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Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876.

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der Beobachter nicht selbst Zoolog oder Anatom ist, einem solchen zu
überantworten.

Es ist nöthig, die Individuen selbst zu untersuchen, weil die
individuelle Variabilität beider Arten so bedeutend ist; dabei ist mög-
lichst genau und weit zurück die Abstammung derselben, besonders aber
die des betreffenden Kaninchens, zu verfolgen, um möglichst vorbereitet
zu sein auf Deutung etwa vorkommender Rückschläge.

In den bisher angestellten Versuchen sind die individuellen Unter-
schiede der Stammthiere nur in Bezug auf unwesentliche Nebendinge
erwähnt.

Sind die Bastarde zur Geschlechtsreife gelangt, dann empfiehlt es
sich, in erster Reihe nur mit Inzucht derselben vorzugehen. Anparung
an die Stammältern wird erst in zweiter Reihe gerathen sein. Inzest-
zucht, in den meisten Fällen wohl unvermeidlich, würde, nach allen Er-
fahrungen der Kaninchenzüchter, für den Anfang nicht zu scheuen sein.

Hat die Inzucht der Bastarde Produkte geliefert, sind also somit die
sogenannten Leporiden als Beobachtungsobjekte vorhanden, dann tritt
neben allen bisher erwähnten Rücksichten die Aufgabe in den Vorder-
grund, möglichst viele dieser Individuen von der Geburt an bis min-
destens zur Geschlechtsreife zu vergleichen, um die Kontroverse zu ent-
scheiden, ob die sämmtlichen Leporiden in dem Masse unter sich
gleichartig sind, dass, wie Hr. Zürn annimmt, eine neue eigenthümliche
Art, ein Mittelding, entstanden ist, oder ob, wie Hr. Sanson behauptet,
eine Gleichartigkeit nicht vorhanden ist, dass, im Gegensatz, verschie-
dene Formen auftreten.

Erst in diesem Stadium des Versuches beginnt die volle Bedeutung
desselben. Es sind die Fragen zu beantworten:

1) Vereinigt der Leporide, in bestimmten Verhält-
nissen, Eigenschaften beider Stammältern in sich, und
welche Eigenschaften sind dies?

2) Haben alle Leporiden gleichen Ursprungs immer
und in gleichem Mass dieselben Eigenschaften?

Mit der Beantwortung dieser Fragen entscheidet sich dann erst, ob
es überhaupt Leporiden im Sinne Broca's, Zürn's u. A. giebt, oder
ob mit Sanson u. A. nur von "sogenannten" Leporiden die Rede
sein kann. --

Versuche über Bastarderzeugung und Lösung der sich daran an-
schliessenden bedeutungsvollen Fragen sind, in Bezug auf Säugethiere,
am leichtesten und schnellsten anzustellen mit Hasen und Kaninchen;
die Gründe liegen offen vor -- aber gerade einer der grössten Vortheile,
die Schnelligkeit, mit welcher die Generationen auf einander folgen und
die grosse Zahl von Jungen, wird bald zu einem unüberwindlichen Nach-
theil -- denn es tritt bald der Umstand ein, dass man alle Individuen
nicht mehr bewältigen kann, und dass eine Auswahl unter den-

der Beobachter nicht selbst Zoolog oder Anatom ist, einem solchen zu
überantworten.

Es ist nöthig, die Individuen selbst zu untersuchen, weil die
individuelle Variabilität beider Arten so bedeutend ist; dabei ist mög-
lichst genau und weit zurück die Abstammung derselben, besonders aber
die des betreffenden Kaninchens, zu verfolgen, um möglichst vorbereitet
zu sein auf Deutung etwa vorkommender Rückschläge.

In den bisher angestellten Versuchen sind die individuellen Unter-
schiede der Stammthiere nur in Bezug auf unwesentliche Nebendinge
erwähnt.

Sind die Bastarde zur Geschlechtsreife gelangt, dann empfiehlt es
sich, in erster Reihe nur mit Inzucht derselben vorzugehen. Anparung
an die Stammältern wird erst in zweiter Reihe gerathen sein. Inzest-
zucht, in den meisten Fällen wohl unvermeidlich, würde, nach allen Er-
fahrungen der Kaninchenzüchter, für den Anfang nicht zu scheuen sein.

Hat die Inzucht der Bastarde Produkte geliefert, sind also somit die
sogenannten Leporiden als Beobachtungsobjekte vorhanden, dann tritt
neben allen bisher erwähnten Rücksichten die Aufgabe in den Vorder-
grund, möglichst viele dieser Individuen von der Geburt an bis min-
destens zur Geschlechtsreife zu vergleichen, um die Kontroverse zu ent-
scheiden, ob die sämmtlichen Leporiden in dem Masse unter sich
gleichartig sind, dass, wie Hr. Zürn annimmt, eine neue eigenthümliche
Art, ein Mittelding, entstanden ist, oder ob, wie Hr. Sanson behauptet,
eine Gleichartigkeit nicht vorhanden ist, dass, im Gegensatz, verschie-
dene Formen auftreten.

