in den Saal, um in dem wilden Getümmel sich zu erhitzen und zu betäuben.
Fritz Buchstein hatte auf seinem Spaziergange in dem schönen Mädchen das kleine Klärchen Krauter wie¬ der erkannt, und die schönsten und süßesten Jugender¬ innerungen gingen an seiner Seele vorüber. Jetzt noch dachte er mit inniger Bewegung daran, wie sie da¬ mals zu ihm in die Werkstatt kam, um irgend eine Kleinigkeit machen zu lassen, und wie es ihm, dem achtzehnjährigen Jüngling, ganz wunderbar ward, wenn er dem zwölfjährigen Mädchen in die dunkelblauen Au¬ gen sah. Er wollte es sich selbst nicht gestehen, aber es war seine erste Jugendliebe. Ihr Bild begleitete ihn auf der Wanderschaft, er schloß sie in sein Abend- und Morgengebet: der Herr möchte dies Blümlein schön und rein bewahren, es behüten vor dem Schmutze der Welt. Ob dies Blümlein einst für ihn blühen werde? das stand in Gottes Hand. Sein Herz war gesund, er hatte auch nicht Romane gelesen und hing nicht mit kränklicher Sehnsucht an seiner Liebe; frisch und fröhlich ging er durch die schöne Gottes-Welt, er sah Berge und Thäler und Flüsse und Fluren, manch große Stadt, manch lieblich Dörflein, schöne Kirchen und Schlösser und Burgen, schöne Bilder und Kunst¬ werke, und Alles nahm er mit Aufmerksamkeit in sich auf. Das war eine schöne Wanderung, die nicht getrübt wurde durch ungesunde Glieder, durch ein bö¬ ses Gewissen, durch Armuth und Noth. Er hatte das Gelübde gethan, nie einen Schluck Brantwein
in den Saal, um in dem wilden Getümmel ſich zu erhitzen und zu betäuben.
Fritz Buchſtein hatte auf ſeinem Spaziergange in dem ſchönen Mädchen das kleine Klärchen Krauter wie¬ der erkannt, und die ſchönſten und ſüßeſten Jugender¬ innerungen gingen an ſeiner Seele vorüber. Jetzt noch dachte er mit inniger Bewegung daran, wie ſie da¬ mals zu ihm in die Werkſtatt kam, um irgend eine Kleinigkeit machen zu laſſen, und wie es ihm, dem achtzehnjährigen Jüngling, ganz wunderbar ward, wenn er dem zwölfjährigen Mädchen in die dunkelblauen Au¬ gen ſah. Er wollte es ſich ſelbſt nicht geſtehen, aber es war ſeine erſte Jugendliebe. Ihr Bild begleitete ihn auf der Wanderſchaft, er ſchloß ſie in ſein Abend- und Morgengebet: der Herr möchte dies Blümlein ſchön und rein bewahren, es behüten vor dem Schmutze der Welt. Ob dies Blümlein einſt für ihn blühen werde? das ſtand in Gottes Hand. Sein Herz war geſund, er hatte auch nicht Romane geleſen und hing nicht mit kränklicher Sehnſucht an ſeiner Liebe; friſch und fröhlich ging er durch die ſchöne Gottes-Welt, er ſah Berge und Thäler und Flüſſe und Fluren, manch große Stadt, manch lieblich Dörflein, ſchöne Kirchen und Schlöſſer und Burgen, ſchöne Bilder und Kunſt¬ werke, und Alles nahm er mit Aufmerkſamkeit in ſich auf. Das war eine ſchöne Wanderung, die nicht getrübt wurde durch ungeſunde Glieder, durch ein bö¬ ſes Gewiſſen, durch Armuth und Noth. Er hatte das Gelübde gethan, nie einen Schluck Brantwein
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[18/0024]
in den Saal, um in dem wilden Getümmel ſich zu
erhitzen und zu betäuben.
Fritz Buchſtein hatte auf ſeinem Spaziergange in
dem ſchönen Mädchen das kleine Klärchen Krauter wie¬
der erkannt, und die ſchönſten und ſüßeſten Jugender¬
innerungen gingen an ſeiner Seele vorüber. Jetzt noch
dachte er mit inniger Bewegung daran, wie ſie da¬
mals zu ihm in die Werkſtatt kam, um irgend eine
Kleinigkeit machen zu laſſen, und wie es ihm, dem
achtzehnjährigen Jüngling, ganz wunderbar ward, wenn
er dem zwölfjährigen Mädchen in die dunkelblauen Au¬
gen ſah. Er wollte es ſich ſelbſt nicht geſtehen, aber
es war ſeine erſte Jugendliebe. Ihr Bild begleitete
ihn auf der Wanderſchaft, er ſchloß ſie in ſein Abend-
und Morgengebet: der Herr möchte dies Blümlein
ſchön und rein bewahren, es behüten vor dem Schmutze
der Welt. Ob dies Blümlein einſt für ihn blühen
werde? das ſtand in Gottes Hand. Sein Herz war
geſund, er hatte auch nicht Romane geleſen und hing
nicht mit kränklicher Sehnſucht an ſeiner Liebe; friſch
und fröhlich ging er durch die ſchöne Gottes-Welt, er
ſah Berge und Thäler und Flüſſe und Fluren, manch
große Stadt, manch lieblich Dörflein, ſchöne Kirchen
und Schlöſſer und Burgen, ſchöne Bilder und Kunſt¬
werke, und Alles nahm er mit Aufmerkſamkeit in
ſich auf. Das war eine ſchöne Wanderung, die nicht
getrübt wurde durch ungeſunde Glieder, durch ein bö¬
ſes Gewiſſen, durch Armuth und Noth. Er hatte
das Gelübde gethan, nie einen Schluck Brantwein
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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/24>, abgerufen am 16.07.2024.
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