den gewesen, war das Unangenehmste bei der Sache. Sie mußte den Grund dieses Gespräches wissen, sie mußte aus ihrer Ungewißheit kommen, und verließ deshalb ihr Zimmer. Im Vorbeigehen faßte sie an ihres Bräutigams Thür, die war verschlossen. Dar¬ auf sah sie in den Salon. Hier war er nicht. Sie ging in die Küche und erkundigte sich, für wen der Thee bestimmt sei. Für Herrn Eduard, sagte die Kö¬ chin unbefangen. Der Laufbursche, der mit dem Brett und der Tasse dabei stand, grinsete bei diesen Worten die Küchenmagd sehr verständlich an. Klärchen mußte sich sehr zusammen nehmen, um ihre Bewegung nicht merken zu lassen; sie konnte den Abend auf ihrem La¬ ger keine Ruhe finden. Wie entsetzlich, wenn er trinkt! Sie dachte an ihren verstorbenen Vater, wie der die Mutter dadurch so unglücklich gemacht hatte, sie sah um sich noch lebende Beispiele genug. Selbst der alte Vogler, der sonst im Haus Alles gehen ließ, wie es wollte, -- wenn er betrunken nach Hause kam, war die kranke Frau und die verzogene Tochter nicht vor seinen Schlägen sicher. Und wie mag es vielleicht mit dem Gasthof stehen? Ob die vorgespiegelten Hoff¬ nungen wohl Wahrheit sind? So allein mit der Nacht und mit ihren Gedanken, ward ihr ganz bange, und -- wunderlich genug, -- Fritz Buchstein und Tante Rieke standen Beide mit ihren ernsten Gesichtern und strafenden Worten vor ihrer Seele. Wenn der Gott, von dem sie so viel reden, dich doch für dein leicht¬ sinniges Leben strafen könnte? Wenn die Tante Recht hätte mit ihrem Sprüchwort: Wie man's treibt, so geht's? -- Aber was sollte sie machen? Jetzt wieder
den geweſen, war das Unangenehmſte bei der Sache. Sie mußte den Grund dieſes Geſpräches wiſſen, ſie mußte aus ihrer Ungewißheit kommen, und verließ deshalb ihr Zimmer. Im Vorbeigehen faßte ſie an ihres Bräutigams Thür, die war verſchloſſen. Dar¬ auf ſah ſie in den Salon. Hier war er nicht. Sie ging in die Küche und erkundigte ſich, für wen der Thee beſtimmt ſei. Für Herrn Eduard, ſagte die Kö¬ chin unbefangen. Der Laufburſche, der mit dem Brett und der Taſſe dabei ſtand, grinſete bei dieſen Worten die Küchenmagd ſehr verſtändlich an. Klärchen mußte ſich ſehr zuſammen nehmen, um ihre Bewegung nicht merken zu laſſen; ſie konnte den Abend auf ihrem La¬ ger keine Ruhe finden. Wie entſetzlich, wenn er trinkt! Sie dachte an ihren verſtorbenen Vater, wie der die Mutter dadurch ſo unglücklich gemacht hatte, ſie ſah um ſich noch lebende Beiſpiele genug. Selbſt der alte Vogler, der ſonſt im Haus Alles gehen ließ, wie es wollte, — wenn er betrunken nach Hauſe kam, war die kranke Frau und die verzogene Tochter nicht vor ſeinen Schlägen ſicher. Und wie mag es vielleicht mit dem Gaſthof ſtehen? Ob die vorgeſpiegelten Hoff¬ nungen wohl Wahrheit ſind? So allein mit der Nacht und mit ihren Gedanken, ward ihr ganz bange, und — wunderlich genug, — Fritz Buchſtein und Tante Rieke ſtanden Beide mit ihren ernſten Geſichtern und ſtrafenden Worten vor ihrer Seele. Wenn der Gott, von dem ſie ſo viel reden, dich doch für dein leicht¬ ſinniges Leben ſtrafen könnte? Wenn die Tante Recht hätte mit ihrem Sprüchwort: Wie man's treibt, ſo geht's? — Aber was ſollte ſie machen? Jetzt wieder
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den geweſen, war das Unangenehmſte bei der Sache.
Sie mußte den Grund dieſes Geſpräches wiſſen, ſie
mußte aus ihrer Ungewißheit kommen, und verließ
deshalb ihr Zimmer. Im Vorbeigehen faßte ſie an
ihres Bräutigams Thür, die war verſchloſſen. Dar¬
auf ſah ſie in den Salon. Hier war er nicht. Sie
ging in die Küche und erkundigte ſich, für wen der
Thee beſtimmt ſei. Für Herrn Eduard, ſagte die Kö¬
chin unbefangen. Der Laufburſche, der mit dem Brett
und der Taſſe dabei ſtand, grinſete bei dieſen Worten
die Küchenmagd ſehr verſtändlich an. Klärchen mußte
ſich ſehr zuſammen nehmen, um ihre Bewegung nicht
merken zu laſſen; ſie konnte den Abend auf ihrem La¬
ger keine Ruhe finden. Wie entſetzlich, wenn er trinkt!
Sie dachte an ihren verſtorbenen Vater, wie der die
Mutter dadurch ſo unglücklich gemacht hatte, ſie ſah
um ſich noch lebende Beiſpiele genug. Selbſt der
alte Vogler, der ſonſt im Haus Alles gehen ließ, wie
es wollte, — wenn er betrunken nach Hauſe kam, war
die kranke Frau und die verzogene Tochter nicht vor
ſeinen Schlägen ſicher. Und wie mag es vielleicht
mit dem Gaſthof ſtehen? Ob die vorgeſpiegelten Hoff¬
nungen wohl Wahrheit ſind? So allein mit der Nacht
und mit ihren Gedanken, ward ihr ganz bange, und
— wunderlich genug, — Fritz Buchſtein und Tante
Rieke ſtanden Beide mit ihren ernſten Geſichtern und
ſtrafenden Worten vor ihrer Seele. Wenn der Gott,
von dem ſie ſo viel reden, dich doch für dein leicht¬
ſinniges Leben ſtrafen könnte? Wenn die Tante Recht
hätte mit ihrem Sprüchwort: Wie man's treibt, ſo
geht's? — Aber was ſollte ſie machen? Jetzt wieder
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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/86>, abgerufen am 16.02.2025.
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