gleichartiges Anhängsel ist die weitere Schule des Waffen- dienstes. Sogar nirgends ist der erziehende Einfluss organisierter Gemeinschaft so greifbar, daher auch thatsächlich so hoch, selbst bis zum Uebermaass entwickelt. Von welcher Bedeutung gerade dies Formale des schulartigen Betriebs der Bildungs- thätigkeit für die Erziehung ist, ist an seinem Orte gezeigt worden; hier sei noch besonders darauf aufmerksam gemacht, wie das auch auf die ganze Behandlung des Stofflichen der Bildung, in intellektueller wie sittlicher Hinsicht, Einfluss hat. Die Konzentration, die aus dem Trieb den Willen erzeugt, kann freilich nur von einem jeden selbst vollbracht werden; aber sie findet die kräftigste Unterstützung in straffer äusserer Organisation, und umso mehr, je mehr sie dabei doch den Charakter wirklicher Gemeinschaft behält. Es ist das Element, in dem der Bürgersinn natürlich erwächst. Ueberwog viel- leicht anfangs der Trieb der individuellen Selbstbehauptung, so mässigt und begrenzt er sich bald in dem gleichzeitig er- starkenden Sinn für gemeinsame Behauptung. Man lernt, was man für sich will, gleichsam für alle wollen, für den Verein als solchen. Das Beste, was die Schule, und so auch der Waffendienst, in erzieherischer Hinsicht wirken kann, wirken beide als Verein; man sollte darum auch trachten sie möglichst zum Verein Gleichwollender, statt zur blossen Zwangs- und Dressuranstalt, zu machen. So würden desto mehr die an ihnen Teilnehmenden herangebildet zum grösseren Verein des Bürgertums, des Staats, in den beide sich, als "nationale" Ver- anstaltungen, sachgemäss einfügen. Es entwickelt sich aus dem natürlichen Kameradschaftstrieb der in gemeinsamer Schu- lung Heranwachsenden der Vaterlandssinn, als Bürgersinn und nur in und mit diesem zugleich militärischer Sinn, dessen ge- rechte Ansprüche wir nicht verkennen, wenn auch der Ueber- spannung seiner Bedeutung entgegenzutreten Anlass genug ist. Der organisierte Militärdienst hat jedenfalls das Verdienst, zu zeigen, was Organisation vermag.
Auch in allen diesen Beziehungen sind die Stoffe des klassischen Altertums von unschätzbarem Wert. Die ernsten Bilder von Bürger- und Kriegertugend, welche die historischen
gleichartiges Anhängsel ist die weitere Schule des Waffen- dienstes. Sogar nirgends ist der erziehende Einfluss organisierter Gemeinschaft so greifbar, daher auch thatsächlich so hoch, selbst bis zum Uebermaass entwickelt. Von welcher Bedeutung gerade dies Formale des schulartigen Betriebs der Bildungs- thätigkeit für die Erziehung ist, ist an seinem Orte gezeigt worden; hier sei noch besonders darauf aufmerksam gemacht, wie das auch auf die ganze Behandlung des Stofflichen der Bildung, in intellektueller wie sittlicher Hinsicht, Einfluss hat. Die Konzentration, die aus dem Trieb den Willen erzeugt, kann freilich nur von einem jeden selbst vollbracht werden; aber sie findet die kräftigste Unterstützung in straffer äusserer Organisation, und umso mehr, je mehr sie dabei doch den Charakter wirklicher Gemeinschaft behält. Es ist das Element, in dem der Bürgersinn natürlich erwächst. Ueberwog viel- leicht anfangs der Trieb der individuellen Selbstbehauptung, so mässigt und begrenzt er sich bald in dem gleichzeitig er- starkenden Sinn für gemeinsame Behauptung. Man lernt, was man für sich will, gleichsam für alle wollen, für den Verein als solchen. Das Beste, was die Schule, und so auch der Waffendienst, in erzieherischer Hinsicht wirken kann, wirken beide als Verein; man sollte darum auch trachten sie möglichst zum Verein Gleichwollender, statt zur blossen Zwangs- und Dressuranstalt, zu machen. So würden desto mehr die an ihnen Teilnehmenden herangebildet zum grösseren Verein des Bürgertums, des Staats, in den beide sich, als „nationale“ Ver- anstaltungen, sachgemäss einfügen. Es entwickelt sich aus dem natürlichen Kameradschaftstrieb der in gemeinsamer Schu- lung Heranwachsenden der Vaterlandssinn, als Bürgersinn und nur in und mit diesem zugleich militärischer Sinn, dessen ge- rechte Ansprüche wir nicht verkennen, wenn auch der Ueber- spannung seiner Bedeutung entgegenzutreten Anlass genug ist. Der organisierte Militärdienst hat jedenfalls das Verdienst, zu zeigen, was Organisation vermag.
Auch in allen diesen Beziehungen sind die Stoffe des klassischen Altertums von unschätzbarem Wert. Die ernsten Bilder von Bürger- und Kriegertugend, welche die historischen
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gleichartiges Anhängsel ist die weitere Schule des Waffen-
dienstes. Sogar nirgends ist der erziehende Einfluss organisierter
Gemeinschaft so greifbar, daher auch thatsächlich so hoch,
selbst bis zum Uebermaass entwickelt. Von welcher Bedeutung
gerade dies Formale des schulartigen Betriebs der Bildungs-
thätigkeit für die Erziehung ist, ist an seinem Orte gezeigt
worden; hier sei noch besonders darauf aufmerksam gemacht,
wie das auch auf die ganze Behandlung des Stofflichen der
Bildung, in intellektueller wie sittlicher Hinsicht, Einfluss hat.
Die Konzentration, die aus dem Trieb den Willen erzeugt,
kann freilich nur von einem jeden selbst vollbracht werden;
aber sie findet die kräftigste Unterstützung in straffer äusserer
Organisation, und umso mehr, je mehr sie dabei doch den
Charakter wirklicher Gemeinschaft behält. Es ist das Element,
in dem der Bürgersinn natürlich erwächst. Ueberwog viel-
leicht anfangs der Trieb der individuellen Selbstbehauptung,
so mässigt und begrenzt er sich bald in dem gleichzeitig er-
starkenden Sinn für gemeinsame Behauptung. Man lernt, was
man für sich will, gleichsam für alle wollen, für den Verein
als solchen. Das Beste, was die Schule, und so auch der
Waffendienst, in erzieherischer Hinsicht wirken kann, wirken
beide als Verein; man sollte darum auch trachten sie möglichst
zum Verein Gleichwollender, statt zur blossen Zwangs- und
Dressuranstalt, zu machen. So würden desto mehr die an
ihnen Teilnehmenden herangebildet zum grösseren Verein des
Bürgertums, des Staats, in den beide sich, als „nationale“ Ver-
anstaltungen, sachgemäss einfügen. Es entwickelt sich aus
dem natürlichen Kameradschaftstrieb der in gemeinsamer Schu-
lung Heranwachsenden der Vaterlandssinn, als Bürgersinn und
nur in und mit diesem zugleich militärischer Sinn, dessen ge-
rechte Ansprüche wir nicht verkennen, wenn auch der Ueber-
spannung seiner Bedeutung entgegenzutreten Anlass genug ist.
Der organisierte Militärdienst hat jedenfalls das Verdienst, zu
zeigen, was Organisation vermag.
Auch in allen diesen Beziehungen sind die Stoffe des
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/274>, abgerufen am 22.11.2024.
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