werden sollen, in eine konkrete Ethik unerlässlich hineingehört. Ist die Technik einerseits, als Anwendung von Naturkräften auf naturgegebenen Stoff, zweifellos rein theoretisch, nämlich naturwissenschaftlich zu begründen, so stellt sie nicht minder wesentlich andrerseits die Naturkraft in den Dienst menschlicher Zwecke. Kein menschlicher Zweck aber kann ausser Beziehung bleiben zu dem höchsten menschlichen Zweck: dem Menschen selbst, oder der Menschen bildung; und diese ist, dem regie- renden Prinzip nach, Willensbildung. Zielt nun schliesslich alle Theorie auf Technik, so ist klar, wie alles theoretische Bewusstsein ausnahmslos zugleich eine Beziehung aufs praktische gewinnen und sich ihm schliesslich unterordnen muss. Um- gekehrt bleibt das praktische Bewusstsein aufs theoretische seinem ganzen Stoff nach angewiesen; seine Entwicklung, die successive Durchdringung des Stoffs mit der Form des prak- tischen Bewusstseins ist durchaus gebunden an die Entwick- lung des theoretischen Bewusstseins, da ja dieses allein ihr den Stoff bietet. Die Grenze zwischen beiden wird aber dabei nicht verwischt; blosse theoretische Erkenntnis ist noch nicht Wille, giebt auch nicht den Willensinhalt; aber der Er- kennende ist zugleich der Wollende; er vermöchte nicht Er- kenntnis zu entwickeln als indem er Willen entwickelt und umgekehrt. Es ist hier eine unauflösliche, innerlich oder, wie früher gesagt, zentral begründete Einheit anzuerkennen, wo mit Unrecht eine starre Dualität angenommen wird.
So zeigen sich also die äussersten Enden, Stoff und Form des Willens, derart ursprünglich auf einander bezogen, dass sich, je klarer das Formgesetz des Willens zum Bewusstsein kommt, um so sicherer und vollständiger aller Stoff der Erfahrung ihm unterordnen muss.
Allein damit ist unsere Frage doch erst zu einem Teil aufgelöst. Es erfordert jetzt noch eine besondere Betrachtung, wie denn eben dieser tiefste Quell der Willensbildung sich erschliesst; wie das Selbstbewusstsein im Menschen, und zwar als praktisches, nicht bloss theoretisches, erwacht und zu sicherer Herrschaft gelangt.
Es mag im ersten Augenblick paradox erscheinen, bestätigt
werden sollen, in eine konkrete Ethik unerlässlich hineingehört. Ist die Technik einerseits, als Anwendung von Naturkräften auf naturgegebenen Stoff, zweifellos rein theoretisch, nämlich naturwissenschaftlich zu begründen, so stellt sie nicht minder wesentlich andrerseits die Naturkraft in den Dienst menschlicher Zwecke. Kein menschlicher Zweck aber kann ausser Beziehung bleiben zu dem höchsten menschlichen Zweck: dem Menschen selbst, oder der Menschen bildung; und diese ist, dem regie- renden Prinzip nach, Willensbildung. Zielt nun schliesslich alle Theorie auf Technik, so ist klar, wie alles theoretische Bewusstsein ausnahmslos zugleich eine Beziehung aufs praktische gewinnen und sich ihm schliesslich unterordnen muss. Um- gekehrt bleibt das praktische Bewusstsein aufs theoretische seinem ganzen Stoff nach angewiesen; seine Entwicklung, die successive Durchdringung des Stoffs mit der Form des prak- tischen Bewusstseins ist durchaus gebunden an die Entwick- lung des theoretischen Bewusstseins, da ja dieses allein ihr den Stoff bietet. Die Grenze zwischen beiden wird aber dabei nicht verwischt; blosse theoretische Erkenntnis ist noch nicht Wille, giebt auch nicht den Willensinhalt; aber der Er- kennende ist zugleich der Wollende; er vermöchte nicht Er- kenntnis zu entwickeln als indem er Willen entwickelt und umgekehrt. Es ist hier eine unauflösliche, innerlich oder, wie früher gesagt, zentral begründete Einheit anzuerkennen, wo mit Unrecht eine starre Dualität angenommen wird.
So zeigen sich also die äussersten Enden, Stoff und Form des Willens, derart ursprünglich auf einander bezogen, dass sich, je klarer das Formgesetz des Willens zum Bewusstsein kommt, um so sicherer und vollständiger aller Stoff der Erfahrung ihm unterordnen muss.
Allein damit ist unsere Frage doch erst zu einem Teil aufgelöst. Es erfordert jetzt noch eine besondere Betrachtung, wie denn eben dieser tiefste Quell der Willensbildung sich erschliesst; wie das Selbstbewusstsein im Menschen, und zwar als praktisches, nicht bloss theoretisches, erwacht und zu sicherer Herrschaft gelangt.
Es mag im ersten Augenblick paradox erscheinen, bestätigt
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[67/0083]
werden sollen, in eine konkrete Ethik unerlässlich hineingehört.
Ist die Technik einerseits, als Anwendung von Naturkräften
auf naturgegebenen Stoff, zweifellos rein theoretisch, nämlich
naturwissenschaftlich zu begründen, so stellt sie nicht minder
wesentlich andrerseits die Naturkraft in den Dienst menschlicher
Zwecke. Kein menschlicher Zweck aber kann ausser Beziehung
bleiben zu dem höchsten menschlichen Zweck: dem Menschen
selbst, oder der Menschen bildung; und diese ist, dem regie-
renden Prinzip nach, Willensbildung. Zielt nun schliesslich
alle Theorie auf Technik, so ist klar, wie alles theoretische
Bewusstsein ausnahmslos zugleich eine Beziehung aufs praktische
gewinnen und sich ihm schliesslich unterordnen muss. Um-
gekehrt bleibt das praktische Bewusstsein aufs theoretische
seinem ganzen Stoff nach angewiesen; seine Entwicklung, die
successive Durchdringung des Stoffs mit der Form des prak-
tischen Bewusstseins ist durchaus gebunden an die Entwick-
lung des theoretischen Bewusstseins, da ja dieses allein ihr den
Stoff bietet. Die Grenze zwischen beiden wird aber dabei
nicht verwischt; blosse theoretische Erkenntnis ist noch nicht
Wille, giebt auch nicht den Willensinhalt; aber der Er-
kennende ist zugleich der Wollende; er vermöchte nicht Er-
kenntnis zu entwickeln als indem er Willen entwickelt und
umgekehrt. Es ist hier eine unauflösliche, innerlich oder,
wie früher gesagt, zentral begründete Einheit anzuerkennen,
wo mit Unrecht eine starre Dualität angenommen wird.
So zeigen sich also die äussersten Enden, Stoff und Form
des Willens, derart ursprünglich auf einander bezogen, dass sich,
je klarer das Formgesetz des Willens zum Bewusstsein kommt,
um so sicherer und vollständiger aller Stoff der Erfahrung ihm
unterordnen muss.
Allein damit ist unsere Frage doch erst zu einem Teil
aufgelöst. Es erfordert jetzt noch eine besondere Betrachtung,
wie denn eben dieser tiefste Quell der Willensbildung sich
erschliesst; wie das Selbstbewusstsein im Menschen, und
zwar als praktisches, nicht bloss theoretisches, erwacht und
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/83>, abgerufen am 22.11.2024.
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