stehen kann. Vollends den Mächten der toten Natur lässt sich nur mit dem aufrichtigen Willen zur Wahrheit beikommen; sie entlarvt und straft jede Unwahrheit noch pünktlicher als das soziale Leben, das sich auf Zeiten wenigstens und in engem Bereich mit ihr nur allzu gut einzurichten versteht. Eine Durchdringung des ganzen Gemeinschaftslebens mit dem Sinn der Wahrheit hat aber zur Voraussetzung die gleich- heitliche Teilnahme aller an jener menschlichen Bildung, die erst im klaren und sicheren Bewusstsein des sittlichen Gesetzes der Gemeinschaft selbst ihren Gipfel wie ihre inner- lichste Begründung erreicht. Ohne thätliche Anerkennung des gleichen Bildungsanspruchs aller bleibt die Erhebung sittlicher Forderungen im sozialen Leben selber eine innere Unwahrheit. Verlangt man vom Menschen in jeder sozialen Stellung, dass er dem Sittengesetz als höchster Norm sein ganzes Verhalten bedingungslos unterordne, nun so schaffe man auch, dass er zur selbstgewissen Einsicht, zum unverlierbaren thatkräftigen Bewusstsein des sittlichen Gesetzes auf dem ein- zigen dahin führenden Wege, dem Wege freier und harmonischer, wahrhaft menschlicher Bildung in einer nach Möglichkeit sitt- lich geordneten Gemeinschaft und durch unmittelbare Teilnahme an ihr geführt wird. Der Glaube, dass der Wille des Guten ohne diese Bedingungen als Gnade des Himmels auf ihn herab- kommen könne, oder dass er aus irgend einem Katechismus zu "lernen" sei wie das "kleine Einmaleins bis zehn", ist durch die Thatsachen nachgerade gründlich genug widerlegt. Die Organisationen zur menschlichen Bildung, die zum gedachten Ziele zu führen geeignet wären, werden in den nächsten Para- graphen erwogen werden. Das Allgemeine aber darf hier schon vorausgesetzt werden, dass im letzten Grunde die Ge- meinschaft allein erzieht, dass Menschenbildung in jedem Betracht ebenso sehr Gemeinschaftssache wie andrerseits letzte Basis der Gemeinschaft ist; woraus die soziale Bedeutung unsrer ersten Tugend klar genug folgt.
Jedes Bestreben aber, irgendwelche konkreten Forderungen der sittlichen Vernunft in der Gemeinschaft und für sie zu thatsächlicher Anerkennung zu bringen, führt auf den Weg
stehen kann. Vollends den Mächten der toten Natur lässt sich nur mit dem aufrichtigen Willen zur Wahrheit beikommen; sie entlarvt und straft jede Unwahrheit noch pünktlicher als das soziale Leben, das sich auf Zeiten wenigstens und in engem Bereich mit ihr nur allzu gut einzurichten versteht. Eine Durchdringung des ganzen Gemeinschaftslebens mit dem Sinn der Wahrheit hat aber zur Voraussetzung die gleich- heitliche Teilnahme aller an jener menschlichen Bildung, die erst im klaren und sicheren Bewusstsein des sittlichen Gesetzes der Gemeinschaft selbst ihren Gipfel wie ihre inner- lichste Begründung erreicht. Ohne thätliche Anerkennung des gleichen Bildungsanspruchs aller bleibt die Erhebung sittlicher Forderungen im sozialen Leben selber eine innere Unwahrheit. Verlangt man vom Menschen in jeder sozialen Stellung, dass er dem Sittengesetz als höchster Norm sein ganzes Verhalten bedingungslos unterordne, nun so schaffe man auch, dass er zur selbstgewissen Einsicht, zum unverlierbaren thatkräftigen Bewusstsein des sittlichen Gesetzes auf dem ein- zigen dahin führenden Wege, dem Wege freier und harmonischer, wahrhaft menschlicher Bildung in einer nach Möglichkeit sitt- lich geordneten Gemeinschaft und durch unmittelbare Teilnahme an ihr geführt wird. Der Glaube, dass der Wille des Guten ohne diese Bedingungen als Gnade des Himmels auf ihn herab- kommen könne, oder dass er aus irgend einem Katechismus zu „lernen“ sei wie das „kleine Einmaleins bis zehn“, ist durch die Thatsachen nachgerade gründlich genug widerlegt. Die Organisationen zur menschlichen Bildung, die zum gedachten Ziele zu führen geeignet wären, werden in den nächsten Para- graphen erwogen werden. Das Allgemeine aber darf hier schon vorausgesetzt werden, dass im letzten Grunde die Ge- meinschaft allein erzieht, dass Menschenbildung in jedem Betracht ebenso sehr Gemeinschaftssache wie andrerseits letzte Basis der Gemeinschaft ist; woraus die soziale Bedeutung unsrer ersten Tugend klar genug folgt.
Jedes Bestreben aber, irgendwelche konkreten Forderungen der sittlichen Vernunft in der Gemeinschaft und für sie zu thatsächlicher Anerkennung zu bringen, führt auf den Weg
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stehen kann. Vollends den Mächten der toten Natur lässt sich
nur mit dem aufrichtigen Willen zur Wahrheit beikommen;
sie entlarvt und straft jede Unwahrheit noch pünktlicher als
das soziale Leben, das sich auf Zeiten wenigstens und in
engem Bereich mit ihr nur allzu gut einzurichten versteht.
Eine Durchdringung des ganzen Gemeinschaftslebens mit dem
Sinn der Wahrheit hat aber zur Voraussetzung die gleich-
heitliche Teilnahme aller an jener menschlichen Bildung,
die erst im klaren und sicheren Bewusstsein des sittlichen
Gesetzes der Gemeinschaft selbst ihren Gipfel wie ihre inner-
lichste Begründung erreicht. Ohne thätliche Anerkennung des
gleichen Bildungsanspruchs aller bleibt die Erhebung
sittlicher Forderungen im sozialen Leben selber eine innere
Unwahrheit. Verlangt man vom Menschen in jeder sozialen
Stellung, dass er dem Sittengesetz als höchster Norm sein
ganzes Verhalten bedingungslos unterordne, nun so schaffe man
auch, dass er zur selbstgewissen Einsicht, zum unverlierbaren
thatkräftigen Bewusstsein des sittlichen Gesetzes auf dem ein-
zigen dahin führenden Wege, dem Wege freier und harmonischer,
wahrhaft menschlicher Bildung in einer nach Möglichkeit sitt-
lich geordneten Gemeinschaft und durch unmittelbare Teilnahme
an ihr geführt wird. Der Glaube, dass der Wille des Guten
ohne diese Bedingungen als Gnade des Himmels auf ihn herab-
kommen könne, oder dass er aus irgend einem Katechismus
zu „lernen“ sei wie das „kleine Einmaleins bis zehn“, ist durch
die Thatsachen nachgerade gründlich genug widerlegt. Die
Organisationen zur menschlichen Bildung, die zum gedachten
Ziele zu führen geeignet wären, werden in den nächsten Para-
graphen erwogen werden. Das Allgemeine aber darf hier
schon vorausgesetzt werden, dass im letzten Grunde die Ge-
meinschaft allein erzieht, dass Menschenbildung in jedem
Betracht ebenso sehr Gemeinschaftssache wie andrerseits letzte
Basis der Gemeinschaft ist; woraus die soziale Bedeutung unsrer
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Jedes Bestreben aber, irgendwelche konkreten Forderungen
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/195>, abgerufen am 21.11.2024.
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