in Respekt setzen, und etwas Sprödigkeit gegen den Mediziner kann nicht schaden.
Es kamen nun für sie unterhaltende Tage. Das Haus der Generalin war vielfach belebt, die verheira¬ thete Tochter mit den Kindern 4 Wochen dort, und dies gab Gelegenheit zu mancher Geselligkeit. Außer¬ dem ward Klärchen in die eleganten Läden der Stadt geschickt, um Besorgungen zu machen, und das war ihr besonders unterhaltend. Sie war bald mit allen Commis befreundet und hatte ihre leichte Commoden¬ gesellschaft um manches bereichert. Freilich waren ihre wenigen Groschen, die sie in den Dienst mitgebracht, auch ausgegeben, aber die Paar Groschen lohnten kaum der Mühe zum Sparen. Daneben ward das Spiel mit dem Mediziner gar eifrig betrieben. Die Generalin hatte meistens nur Damenverkehr: von der Seite war also für ihre Zukunft nichts zu hoffen. Bald merkte sie, der Mediziner war in Feuer und Flammen und ein recht demüthiger Liebhaber. Wenn sie das Rouleau einen Tag nicht aufzog, sang er die schwermüthigsten Lieder; oder wenn sie sonst spröde ge¬ gen ihn war, nahmen seine rohen großen Züge einen gar sanften Ausdruck an. Sie that das mit Wohl¬ bedacht, denn ehe er nicht in die rechte Höhe der Lei¬ denschaft kam, würde er nicht Ernst aus der Sache machen. Sie berechnete freilich nicht, daß sie auch mit der Zeit warm wurde, und ein verliebtes Herz ist ein schwaches Herz, und der Mediziner war nicht ohne Erfahrung, das zu wissen und zu merken.
So war Weihnachten herangekommen, der Besuch der Generalin war abgereist und den unruhigen Ta¬
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in Reſpekt ſetzen, und etwas Sprödigkeit gegen den Mediziner kann nicht ſchaden.
Es kamen nun für ſie unterhaltende Tage. Das Haus der Generalin war vielfach belebt, die verheira¬ thete Tochter mit den Kindern 4 Wochen dort, und dies gab Gelegenheit zu mancher Geſelligkeit. Außer¬ dem ward Klärchen in die eleganten Läden der Stadt geſchickt, um Beſorgungen zu machen, und das war ihr beſonders unterhaltend. Sie war bald mit allen Commis befreundet und hatte ihre leichte Commoden¬ geſellſchaft um manches bereichert. Freilich waren ihre wenigen Groſchen, die ſie in den Dienſt mitgebracht, auch ausgegeben, aber die Paar Groſchen lohnten kaum der Mühe zum Sparen. Daneben ward das Spiel mit dem Mediziner gar eifrig betrieben. Die Generalin hatte meiſtens nur Damenverkehr: von der Seite war alſo für ihre Zukunft nichts zu hoffen. Bald merkte ſie, der Mediziner war in Feuer und Flammen und ein recht demüthiger Liebhaber. Wenn ſie das Rouleau einen Tag nicht aufzog, ſang er die ſchwermüthigſten Lieder; oder wenn ſie ſonſt ſpröde ge¬ gen ihn war, nahmen ſeine rohen großen Züge einen gar ſanften Ausdruck an. Sie that das mit Wohl¬ bedacht, denn ehe er nicht in die rechte Höhe der Lei¬ denſchaft kam, würde er nicht Ernſt aus der Sache machen. Sie berechnete freilich nicht, daß ſie auch mit der Zeit warm wurde, und ein verliebtes Herz iſt ein ſchwaches Herz, und der Mediziner war nicht ohne Erfahrung, das zu wiſſen und zu merken.
So war Weihnachten herangekommen, der Beſuch der Generalin war abgereiſt und den unruhigen Ta¬
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in Reſpekt ſetzen, und etwas Sprödigkeit gegen den
Mediziner kann nicht ſchaden.
Es kamen nun für ſie unterhaltende Tage. Das
Haus der Generalin war vielfach belebt, die verheira¬
thete Tochter mit den Kindern 4 Wochen dort, und
dies gab Gelegenheit zu mancher Geſelligkeit. Außer¬
dem ward Klärchen in die eleganten Läden der Stadt
geſchickt, um Beſorgungen zu machen, und das war
ihr beſonders unterhaltend. Sie war bald mit allen
Commis befreundet und hatte ihre leichte Commoden¬
geſellſchaft um manches bereichert. Freilich waren ihre
wenigen Groſchen, die ſie in den Dienſt mitgebracht,
auch ausgegeben, aber die Paar Groſchen lohnten
kaum der Mühe zum Sparen. Daneben ward das
Spiel mit dem Mediziner gar eifrig betrieben. Die
Generalin hatte meiſtens nur Damenverkehr: von der
Seite war alſo für ihre Zukunft nichts zu hoffen.
Bald merkte ſie, der Mediziner war in Feuer und
Flammen und ein recht demüthiger Liebhaber. Wenn
ſie das Rouleau einen Tag nicht aufzog, ſang er die
ſchwermüthigſten Lieder; oder wenn ſie ſonſt ſpröde ge¬
gen ihn war, nahmen ſeine rohen großen Züge einen
gar ſanften Ausdruck an. Sie that das mit Wohl¬
bedacht, denn ehe er nicht in die rechte Höhe der Lei¬
denſchaft kam, würde er nicht Ernſt aus der Sache
machen. Sie berechnete freilich nicht, daß ſie auch
mit der Zeit warm wurde, und ein verliebtes Herz iſt
ein ſchwaches Herz, und der Mediziner war nicht ohne
Erfahrung, das zu wiſſen und zu merken.
So war Weihnachten herangekommen, der Beſuch
der Generalin war abgereiſt und den unruhigen Ta¬
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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/39>, abgerufen am 16.07.2024.
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