Erst in diesem Stadium des Versuches beginnt die volle Bedeutung
desselben. Es sind die Fragen zu beantworten:

1) Vereinigt der Leporide, in bestimmten Verhält-
nissen, Eigenschaften beider Stammältern in sich, und
welche Eigenschaften sind dies?

2) Haben alle Leporiden gleichen Ursprungs immer
und in gleichem Mass dieselben Eigenschaften?

Mit der Beantwortung dieser Fragen entscheidet sich dann erst, ob
es überhaupt Leporiden im Sinne Broca’s, Zürn’s u. A. giebt, oder
ob mit Sanson u. A. nur von „sogenannten“ Leporiden die Rede
sein kann. —

Versuche über Bastarderzeugung und Lösung der sich daran an-
schliessenden bedeutungsvollen Fragen sind, in Bezug auf Säugethiere,
am leichtesten und schnellsten anzustellen mit Hasen und Kaninchen;
die Gründe liegen offen vor — aber gerade einer der grössten Vortheile,
die Schnelligkeit, mit welcher die Generationen auf einander folgen und
die grosse Zahl von Jungen, wird bald zu einem unüberwindlichen Nach-
theil — denn es tritt bald der Umstand ein, dass man alle Individuen
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[70/0078] der Beobachter nicht selbst Zoolog oder Anatom ist, einem solchen zu überantworten. Es ist nöthig, die Individuen selbst zu untersuchen, weil die individuelle Variabilität beider Arten so bedeutend ist; dabei ist mög- lichst genau und weit zurück die Abstammung derselben, besonders aber die des betreffenden Kaninchens, zu verfolgen, um möglichst vorbereitet zu sein auf Deutung etwa vorkommender Rückschläge. In den bisher angestellten Versuchen sind die individuellen Unter- schiede der Stammthiere nur in Bezug auf unwesentliche Nebendinge erwähnt. Sind die Bastarde zur Geschlechtsreife gelangt, dann empfiehlt es sich, in erster Reihe nur mit Inzucht derselben vorzugehen. Anparung an die Stammältern wird erst in zweiter Reihe gerathen sein. Inzest- zucht, in den meisten Fällen wohl unvermeidlich, würde, nach allen Er- fahrungen der Kaninchenzüchter, für den Anfang nicht zu scheuen sein. Hat die Inzucht der Bastarde Produkte geliefert, sind also somit die sogenannten Leporiden als Beobachtungsobjekte vorhanden, dann tritt neben allen bisher erwähnten Rücksichten die Aufgabe in den Vorder- grund, möglichst viele dieser Individuen von der Geburt an bis min- destens zur Geschlechtsreife zu vergleichen, um die Kontroverse zu ent- scheiden, ob die sämmtlichen Leporiden in dem Masse unter sich gleichartig sind, dass, wie Hr. Zürn annimmt, eine neue eigenthümliche Art, ein Mittelding, entstanden ist, oder ob, wie Hr. Sanson behauptet, eine Gleichartigkeit nicht vorhanden ist, dass, im Gegensatz, verschie- dene Formen auftreten. Erst in diesem Stadium des Versuches beginnt die volle Bedeutung desselben. Es sind die Fragen zu beantworten: 1) Vereinigt der Leporide, in bestimmten Verhält- nissen, Eigenschaften beider Stammältern in sich, und welche Eigenschaften sind dies? 2) Haben alle Leporiden gleichen Ursprungs immer und in gleichem Mass dieselben Eigenschaften? Mit der Beantwortung dieser Fragen entscheidet sich dann erst, ob es überhaupt Leporiden im Sinne Broca’s, Zürn’s u. A. giebt, oder ob mit Sanson u. A. nur von „sogenannten“ Leporiden die Rede sein kann. — Versuche über Bastarderzeugung und Lösung der sich daran an- schliessenden bedeutungsvollen Fragen sind, in Bezug auf Säugethiere, am leichtesten und schnellsten anzustellen mit Hasen und Kaninchen; die Gründe liegen offen vor — aber gerade einer der grössten Vortheile, die Schnelligkeit, mit welcher die Generationen auf einander folgen und die grosse Zahl von Jungen, wird bald zu einem unüberwindlichen Nach- theil — denn es tritt bald der Umstand ein, dass man alle Individuen nicht mehr bewältigen kann, und dass eine Auswahl unter den-

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Zitationshilfe: Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_leporiden_1876/78>, abgerufen am 23.11.2024.