ihnen den gottlosen Mund stopfen, es sei Neid, und so weiter. Im Grunde aber war er recht froh, daß ihm Klärchen die Personen nicht nennen konnte. Eine genaue Untersuchung wäre ihm doch nicht gelegen ge¬ wesen. Die Anschuldigung des Betrinkens erklärte er damit, daß er gestern Wein abgezogen habe, und daß die kalte Kellerluft, nach der Schwüle oben im Haus, ihm nicht wohl gethan, sodaß er schwindlich und ohn¬ mächtig geworden. O, er that so erzürnt und erboßt, daß ihm Klärchen die schönsten Worte geben mußte, um ihn wieder zu beruhigen. Er ließ sich auch beru¬ higen, und Beide unterdrückten durch süße Worte ihre gegenseitigen beängstigenden Gefühle.
Gegen Mittag wanderten Beide zu Tante Rieke. Klärchen hatte die Freude, daß man ihnen überall nachsah, -- wirklich ein schönes Paar! Er sah wenig¬ stens aus wie ein Baron, und sie nicht minder vor¬ nehm. Was wird die hausbackene Grete, was Fritz Buchstein sagen? Grete wird gewiß verlegen dem vor¬ nehmen Manne gegenüber, und Tante Rieke macht einen etwas tieferen Knix.
Aber sie irrte sich. Tante Rieke war allerdings verwundert, Klärchen am Arme eines fremden Mannes zu sehen; und als diese den Namen nannte und ihn als ihren Bräutigam vorstellte, machte sie ein sehr ernsthaftes Gesicht. Gretchen aber sah dem Bräutigam erst forschend und dann ganz erzürnt in die Augen. Dieser ward sichtlich verlegen dadurch und wandte sich ab. Klärchen bemerkte das und wußte gar nicht, woran sie war. Die Tante unterbrach zuerst die pein¬ liche Pause.
ihnen den gottloſen Mund ſtopfen, es ſei Neid, und ſo weiter. Im Grunde aber war er recht froh, daß ihm Klärchen die Perſonen nicht nennen konnte. Eine genaue Unterſuchung wäre ihm doch nicht gelegen ge¬ weſen. Die Anſchuldigung des Betrinkens erklärte er damit, daß er geſtern Wein abgezogen habe, und daß die kalte Kellerluft, nach der Schwüle oben im Haus, ihm nicht wohl gethan, ſodaß er ſchwindlich und ohn¬ mächtig geworden. O, er that ſo erzürnt und erboßt, daß ihm Klärchen die ſchönſten Worte geben mußte, um ihn wieder zu beruhigen. Er ließ ſich auch beru¬ higen, und Beide unterdrückten durch ſüße Worte ihre gegenſeitigen beängſtigenden Gefühle.
Gegen Mittag wanderten Beide zu Tante Rieke. Klärchen hatte die Freude, daß man ihnen überall nachſah, — wirklich ein ſchönes Paar! Er ſah wenig¬ ſtens aus wie ein Baron, und ſie nicht minder vor¬ nehm. Was wird die hausbackene Grete, was Fritz Buchſtein ſagen? Grete wird gewiß verlegen dem vor¬ nehmen Manne gegenüber, und Tante Rieke macht einen etwas tieferen Knix.
Aber ſie irrte ſich. Tante Rieke war allerdings verwundert, Klärchen am Arme eines fremden Mannes zu ſehen; und als dieſe den Namen nannte und ihn als ihren Bräutigam vorſtellte, machte ſie ein ſehr ernſthaftes Geſicht. Gretchen aber ſah dem Bräutigam erſt forſchend und dann ganz erzürnt in die Augen. Dieſer ward ſichtlich verlegen dadurch und wandte ſich ab. Klärchen bemerkte das und wußte gar nicht, woran ſie war. Die Tante unterbrach zuerſt die pein¬ liche Pauſe.
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ihnen den gottloſen Mund ſtopfen, es ſei Neid, und
ſo weiter. Im Grunde aber war er recht froh, daß
ihm Klärchen die Perſonen nicht nennen konnte. Eine
genaue Unterſuchung wäre ihm doch nicht gelegen ge¬
weſen. Die Anſchuldigung des Betrinkens erklärte er
damit, daß er geſtern Wein abgezogen habe, und daß
die kalte Kellerluft, nach der Schwüle oben im Haus,
ihm nicht wohl gethan, ſodaß er ſchwindlich und ohn¬
mächtig geworden. O, er that ſo erzürnt und erboßt,
daß ihm Klärchen die ſchönſten Worte geben mußte,
um ihn wieder zu beruhigen. Er ließ ſich auch beru¬
higen, und Beide unterdrückten durch ſüße Worte ihre
gegenſeitigen beängſtigenden Gefühle.
Gegen Mittag wanderten Beide zu Tante Rieke.
Klärchen hatte die Freude, daß man ihnen überall
nachſah, — wirklich ein ſchönes Paar! Er ſah wenig¬
ſtens aus wie ein Baron, und ſie nicht minder vor¬
nehm. Was wird die hausbackene Grete, was Fritz
Buchſtein ſagen? Grete wird gewiß verlegen dem vor¬
nehmen Manne gegenüber, und Tante Rieke macht
einen etwas tieferen Knix.
Aber ſie irrte ſich. Tante Rieke war allerdings
verwundert, Klärchen am Arme eines fremden Mannes
zu ſehen; und als dieſe den Namen nannte und ihn
als ihren Bräutigam vorſtellte, machte ſie ein ſehr
ernſthaftes Geſicht. Gretchen aber ſah dem Bräutigam
erſt forſchend und dann ganz erzürnt in die Augen.
Dieſer ward ſichtlich verlegen dadurch und wandte ſich
ab. Klärchen bemerkte das und wußte gar nicht,
woran ſie war. Die Tante unterbrach zuerſt die pein¬
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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/88>, abgerufen am 16.02.2025.
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