Macedonien hatte einen groſſen Gefallen an Herodoto und Hellanico, gleichwie der groſſe Pompejus ſich in den Ariſtophanem verliebet hatte. Der Roͤmiſche Kayſer Tacitus hatte Cornelii Taciti Schriff- ten ſo offt durchleſen, daß er dieſelbe ſchier auswendig herzuſagen wuſte. Kayſer Carolus V. wuſte die Schrifften des Philippi Cominæi faſt auf dem Nagel herzuſagen. Gedachter Koͤnig Alphonſus Sapiens bezeugte offt, daß er lieber alle ſeine Kleinodien, als ſeine Buͤcher miſſen wolte. Dieſer Herr, wie er einsmals in Tito Livio las, und ſeine Hof-Muſicanten nach ihrer Ge- wohnheit mit ihrer Muſic vor ſeiner Thuͤr ihre Aufwartung machen wolten, da wieſe er ſie mit dieſem Beſcheid wieder ab: Jch hoͤre itzund eine weit beſſere Melodey in meinen Dhrenklingen. Ob aber gleich itzt ange- fuͤhrte hohe Perſonen nur ihre Beluſtigung in dieſem oder jenem Buch zu haben ſcheinen; ſo verſtehet ſichs doch, daß ſie nicht nur dieſe ange- fuͤhrte abſonderlich, (wie denn einer dieſes, der andere jenes æſtimiret,) ſondern zugleich auch alle Buͤcher hertzlich geliebet; ja ſie hielten ihre Buͤcher hoͤher, als mancher Koͤnig und Fuͤrſt ſeine ſchoͤnſte Juwe- len. Man erzehlet von einem teutſchen wohl bekandten Printzen, welcher vor eben nicht zu langer Zeit mit dieſen Worten die Leſung wackerer Buͤcher geprieſen: Ehe ich die Buͤcher zu leſen begunte, war ich einem un- vernuͤnfftigen Thier gleich zu achten, aber nachdem ich ſolche ge- leſen, und wieder geleſen, bin ich erſt ein rechter Menſch worden, und ich hoffe durch mehrers Leſen derſelben ein rechter Printz zu werden. Will man aber fragen, was fuͤr Leute gute Buͤcher leſen ſollen? ſo antwortet der beruͤhmte Daͤniſche Medicus Thom. Bartholinus in ſeinen Diſſertationibus de libris legendis & c. von Johann Gerhard Meuſchen 1711. aufs neue im Haag edirt, und zwar in der Vlten Diſſertat. Jung und Alt, Manns- und Weibs-Perſonen, alle Arten von Menſchen, als

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/262>, abgerufen am 22.11.2024.