Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.und gerade heute das anzuhören ist sehr störend. Es schlug zwölf. Alle falteten die Hände, beug¬ Beim Heimgehen fand es sich, daß Frau Krauter und gerade heute das anzuhören iſt ſehr ſtörend. Es ſchlug zwölf. Alle falteten die Hände, beug¬ Beim Heimgehen fand es ſich, daß Frau Krauter <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0048" n="42"/> und gerade heute das anzuhören iſt ſehr ſtörend.<lb/> Die Andern ſehen dabei ſo ruhig und freudig aus,<lb/> als ob ſie Recht hätten, und Fritz iſt ſo voll von der<lb/> Wahrheit, ſein Geſicht leuchtet, und wie Gretchen ſo<lb/> demüthig zu ihm aufſchaut — ſolche Blicke müſſen ſein<lb/> Herz rühren.</p><lb/> <p>Es ſchlug zwölf. Alle falteten die Hände, beug¬<lb/> ten ſich zum Gebet. Auch Klärchen mußte ſo thun,<lb/> aber in ihrem Herzen war es dunkle Nacht, der Teu¬<lb/> fel hielt ſeine Hand über ſie. Fort, fort von hier!<lb/> ſeufzte ſie, und der Liebesbrief zog ſie gewaltig hinaus<lb/> aus dem Ernſt und dem Frieden in die Luſt und Un¬<lb/> ruhe der Welt.</p><lb/> <p>Beim Heimgehen fand es ſich, daß Frau Krauter<lb/> mit den Andern einen Weg hatte, und nur Klärchen<lb/> allein nach einer ganz entgegengeſetzten Seite mußte;<lb/> es wurde beſchloſſen, Fritz ſollte ſie nach Hauſe füh¬<lb/> ren. Sie aber ſträubte ſich, denn nichts wäre ihr<lb/> drückender geweſen, als ein einſamer Weg mit dieſem<lb/> ſonderbaren Menſchen. Aber es half nichts. In der<lb/> Sylveſter-Nacht, wo der Trunkenbolde nicht wenige<lb/> auf den Straßen zu finden ſind, darf kein junges<lb/> Mädchen allein gehen, hieß es, und Klärchen mußte<lb/> ſich fügen. Fritz war gar nicht verlegen, er hatte ſich<lb/> eben zu ſehr in eine Gottes-Welt vertieft, als daß<lb/> ihn die kleinen Bewegungen der irdiſchen Welt hätten<lb/> berühren können. Er ſah Klärchen ruhig und feſt in<lb/> die Augen und ſprach zu ihr mit unbefangener Stimme:<lb/> doch wehten außen Sturm und Regen ſo ſehr, und<lb/> Klärchen ging ſo raſch, daß er ſchweigen mußte.<lb/> Jetzt ſtanden ſie vor der Hausthür. Klärchen nahm<lb/></p> </body> </text> </TEI> [42/0048]
und gerade heute das anzuhören iſt ſehr ſtörend.
Die Andern ſehen dabei ſo ruhig und freudig aus,
als ob ſie Recht hätten, und Fritz iſt ſo voll von der
Wahrheit, ſein Geſicht leuchtet, und wie Gretchen ſo
demüthig zu ihm aufſchaut — ſolche Blicke müſſen ſein
Herz rühren.
Es ſchlug zwölf. Alle falteten die Hände, beug¬
ten ſich zum Gebet. Auch Klärchen mußte ſo thun,
aber in ihrem Herzen war es dunkle Nacht, der Teu¬
fel hielt ſeine Hand über ſie. Fort, fort von hier!
ſeufzte ſie, und der Liebesbrief zog ſie gewaltig hinaus
aus dem Ernſt und dem Frieden in die Luſt und Un¬
ruhe der Welt.
Beim Heimgehen fand es ſich, daß Frau Krauter
mit den Andern einen Weg hatte, und nur Klärchen
allein nach einer ganz entgegengeſetzten Seite mußte;
es wurde beſchloſſen, Fritz ſollte ſie nach Hauſe füh¬
ren. Sie aber ſträubte ſich, denn nichts wäre ihr
drückender geweſen, als ein einſamer Weg mit dieſem
ſonderbaren Menſchen. Aber es half nichts. In der
Sylveſter-Nacht, wo der Trunkenbolde nicht wenige
auf den Straßen zu finden ſind, darf kein junges
Mädchen allein gehen, hieß es, und Klärchen mußte
ſich fügen. Fritz war gar nicht verlegen, er hatte ſich
eben zu ſehr in eine Gottes-Welt vertieft, als daß
ihn die kleinen Bewegungen der irdiſchen Welt hätten
berühren können. Er ſah Klärchen ruhig und feſt in
die Augen und ſprach zu ihr mit unbefangener Stimme:
doch wehten außen Sturm und Regen ſo ſehr, und
Klärchen ging ſo raſch, daß er ſchweigen mußte.
Jetzt ſtanden ſie vor der Hausthür. Klärchen nahm
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |