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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.

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noch widersinniger -- wenn es möglich wäre, dass etwas
falscher als falsch ist -- würde es sein, die logischen Grund-
gesetze von Zeitbestimmung abhängig zu denken, auch nur
von Zeitbestimmung überhaupt. Denn die Möglichkeit der
Zeitbestimmung wie jeder andern Bestimmung hängt vielmehr
ab von der Möglichkeit, überhaupt etwas zu bestimmen, d. h.
A = A, oder richtiger, überhaupt einen Inhalt A als iden-
tischen zu setzen, was bekanntlich das erste logische Grund-
gesetz ist.

Wird man nun noch entgegnen: diese Setzung, als ein
Gedanke, setze doch wenigstens eine zeitliche Thatsache,
nämlich die des jedesmaligen Denkens voraus? Also besage
z. B. der Satz des Widerspruchs, dass widersprechende Ge-
danken sich im thatsächlichen Denken, unter gewissen nor-
malen Bedingungen, allemal wirklich ausschliessen, d. i. gegen-
seitig totmachen; oder das logische Verhältnis von Grund und
Folge, dass ein Gedanke den andern im thatsächlichen Denken,
wiederum unter gewissen näher zu bestimmenden Umständen,
allemal wirklich nach sich ziehe?

Das hiesse unsere ganze Beweisführung nicht verstanden
haben. Dennoch sei darauf noch so viel geantwortet: es hat
bisher noch keiner die Bedingungen anders als tautologisch
anzugeben vermocht, unter denen im wirklichen Denk-
verlauf
Widersprüche ausgeschlossen sind, oder gar die
Folgen des je Gedachten unfehlbar erkannt werden. Gewiss,
unter genau gleichen Bedingungen wird allzeit genau das
Gleiche, nämlich entweder logisches oder unlogisches Denken
erfolgen. Allein dawider gälte unser erster Einwand: der
Inhalt eines logischen Satzes ist nicht, dass unter solchen und
solchen Bedingungen Gedanken sich so, unter andern anders
verbinden, sondern dass, ohne jede einschränkende Bedingung,
gewisse Gedankenverbindungen wahr, davon abweichende
falsch sind. Diese Unbedingtheit der logischen Gesetze würde
fraglich werden, wenn die überaus bedingte zeitliche Gesetz-
lichkeit des Vorstellungslaufs für die logischen Gesetze ein-
stehen sollte.

Aber gerade bei diesen Ausdrücken, "wahr" und "falsch",

noch widersinniger — wenn es möglich wäre, dass etwas
falscher als falsch ist — würde es sein, die logischen Grund-
gesetze von Zeitbestimmung abhängig zu denken, auch nur
von Zeitbestimmung überhaupt. Denn die Möglichkeit der
Zeitbestimmung wie jeder andern Bestimmung hängt vielmehr
ab von der Möglichkeit, überhaupt etwas zu bestimmen, d. h.
A = A, oder richtiger, überhaupt einen Inhalt A als iden-
tischen zu setzen, was bekanntlich das erste logische Grund-
gesetz ist.

Wird man nun noch entgegnen: diese Setzung, als ein
Gedanke, setze doch wenigstens eine zeitliche Thatsache,
nämlich die des jedesmaligen Denkens voraus? Also besage
z. B. der Satz des Widerspruchs, dass widersprechende Ge-
danken sich im thatsächlichen Denken, unter gewissen nor-
malen Bedingungen, allemal wirklich ausschliessen, d. i. gegen-
seitig totmachen; oder das logische Verhältnis von Grund und
Folge, dass ein Gedanke den andern im thatsächlichen Denken,
wiederum unter gewissen näher zu bestimmenden Umständen,
allemal wirklich nach sich ziehe?

Das hiesse unsere ganze Beweisführung nicht verstanden
haben. Dennoch sei darauf noch so viel geantwortet: es hat
bisher noch keiner die Bedingungen anders als tautologisch
anzugeben vermocht, unter denen im wirklichen Denk-
verlauf
Widersprüche ausgeschlossen sind, oder gar die
Folgen des je Gedachten unfehlbar erkannt werden. Gewiss,
unter genau gleichen Bedingungen wird allzeit genau das
Gleiche, nämlich entweder logisches oder unlogisches Denken
erfolgen. Allein dawider gälte unser erster Einwand: der
Inhalt eines logischen Satzes ist nicht, dass unter solchen und
solchen Bedingungen Gedanken sich so, unter andern anders
verbinden, sondern dass, ohne jede einschränkende Bedingung,
gewisse Gedankenverbindungen wahr, davon abweichende
falsch sind. Diese Unbedingtheit der logischen Gesetze würde
fraglich werden, wenn die überaus bedingte zeitliche Gesetz-
lichkeit des Vorstellungslaufs für die logischen Gesetze ein-
stehen sollte.

Aber gerade bei diesen Ausdrücken, „wahr“ und „falsch“,

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[19/0035] noch widersinniger — wenn es möglich wäre, dass etwas falscher als falsch ist — würde es sein, die logischen Grund- gesetze von Zeitbestimmung abhängig zu denken, auch nur von Zeitbestimmung überhaupt. Denn die Möglichkeit der Zeitbestimmung wie jeder andern Bestimmung hängt vielmehr ab von der Möglichkeit, überhaupt etwas zu bestimmen, d. h. A = A, oder richtiger, überhaupt einen Inhalt A als iden- tischen zu setzen, was bekanntlich das erste logische Grund- gesetz ist. Wird man nun noch entgegnen: diese Setzung, als ein Gedanke, setze doch wenigstens eine zeitliche Thatsache, nämlich die des jedesmaligen Denkens voraus? Also besage z. B. der Satz des Widerspruchs, dass widersprechende Ge- danken sich im thatsächlichen Denken, unter gewissen nor- malen Bedingungen, allemal wirklich ausschliessen, d. i. gegen- seitig totmachen; oder das logische Verhältnis von Grund und Folge, dass ein Gedanke den andern im thatsächlichen Denken, wiederum unter gewissen näher zu bestimmenden Umständen, allemal wirklich nach sich ziehe? Das hiesse unsere ganze Beweisführung nicht verstanden haben. Dennoch sei darauf noch so viel geantwortet: es hat bisher noch keiner die Bedingungen anders als tautologisch anzugeben vermocht, unter denen im wirklichen Denk- verlauf Widersprüche ausgeschlossen sind, oder gar die Folgen des je Gedachten unfehlbar erkannt werden. Gewiss, unter genau gleichen Bedingungen wird allzeit genau das Gleiche, nämlich entweder logisches oder unlogisches Denken erfolgen. Allein dawider gälte unser erster Einwand: der Inhalt eines logischen Satzes ist nicht, dass unter solchen und solchen Bedingungen Gedanken sich so, unter andern anders verbinden, sondern dass, ohne jede einschränkende Bedingung, gewisse Gedankenverbindungen wahr, davon abweichende falsch sind. Diese Unbedingtheit der logischen Gesetze würde fraglich werden, wenn die überaus bedingte zeitliche Gesetz- lichkeit des Vorstellungslaufs für die logischen Gesetze ein- stehen sollte. Aber gerade bei diesen Ausdrücken, „wahr“ und „falsch“,

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Zitationshilfe: Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/35>, abgerufen am 25.11.2024.