Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.künftige Gemahlin eines Grafen durfte sich so etwas 5 *
künftige Gemahlin eines Grafen durfte ſich ſo etwas 5 *
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0073" n="67"/> künftige Gemahlin eines Grafen durfte ſich ſo etwas<lb/> nicht gefallen laſſen. Sie nahm die Rechnung und<lb/> verſicherte, in einigen Minuten wieder da zu ſein.<lb/> Zu Guſtchen Vogler ging ihr Weg. Guſtchen mußte<lb/> das Geld geben. Sie verſprach heilig, es ihr am an¬<lb/> deren Morgen um zehn Uhr wieder zu übergeben.<lb/> Guſtchen war gutmüthig; ſie gab das Geld, verſicherte<lb/> aber, wenn ſie am anderen Morgen es nicht wieder<lb/> bekomme, mache ſie Lärm bei der Generalin. Mit<lb/> Triumph bezahlte Klärchen die Rechnung und bemerkte<lb/> ſchnippiſch: es gäbe Läden, wo Damen ihrer Stellung<lb/> ganz gern geſehen würden. Darauf ſchrieb ſie gleich<lb/> bei der Mutter einen Brief an den Grafen, den dieſe<lb/> eiligſt beſorgen mußte. Es war das erſte Mal, daß<lb/> Klärchen Geld forderte, aber Noth bricht Eiſen, und<lb/> dieſer Aufforderung konnte er gewiß nicht widerſtehen.<lb/> Mit klopfendem Herzen wartete ſie auf der Mutter<lb/> Rückkehr; dieſe aber brachte den traurigen Beſcheid:<lb/> der Graf ſei nicht zu Hauſe. Die Mutter verſprach:<lb/> ſo oft hinzugehen bis ſie ihn ſpreche, und bis mor¬<lb/> gen früh um zehn das Geld anzuſchaffen. Der Abend<lb/> verging, der Morgen verging, die Mutter kam nicht.<lb/> Endlich brachte ſie den Beſcheid, der Graf ſei geſtern<lb/> ſpät Abends nach Haus gekommen, aber heut früh<lb/> verreiſ't. Klärchen war außer ſich, Guſtchen kam dazu<lb/> und wurde mit den heiligſten Verſprechungen bis mor¬<lb/> gen vertröſtet. Noth bricht Eiſen, dachte Klärchen,<lb/> morgen früh hole ich Geld aus dem Schreibtiſch; hat<lb/> ſie es einmal nicht gemerkt, wird ſie es das andere<lb/> Mal auch nicht merken. Den Abend mußte die Mut¬<lb/> ter noch einmal nach dem Grafen ausſehen. Er war<lb/> <fw place="bottom" type="sig">5 *<lb/></fw> </p> </body> </text> </TEI> [67/0073]
künftige Gemahlin eines Grafen durfte ſich ſo etwas
nicht gefallen laſſen. Sie nahm die Rechnung und
verſicherte, in einigen Minuten wieder da zu ſein.
Zu Guſtchen Vogler ging ihr Weg. Guſtchen mußte
das Geld geben. Sie verſprach heilig, es ihr am an¬
deren Morgen um zehn Uhr wieder zu übergeben.
Guſtchen war gutmüthig; ſie gab das Geld, verſicherte
aber, wenn ſie am anderen Morgen es nicht wieder
bekomme, mache ſie Lärm bei der Generalin. Mit
Triumph bezahlte Klärchen die Rechnung und bemerkte
ſchnippiſch: es gäbe Läden, wo Damen ihrer Stellung
ganz gern geſehen würden. Darauf ſchrieb ſie gleich
bei der Mutter einen Brief an den Grafen, den dieſe
eiligſt beſorgen mußte. Es war das erſte Mal, daß
Klärchen Geld forderte, aber Noth bricht Eiſen, und
dieſer Aufforderung konnte er gewiß nicht widerſtehen.
Mit klopfendem Herzen wartete ſie auf der Mutter
Rückkehr; dieſe aber brachte den traurigen Beſcheid:
der Graf ſei nicht zu Hauſe. Die Mutter verſprach:
ſo oft hinzugehen bis ſie ihn ſpreche, und bis mor¬
gen früh um zehn das Geld anzuſchaffen. Der Abend
verging, der Morgen verging, die Mutter kam nicht.
Endlich brachte ſie den Beſcheid, der Graf ſei geſtern
ſpät Abends nach Haus gekommen, aber heut früh
verreiſ't. Klärchen war außer ſich, Guſtchen kam dazu
und wurde mit den heiligſten Verſprechungen bis mor¬
gen vertröſtet. Noth bricht Eiſen, dachte Klärchen,
morgen früh hole ich Geld aus dem Schreibtiſch; hat
ſie es einmal nicht gemerkt, wird ſie es das andere
Mal auch nicht merken. Den Abend mußte die Mut¬
ter noch einmal nach dem Grafen ausſehen. Er war
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