Bildung jeder ohne Unterschied des Standes und Geschlechts, lediglich nach dem Maasse seiner Befähigung, in gleichheitlicher und stetig übergehender Weise teilhaben soll, im Gegensatz zu der Diskontinuität, in der bis dahin und noch heute, nach dem berühmten Gleichnis Pestalozzis, die Stockwerke der Bildung, nach den sozialen Klassen ge- schieden, gleichsam ohne verbindende Treppen dastehen.
Fasst man alles Gesagte zusammen, so ergiebt sich die Idee eines allgemeingültigen funktionalen Zusammen- hanges unter den notwendigen Grundfaktoren des sozialen Lebens, begründet in einem Verhältnis von Methoden, die zuletzt darauf zielen, zwischen dem eigenen Gesetze der Idee und der allgemeinen Gesetzlichkeit der Natur, die von Haus aus in zentral begründetem, wurzel- haftem Zusammenhang stehen, auch im Bewusstsein der Menschen durchgreifende Verbindung zu stiften; was geschieht durch systematische Unterordnung der Naturtechnik unter die Zwecke der sozialen Technik, mithin der wirtschaftlichen unter die regierende Thätigkeit, und beider unter die Leitung der prak- tischen Vernunft, also die bildende Thätigkeit; alles dieses aber in steter bewusster Rücksichtnahme auf den gesetzmässigen Fortschritt in der eben durch die Oberhoheit der Vernunft diktierten Richtung der Vereinheitlichung, zugleich Indi- vidualisierung und kontinuierlichen Verbindung, in Hinsicht der zu einander in Verhältnis zu setzenden Funk- tionen sowohl als der an der Gemeinschaft beteiligten Sub- jekte.
Das Grundgesetz des Bewusstseins ist es, das diese so merkwürdig durchgehende Analogie, in der die gleichen Prinzipien in gleicher Stellung zu einander auf allen Gebieten des sozialen Lebens wiederkehren, erklärt, und durch welches alle diese Gebiete wiederum unter sich, ohne Aufhebung ihrer Besonderung, in kontinuierlicher Verbindung stehen und so zur generellsten Einheit, im Begriff einer Entwicklung des Men- schentums, sich zusammenfassen. Im Bewusstsein ist alles Menschliche begriffen, mithin auch seinem letzten Gesetze mit Notwendigkeit unterworfen. So wird ebenfalls klar, weshalb
Bildung jeder ohne Unterschied des Standes und Geschlechts, lediglich nach dem Maasse seiner Befähigung, in gleichheitlicher und stetig übergehender Weise teilhaben soll, im Gegensatz zu der Diskontinuität, in der bis dahin und noch heute, nach dem berühmten Gleichnis Pestalozzis, die Stockwerke der Bildung, nach den sozialen Klassen ge- schieden, gleichsam ohne verbindende Treppen dastehen.
Fasst man alles Gesagte zusammen, so ergiebt sich die Idee eines allgemeingültigen funktionalen Zusammen- hanges unter den notwendigen Grundfaktoren des sozialen Lebens, begründet in einem Verhältnis von Methoden, die zuletzt darauf zielen, zwischen dem eigenen Gesetze der Idee und der allgemeinen Gesetzlichkeit der Natur, die von Haus aus in zentral begründetem, wurzel- haftem Zusammenhang stehen, auch im Bewusstsein der Menschen durchgreifende Verbindung zu stiften; was geschieht durch systematische Unterordnung der Naturtechnik unter die Zwecke der sozialen Technik, mithin der wirtschaftlichen unter die regierende Thätigkeit, und beider unter die Leitung der prak- tischen Vernunft, also die bildende Thätigkeit; alles dieses aber in steter bewusster Rücksichtnahme auf den gesetzmässigen Fortschritt in der eben durch die Oberhoheit der Vernunft diktierten Richtung der Vereinheitlichung, zugleich Indi- vidualisierung und kontinuierlichen Verbindung, in Hinsicht der zu einander in Verhältnis zu setzenden Funk- tionen sowohl als der an der Gemeinschaft beteiligten Sub- jekte.
Das Grundgesetz des Bewusstseins ist es, das diese so merkwürdig durchgehende Analogie, in der die gleichen Prinzipien in gleicher Stellung zu einander auf allen Gebieten des sozialen Lebens wiederkehren, erklärt, und durch welches alle diese Gebiete wiederum unter sich, ohne Aufhebung ihrer Besonderung, in kontinuierlicher Verbindung stehen und so zur generellsten Einheit, im Begriff einer Entwicklung des Men- schentums, sich zusammenfassen. Im Bewusstsein ist alles Menschliche begriffen, mithin auch seinem letzten Gesetze mit Notwendigkeit unterworfen. So wird ebenfalls klar, weshalb
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Bildung jeder ohne Unterschied des Standes und
Geschlechts, lediglich nach dem Maasse seiner Befähigung,
in gleichheitlicher und stetig übergehender Weise teilhaben
soll, im Gegensatz zu der Diskontinuität, in der bis dahin
und noch heute, nach dem berühmten Gleichnis Pestalozzis,
die Stockwerke der Bildung, nach den sozialen Klassen ge-
schieden, gleichsam ohne verbindende Treppen dastehen.
Fasst man alles Gesagte zusammen, so ergiebt sich die
Idee eines allgemeingültigen funktionalen Zusammen-
hanges unter den notwendigen Grundfaktoren des
sozialen Lebens, begründet in einem Verhältnis von
Methoden, die zuletzt darauf zielen, zwischen dem eigenen
Gesetze der Idee und der allgemeinen Gesetzlichkeit der
Natur, die von Haus aus in zentral begründetem, wurzel-
haftem Zusammenhang stehen, auch im Bewusstsein der Menschen
durchgreifende Verbindung zu stiften; was geschieht durch
systematische Unterordnung der Naturtechnik unter die Zwecke
der sozialen Technik, mithin der wirtschaftlichen unter die
regierende Thätigkeit, und beider unter die Leitung der prak-
tischen Vernunft, also die bildende Thätigkeit; alles dieses
aber in steter bewusster Rücksichtnahme auf den gesetzmässigen
Fortschritt in der eben durch die Oberhoheit der Vernunft
diktierten Richtung der Vereinheitlichung, zugleich Indi-
vidualisierung und kontinuierlichen Verbindung, in
Hinsicht der zu einander in Verhältnis zu setzenden Funk-
tionen sowohl als der an der Gemeinschaft beteiligten Sub-
jekte.
Das Grundgesetz des Bewusstseins ist es, das diese so
merkwürdig durchgehende Analogie, in der die gleichen
Prinzipien in gleicher Stellung zu einander auf allen Gebieten
des sozialen Lebens wiederkehren, erklärt, und durch welches
alle diese Gebiete wiederum unter sich, ohne Aufhebung ihrer
Besonderung, in kontinuierlicher Verbindung stehen und so zur
generellsten Einheit, im Begriff einer Entwicklung des Men-
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Menschliche begriffen, mithin auch seinem letzten Gesetze mit
Notwendigkeit unterworfen. So wird ebenfalls klar, weshalb
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/192>, abgerufen am 04.12.2024.
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