Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.volle Stunden, sie hatte sich zu Bett gelegt, um nur Das war ein Todesstoß für Klärchen. Sie fühlte Doch lange blieb sie nicht in Ungewißheit. Die volle Stunden, ſie hatte ſich zu Bett gelegt, um nur Das war ein Todesſtoß für Klärchen. Sie fühlte Doch lange blieb ſie nicht in Ungewißheit. Die <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0078" n="72"/> volle Stunden, ſie hatte ſich zu Bett gelegt, um nur<lb/> nicht Leuten in das Geſicht ſehen zu müſſen. Hier<lb/> lauſchte ſie jedem Fußtritt auf der Treppe. Sie machte<lb/> ſich wunderliche Phantaſien. Wenn er ihren Brief<lb/> lieſ't, wird ſein Herz zerſchmelzen, er wird ihr Unglück<lb/> nicht ertragen können, er wird ſelbſt zu ihr kommen,<lb/> er wird trotzen der Welt und der Generalin und wird<lb/> ſie ſelbſt tröſten, beruhigen und ihr aus dem Wirr¬<lb/> warr helfen. — Aber wie ward ihr, als die Mutter<lb/> in der Dämmerung zu ihr eintrat mit dem kalten Be¬<lb/> ſcheid: Der Graf ſei ſehr verdrießlich geweſen, er habe<lb/> von einem zweiten Briefe geſprochen, von ſchrecklicher<lb/> Unvorſichtigkeit, von kaum zu löſenden Unannehmlich¬<lb/> keiten, er müſſe ſich die Sache überlegen und wolle<lb/> morgen Beſcheid ſchicken.</p><lb/> <p>Das war ein Todesſtoß für Klärchen. Sie fühlte<lb/> ſich in einer ſolchen Nacht des Unglücks, daß ſie kei¬<lb/> nen Gedanken faſſen konnte, ſie fühlte nur, die Sache<lb/> mit dem Grafen ſei aus. Sie blieb auch den folgen¬<lb/> den Morgen im Bett liegen, ſie konnte nichts anders<lb/> thun, als weinen und das ſollte Niemand ſehen. Zu¬<lb/> weilen kam der Hoffnungsſchimmer: die Mutter könne<lb/> doch noch einen tröſtlichen Brief bringen, ſie dachte<lb/> wenige Tage zurück, wie ſeine Liebe da ſo heiß, ſeine<lb/> Verſprechungen ſo heilig, ſo für die Ewigkeit geweſen;<lb/> aber ſie bedachte nicht, daß alle ſolche Betheurungen<lb/> nur Teufelswerk ſind, die wie Seifenblaſen verwehen;<lb/> ſie gehörte zu den Tauſenden von thörichten Jung¬<lb/> frauen, die ſolchen Verſicherungen trauten.</p><lb/> <p>Doch lange blieb ſie nicht in Ungewißheit. Die<lb/> Mutter kam mit dem Briefe, und der war wie ſie<lb/></p> </body> </text> </TEI> [72/0078]
volle Stunden, ſie hatte ſich zu Bett gelegt, um nur
nicht Leuten in das Geſicht ſehen zu müſſen. Hier
lauſchte ſie jedem Fußtritt auf der Treppe. Sie machte
ſich wunderliche Phantaſien. Wenn er ihren Brief
lieſ't, wird ſein Herz zerſchmelzen, er wird ihr Unglück
nicht ertragen können, er wird ſelbſt zu ihr kommen,
er wird trotzen der Welt und der Generalin und wird
ſie ſelbſt tröſten, beruhigen und ihr aus dem Wirr¬
warr helfen. — Aber wie ward ihr, als die Mutter
in der Dämmerung zu ihr eintrat mit dem kalten Be¬
ſcheid: Der Graf ſei ſehr verdrießlich geweſen, er habe
von einem zweiten Briefe geſprochen, von ſchrecklicher
Unvorſichtigkeit, von kaum zu löſenden Unannehmlich¬
keiten, er müſſe ſich die Sache überlegen und wolle
morgen Beſcheid ſchicken.
Das war ein Todesſtoß für Klärchen. Sie fühlte
ſich in einer ſolchen Nacht des Unglücks, daß ſie kei¬
nen Gedanken faſſen konnte, ſie fühlte nur, die Sache
mit dem Grafen ſei aus. Sie blieb auch den folgen¬
den Morgen im Bett liegen, ſie konnte nichts anders
thun, als weinen und das ſollte Niemand ſehen. Zu¬
weilen kam der Hoffnungsſchimmer: die Mutter könne
doch noch einen tröſtlichen Brief bringen, ſie dachte
wenige Tage zurück, wie ſeine Liebe da ſo heiß, ſeine
Verſprechungen ſo heilig, ſo für die Ewigkeit geweſen;
aber ſie bedachte nicht, daß alle ſolche Betheurungen
nur Teufelswerk ſind, die wie Seifenblaſen verwehen;
ſie gehörte zu den Tauſenden von thörichten Jung¬
frauen, die ſolchen Verſicherungen trauten.
Doch lange blieb ſie nicht in Ungewißheit. Die
Mutter kam mit dem Briefe, und der war wie ſie
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