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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.

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liche Kunstgestaltung das, was die Religion der Transzendenz
aus diesem allen macht, nicht für echt und ehrlich zu er-
kennen.

Auf diesem toten Punkt ist der Streit gegenwärtig an-
gekommen. Es fragt sich, ob es hierbei bleiben, ob also die
Menschheit in diese zwei unversöhnlichen Parteien für immer aus-
einanderfallen soll. Warum nicht? wird der Religiöse sagen, dessen
ganzes Denken ja darauf eingestellt ist, eine solche schliessliche
Dualität als unvermeidlich hinzunehmen; auch wenn ihm Hölle
und Teufel zu etwas verblassten Realitäten geworden sein sollten.
Anders der Humanist. Er wird, nicht aus schwächlicher Friedens-
sehnsucht oder gar im Gefühl der eigenen Kampfunfähigkeit,
sondern nach dem ganzen Prinzip seiner Denkweise den Aus-
gleich für möglich und notwendig halten; möglich und not
wendig eben auf dem Boden -- der Humanität. Er wird ver-
suchen, Religion selbst als eine Geburt des Menschentums zu
begreifen; er wird versuchen zu zeigen, dass der Quell und
innere Grund der Religion -- derselbe innere Grund, der,
wenn ausschliesslich wirkend, nicht in sein reines Verhält-
nis gesetzt zu Wissenschaft, Sittlichkeit und Kunst, die Trans-
zendenz und damit jenen unheilbaren Konflikt unvermeidlich
herbeiführt -- dann, wenn er dies reine Verhältnis zu suchen
nicht verschmäht, auf die Transzendenz verzichten, und gerade
so erst in seiner Reinheit, seiner echten Menschlichkeit sich
enthüllen wird. Ich möchte, dass man auf diese Grundthese
meiner früheren Schrift ernstlich eingegangen wäre. Die Ant-
wort: Religion ohne Transzendenz sei eben keine Religion mehr,
bedeutet, dieser These gegenüber, nicht eine Antwort, sondern
ein Achselzucken.

Alle edleren Gestaltungen der Religion, gerade die, die
man als die edelsten immer hat anerkennen müssen, enthalten
rein humane, namentlich menschlich-sittliche Elemente von
tiefster Bedeutung. Man kann dagegen einwenden: das beweise
nur, dass solche Elemente sich mit Religion also verträglich
erwiesen haben, und zwar mit der Religion der Transzendenz,
die doch diese selben Religionen nicht etwa preisgegeben haben.
Allein auf der Höhe ihrer Bewusstheit treten diese

liche Kunstgestaltung das, was die Religion der Transzendenz
aus diesem allen macht, nicht für echt und ehrlich zu er-
kennen.

Auf diesem toten Punkt ist der Streit gegenwärtig an-
gekommen. Es fragt sich, ob es hierbei bleiben, ob also die
Menschheit in diese zwei unversöhnlichen Parteien für immer aus-
einanderfallen soll. Warum nicht? wird der Religiöse sagen, dessen
ganzes Denken ja darauf eingestellt ist, eine solche schliessliche
Dualität als unvermeidlich hinzunehmen; auch wenn ihm Hölle
und Teufel zu etwas verblassten Realitäten geworden sein sollten.
Anders der Humanist. Er wird, nicht aus schwächlicher Friedens-
sehnsucht oder gar im Gefühl der eigenen Kampfunfähigkeit,
sondern nach dem ganzen Prinzip seiner Denkweise den Aus-
gleich für möglich und notwendig halten; möglich und not
wendig eben auf dem Boden — der Humanität. Er wird ver-
suchen, Religion selbst als eine Geburt des Menschentums zu
begreifen; er wird versuchen zu zeigen, dass der Quell und
innere Grund der Religion — derselbe innere Grund, der,
wenn ausschliesslich wirkend, nicht in sein reines Verhält-
nis gesetzt zu Wissenschaft, Sittlichkeit und Kunst, die Trans-
zendenz und damit jenen unheilbaren Konflikt unvermeidlich
herbeiführt — dann, wenn er dies reine Verhältnis zu suchen
nicht verschmäht, auf die Transzendenz verzichten, und gerade
so erst in seiner Reinheit, seiner echten Menschlichkeit sich
enthüllen wird. Ich möchte, dass man auf diese Grundthese
meiner früheren Schrift ernstlich eingegangen wäre. Die Ant-
wort: Religion ohne Transzendenz sei eben keine Religion mehr,
bedeutet, dieser These gegenüber, nicht eine Antwort, sondern
ein Achselzucken.

Alle edleren Gestaltungen der Religion, gerade die, die
man als die edelsten immer hat anerkennen müssen, enthalten
rein humane, namentlich menschlich-sittliche Elemente von
tiefster Bedeutung. Man kann dagegen einwenden: das beweise
nur, dass solche Elemente sich mit Religion also verträglich
erwiesen haben, und zwar mit der Religion der Transzendenz,
die doch diese selben Religionen nicht etwa preisgegeben haben.
Allein auf der Höhe ihrer Bewusstheit treten diese

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[335/0351] liche Kunstgestaltung das, was die Religion der Transzendenz aus diesem allen macht, nicht für echt und ehrlich zu er- kennen. Auf diesem toten Punkt ist der Streit gegenwärtig an- gekommen. Es fragt sich, ob es hierbei bleiben, ob also die Menschheit in diese zwei unversöhnlichen Parteien für immer aus- einanderfallen soll. Warum nicht? wird der Religiöse sagen, dessen ganzes Denken ja darauf eingestellt ist, eine solche schliessliche Dualität als unvermeidlich hinzunehmen; auch wenn ihm Hölle und Teufel zu etwas verblassten Realitäten geworden sein sollten. Anders der Humanist. Er wird, nicht aus schwächlicher Friedens- sehnsucht oder gar im Gefühl der eigenen Kampfunfähigkeit, sondern nach dem ganzen Prinzip seiner Denkweise den Aus- gleich für möglich und notwendig halten; möglich und not wendig eben auf dem Boden — der Humanität. Er wird ver- suchen, Religion selbst als eine Geburt des Menschentums zu begreifen; er wird versuchen zu zeigen, dass der Quell und innere Grund der Religion — derselbe innere Grund, der, wenn ausschliesslich wirkend, nicht in sein reines Verhält- nis gesetzt zu Wissenschaft, Sittlichkeit und Kunst, die Trans- zendenz und damit jenen unheilbaren Konflikt unvermeidlich herbeiführt — dann, wenn er dies reine Verhältnis zu suchen nicht verschmäht, auf die Transzendenz verzichten, und gerade so erst in seiner Reinheit, seiner echten Menschlichkeit sich enthüllen wird. Ich möchte, dass man auf diese Grundthese meiner früheren Schrift ernstlich eingegangen wäre. Die Ant- wort: Religion ohne Transzendenz sei eben keine Religion mehr, bedeutet, dieser These gegenüber, nicht eine Antwort, sondern ein Achselzucken. Alle edleren Gestaltungen der Religion, gerade die, die man als die edelsten immer hat anerkennen müssen, enthalten rein humane, namentlich menschlich-sittliche Elemente von tiefster Bedeutung. Man kann dagegen einwenden: das beweise nur, dass solche Elemente sich mit Religion also verträglich erwiesen haben, und zwar mit der Religion der Transzendenz, die doch diese selben Religionen nicht etwa preisgegeben haben. Allein auf der Höhe ihrer Bewusstheit treten diese

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Zitationshilfe: Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/351>, abgerufen am 29.11.2024.